Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
fertig  
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Sieb
Band IV,1 (1900) S. 590592
Bildergalerie im Original
Register IV,1 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|IV,1|590|592|Colum|[[REAutor]]|RE:Colum}}        

Colum, ἠθμός, ὑλιστήρ, τρύγοιπος, ein Sieb, Durchschlag, Gerät zum Durchseihen einer Flüssigkeit, Poll. VI 18. 19. X 75. Besonders oft wird das zum Durchseihen des Weines bestimmte C. erwähnt. Und zwar ist das Durchseihen des Weines ein zweifaches und gab es daher auch zweierlei ganz verschiedene Wein-C.

Erstens bei der Weinbereitung und zwar wohl in verschiedenen Stadien derselben. Das hierbei benutzte C., das also ein landwirtschaftliches Gerät ist, wird erwähnt Cato de agri cult. XI 2. Verg. Georg. II 241 und Servius z. d. St. Colum. IX 15, 2. XII 19, 4 (vgl. Schneider z. d. St.). Geopon. VII 37. Der Wein wird durchgeseiht (defaecare, Plin. n. h. XVIII 232) beim Umfüllen aus dem Dolium (πίθος) in die Amphoren; daher das Trinken des ungesiebten Weines ἀπὸ τοῦ πίθου πίνειν, Plut. qu. conv. VI 7, 1. Dies auch sonst gebrauchte landwirtschaftliche C. war aus Weiden oder Binsen- oder etwas Ähnlichem geflochten; doch wurde statt desselben auch ein Sack, (σάκκος, saccus) benutzt. Hierüber wird unter Wein weiter [591] zu reden sein. Über Siebe im allgemeinen s. Daremberg zu Oribasius I 633.

Zweitens wird der Wein vor dem Genuss durchgesiebt. Meistens geschah dies wohl so, dass man das C. beim Einschenken über den Becher hielt, Pherecr. bei Athen. XI 480 b; so ist es auch zu verstehen, wenn nach Hellanikos bei Athen. XI 470 d das Trinkgerät der Ägypter aus φιάλη, κύαθος und ἠθάνιον bestand. Nur diese Art des Gebrauches erscheint auf Bildwerken; etruskische Grabgemälde Mon. d. Inst. I 32. Mus. Gregor. II 95 (I 102); etruskischer Sarkophag Mon. d. Inst. VIII 2. Hier überall ist das kleine C. an der Spitze eines etwa 0,50 m. langen Stabes befestigt. Dagegen hat es auf dem attischen Vasenbilde Mon. d. Inst. VIII 27 die Form einer Patera mit Griff und einer beutelartigen durchlöcherten Vertiefung in der Mitte. Ähnlich ein etruskisches Gemälde Mon. d. Inst. V 34. Mehrfach sind C. ähnlicher Form gefunden worden. Silberne aus südrussischen Gräbern, Ant. du Bosph. Cimm. XXXI 4. 5. 6. Bronzene aus etruskischen Gräbern Mus. Greg. I 52 (I 1), 2. 5. 11. F. Venuti Sopra i coli vinarii, in Diss. di Cortona I; aus einem vorrömischen Grab bei Nocera, Bull. napol. V 1856/57, 3. 117 Taf. III, diese mit anderem Trinkgerät (Patera, Schöpfkanne, Simpulum) zusammen gefunden; aus Fasano, Minervini Monum. Barone 54 Taf. XI 2; aus Pompeii, Mus. Borb. VIII 14, 4. 5 (hier irrtümlich als silbern bezeichnet); in Nismes, Daremberg-Saglio Dict. d. Ant. I 1332 Fig. 1732. Etwas anders geformt, gleich vom Rande aus nach unten spitz zulaufend, das Mayersche C., durch Verzierungen bakchischen Charakters auf dem Griff als Wein-C. bezeichnet, Le Chevalier De colo Mayerano, Amsterd. 1694. Aulisius De colo Mayeriano. Menestrier De colo antiquo epistola ad Mayerum, diese beiden in Sallengre Thes. III. Thönerne aus Etrurien, Gori Museo Guarnacci 34. 35.

Wo aber für ein Trinkgelage grössere Mengen Weins im Krater mit Wasser gemischt wurden, da musste das Durchseihen beim Eingiessen in diesen geschehen und das C. auf den Krater gesetzt werden. Daher ἠθμὸς ἐπικρητηρίδιος, Poll. X 108; vgl. CIG 8: κρητῆρα καὶ ὑποκρητήριον καὶ ἠθμόν, und Martial. VIII 45, 3, wo der Wein aus der Amphora filtriert wird. Auf Bildwerken kommt dies Verfahren nicht vor. Unter den erhaltenen C. könnte auf diese Weise das Mus. Borb. II 60 abgebildete und ähnliche gedient haben; es ist aber ebensogut möglich, dass dies Küchengeräte waren.

Das ἠθάνιον der Ägypter war nach Hellanikos a. O. aus Bronze; sonst wird als Material Silber genannt: Epigenes bei Athen. XI 469 c. Dig. XXXIV 2, 21. Auch das C. bei Martial. XIV 103, als reicheres Geschenk dem saccus 104 entgegengesetzt, wird aus Silber zu denken sein. Der ἠθμὸς χαλκήλατος, Eurip. bei Poll. X 108, kann ein Küchengerät sein. Nach Martial. a. O. könnte es scheinen, als seien feinere Weine durch das silberne C., geringere durch einen leinenen Beutel oder Durchschlag, saccus, linum, filtriert worden. Doch widerspricht dem Mart. II 40, 5. VIII 45, 3; und wenn nach Hor. sat. II 4, 54 der Massiker das linum nicht verträgt, so ist dies so zu verstehen, dass er überhaupt nicht filtriert, [592] sondern durch Stehen geklärt werden soll. Plin. n. h. XIV 138. XIX 53. XXIII 45 nennt nur den saccus. Durch das Filtrieren – colare, saccare, σακκίζειν – wurde der Wein, vom Bodensatz, faex, befreit, milder und, wie man meinte, weniger berauschend; daher sacco frangere vires, saccis castrare, Plin. aa. OO. Ausführlich handelt hiervon Plut. qu. conv. VI 7.

Mit dem Durchseihen verband man das Kühlen des Weines, indem man Schnee in das C. oder den Saccus legte; daher c. nivarium, saccus nivarius, Mart. XIV 103. 104. IX 2, 5.

Irrtümlich sind für C. gehalten worden gewisse bronzene Siebe in Form eines Kochtopfes mit horizontalem Griff, die in ein nicht durchlöchertes Gefäss gleicher Form genau hineinpassen, Mus. Borb. III 31. Overbeck Pompeji⁴ 445 Fig. 242, 6. Solche Gefässpaare sind im Neapeler Museum zahlreich vorhanden, aber mit einer Ausnahme getrennt aufgestellt, werden aber auch in nördlichen Ländern nicht selten gefunden. Lisch Jahrb. d. Vereins f. mecklenb. Gesch. und Altertumskunde XXXV Taf. I 3. 4, S. 7. 18. 21 des Sep.-Abdr. (Römergräber in Mecklenburg-Schwerin 1870); vgl. ebd. VIII 1843, 41, Taf. I 2. 2 a. Westd. Ztschr. 1882, 484 Taf. VIII 36. 37. Dies sind nicht, wie bei Overbeck a. O. und Marquardt Privatl.² 334, 9. Lisch a. O. angenommen ist, Schöpfgefässe, aus denen dann mittels des Siebes der Bodensatz herausgehoben wäre. Es wäre dies ein an sich ganz unwahrscheinliches Verfahren, und die Form dieses Gerätes – mit horizontalem Griff, während wirkliche Schöpfgefässe verticalen Griff haben, und das äussere Gefäss ohne Ausguss – ist hierfür gänzlich ungeeignet. Es ist vielmehr ein Kochgeschirr, aus dem mittels des Siebes das Gekochte ohne das Wasser, in dem es gekocht war, herausgehoben wurde. In Neapel ist ein solches Gefässpaar mit dem Gekochten – es ist wohl ein Stück Fleisch – erhalten.

Aus etruskischen Gräbern stammen Thonkrüge (,Bucchero‘), deren Ausguss durch ein Sieb geschlossen ist. Micali Monum. ined. XXVII 8. XXX 2. Mus. Greg. I 6 (II 98). Vielleicht dienten diese, um ohne besonderes C. den Wein beim Ausgiessen von dem Bodensatze zu befreien. Marquardt a. O. Becker-Göll Charikles II 346; Gallus III 429. Hermann-Blümner Griech. Privataltert. 233, 5. Daremberg-Saglio Dict. d. Ant. I 133. Helbig Ann. d. Inst. XXXVI 1864. 29, 2.

[Mau.]