Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Unentgeltliche Leihe eines Gegenstandes
Band IV,1 (1900) S. 771773
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Commodatum ist die unentgeltliche Leihe einer beweglichen oder unbeweglichen Sache zu einem ausdrücklich oder stillschweigend bestimmten Gebrauche. Die Gebrauchsbestimmung ist es, was das c. vom precarium (s. d.) unterscheidet, der widerruflichen Verleihung einer Sache zu beliebigem Gebrauche (G. E. Schmidt Das commodatum und precarium, Leipzig 1841, besonders S. 161), während die herrschende Meinung in der Beschränkung des Widerrufsrechts des Verleihers auf einen Zeitraum das eigentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen c. und Precarium sieht. Ubbelohde Archiv f. civ. Pr. LIX 221ff. hat nachgewiesen, dass das Precarium Fälle umfasst, in denen möglicherweise der vorbehaltene Widerruf der Leihe gänzlich unterbleiben soll, z. B. eine vorläufige leihweise geschehende Hingabe der verkauften Sache in der Hoffnung, dass sie der Empfänger durch Preiszahlung erwerben werde. Auch hierdurch ist die übliche Auffassung des c. widerlegt. Die geschichtliche Bedeutung der beiden Formen von Leihe ist jedenfalls eine verschiedene. Das precarium hat sich aller Wahrscheinlichkeit nach im Verhältnisse zwischen Patron und Clienten entwickelt (v. Ihering Geist des röm. Rechts⁴ I 239ff. in Anlehnung an ältere Schriftsteller); es kam daher vorwiegend bei Grundstücken vor (Dig. XLIII 26, 4 pr.), galt als Seitenstück der Schenkung (Dig. XLVII 2, 14, 11) und war nur ausnahmsweise auf eine gewisse Zeit beschränkt (Dig. XLIII 26, 4 § 4). Das römische Recht gewährt dem Precaristen einen Besitzschutz (Dig. [772] XLIII 26. G. E. Schmidt a. a. O. 55ff. § 3) und befreit ihn von der Pflicht zu einer besondern Sorgfalt, so dass er nur für Dolus (und grobes Versehen) haftet (Dig. L 17, 23), da den Herrn sein Widerrufsrecht in genügender Weise schützte. Isid. orig. V 25, 16. 17. Bruns Font.⁶ II 84. Das c. dagegen war die freundschaftliche Ausleihe von Gegenständen, wie sie gelegentlich und in der Regel nur auf kürzere Zeit vorkommt. Commodare bedeutete überhaupt ursprünglich so viel wie zur Verfügung stellen (z. B. operam commodare, Plaut. Rud. 439; nomen commodare, Cic. Verr. IV 91; de off. I 51; ep. II 17. III 3. Pernice Labeo I 429, 19. 21. Cic. Verr. IV 6: commodis hospitum. Cic. Cael. 32. 33. 51). Das c. kam vorwiegend bei beweglichen Sachen vor; bei Verleihung von Grundstücken zu einem bestimmten Gebrauche wollte daher Labeo nicht von commodare, sondern von utendum dare reden, eine Verfeinerung des Sprachgebrauches, die nicht durchdrang und auch nicht im Edictum perpetuum Aufnahme fand (Dig. XIII 6, 1, 1. Pernice Labeo I 430. Lenel Ed. perpetuum 200; vgl. auch Vat. frg. 269). Dig. XII 5, 9 pr. (Paulus) spricht sogar von vestimenta utenda commodare. Vom Darlehen unterscheidet sich das c. (ebenso wie das precarium) dadurch, dass der Empfänger zur Rückgabe derselben Sache, die er empfangen hat, verpflichtet ist, Dig. XIII 6, 8. Agroecius de orthogr. G. L. VII 124, 13 K. Ihm ist hinsichtlich dieser Sache eine ganz besondere Sorgfalt auferlegt (Dig. XLIV 7, 1, 4. XIII 6, 18 pr.; vgl. hierzu Pernice Labeo II 354). Ein bewusster vertragswidriger Gebrauch der geliehenen Sache, die selbst c. heisst (Isidor. V 25), galt als furtum, Dig. XIII 6, 5. 8. Gai. III 196ff. Die Unvollkommenheit der Rechte des Commodatars veranlasste Seneca de consol. ad Marc. X 1 die vergänglichen irdischen Güter mit dem c. zu vergleichen. Der Schutz des c. war wohl ursprünglich der Sitte überlassen. Später stellte das praetorische Edict Klagen auf (in Anlehnung an ein älteres arbitrium commodati, Schulin Geschichte des röm. R. 402), Inst. IV 6, 28. Der Verleiher erhielt die actio commodati directa gegen den Entleiher, der Entleiher eine actio commodati contraria zum Ersatz für notwendige Auslagen auf die geliehene Sache oder für den aus einer groben Verschuldung des Verleihers erlittenen Schaden, Paul. II 4. Dig. XIII 6. Cod. IV 23. Inst. III 14, 2. Die actio commodati wurde zuweilen als formula in ius concepta gewährt, zuweilen als formula in factum concepta, Gai. IV 47. Die Veranlassung und der Sinn dieses Unterschiedes sind zweifelhaft (Eisele Die materielle Grundlage der exceptio 1871, 130ff. Bekker Die Actionen des röm. Privatrechts 1871 I 310. Pernice Labeo I 433, 34. Lenel a. a. O. v. Pokrowsky Ztschr. der Savigny-Stiftung XVI 11 und hierzu Erman Servus vicarius, Lausanne 1896 498ff.). Jedenfalls war die actio in factum dem Kläger vorteilhafter als die actio in ius concepta, weil sie die nicht in der Formel erwähnten Civilrechtseinreden abschnitt (vgl. Eisele a. a. O.) und bei Abweisung des Klägers den Anspruch nicht mit derselben Stärke tilgte, wie eine formula in ius concepta, Gai. IV 107. Vielleicht gab der Praetor sie dann, wenn er im Widerspruche [773] mit dem Civilrechte eine Commodatsklage gewähren wollte. Besondere Zweifel ergaben sich aus der Frage, wem die actio furti zustehen sollte, falls eine verliehene Sache entwendet worden war, dem Verleiher oder dem Entleiher. Iustinian hat diesen Punkt geregelt, Cod. VII 2, 22. Inst. IV 1, 16; vgl. Dernburg Pand.⁵ II § 90, 14; Pfandrecht I 147ff.

Litteratur s. bei Windscheid Pandekten⁷ II 379. 383 § 374. 376. Dernburg Pandekten⁵ II 243. 246 § 90, 1. § 91, 1; bes. Ferrini Storia e teoria del contratto di commodato, Arch. giurid. LII 469; vgl. ferner Puchta-Krüger Institutionen10 II 351 § 272. Leonhard Institutionen 393. 467.