216) C. Claudius Marcellus. Im J. 703 = 51 war M. Claudius Marcellus Consul, im J. 704 = 50 C. Claudius Marcellus, im J. 705 = 49 wieder ein C. Claudius Marcellus. Der Consul von 703 = 51 heisst bei Dio XL Ind. Μ. Κλαύδιος Μ. υἱ. Μάρκελλος, der von 705 = 49 in den Fasti Cap. C. Claudius M. f. M. n. Marcellus und bei Dio XLI Ind. Γ. Κλ. Μ. υἱ. Μάρκελλος; dagegen steht durch ausdrückliche Angaben Ciceros (ad fam. XV 7. 8. 10 Aufschr.) sicher fest, dass der Consul von 704 = 50 Sohn des C. Marcellus Nr. 214 war. Daraus ergiebt sich mit voller Bestimmtheit, dass dieser Consul C. Marcellus nicht der leibliche Bruder, sondern der Vetter seines Vorgängers (Nr. 229) und seines Nachfolgers (Nr. 217) im Consulat gewesen ist (richtig: frater patruelis des M. Marcellus Suet. Caes. 29; ἀνεψιός Appian. bell. civ. II 26). Dios Bemerkung XL 59, 4: Γάιόν τε Μάρκελλον ⟨τοῦ Μάρκου⟩ ἀνεψιὸν ἢ καὶ ἀδελφὸν – λέγεται γὰρ ἑκάτερον erklärt sich also aus dem Gebrauch von frater schlechthin für frater patrueli, und diese Bedeutung muss frater bei Cic. ad fam. IV 7, 6. 9, 2. 4. 11, 1. XV 10, 2; Marc. 34. Schol. Gronov. p. 418 Or. haben. Der gemeinsame Grossvater der drei Marcelli muss M. geheissen haben und ist sonst unbekannt. Cicero erwähnt C. Marcellus zuerst mit vieler Herzlichkeit im J. 692 = 62 (Sulla 19f.); im J. 697 = 57 gedenkt er eines Marcellus, der sich damals um die Aedilität bewarb (ad Att. IV 3, 5) und wohl für diesen zu halten ist. Denn da er 704 = 50 Consul war, so hat er wahrscheinlich 698 = 56 die Aedilität und 701 = 53 die Praetur bekleidet. Etwas vor dem J. 700 = 54 hatte er sich mit einer Grossnichte Caesars, Octavia, der Schwester des späteren Kaisers Augustus, vermählt (Suet. Caes. 27), aber auf seine politische Gesinnung übte diese Familienverbindung keinen Einfluss aus, denn er ergriff mit Entschiedenheit die Partei des Pompeius. Durch dessen Unterstützung wurde er zusammen mit L. Aemilius Paullus (Bd. I S. 564 Nr. 81) zum Consul für 704 = 50 gewählt, wozu ihm Cicero aus Kilikien seinen Glückwunsch (ad fam. XV 7, vgl. 8) sandte (Figlinae Veleiates CIL I 790. 791. Chronogr. Idat. Chron. pasch. Cael. ad fam. VIII 4, 1. 8, 5. 9, 2. Cic. ad fam. XV 7. 8. 9, 1. 10, 1; ad Att. X 15, 2; Brut. 229. 328. Hirt. b. Gall. VIII 48, 10. Plin. n. h. II 147. Suet. Caes. 29. Obsequ. 65. Cassiod. Appian. bell. civ. II 26. Dio XL Ind. 59, 4; vgl. Athen. Mitt. XVIII 372 = CIL III Suppl. 12320). Nach Antritt des Consulats empfing Marcellus einen weiteren Brief Ciceros (ad fam. XV 10), worin ihn dieser bat, für die Bewilligung von Supplicationen zur Feier seiner kriegerischen Erfolge einzutreten; der Consul erfüllte die Bitte wenigstens teilweise (Cael. ad fam. VIII 11, 1) und erhielt darauf von Cicero das Dankschreiben ad fam. XV 11. Viel mehr als solche Kleinigkeiten beschäftigten ihn während seines Amtsjahres die
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Pläne zum Sturze Caesars. Diesem war es gelungen, den anderen Consul und den Volkstribunen C. Curio durch Bestechung auf seine Seite zu ziehen; durch sie sah sich Marcellus auf allen Seiten behindert, so dass Caelius z. B. Ende Februar noch schreiben konnte (ad fam. VIII 6, 3): Consules autem habemus summa diligentia: adhuc senatus consultum nisi de feriis Latinis nullum facere potuerunt. Gemäss den Beschlüssen vom vorhergehenden Jahre (ebd. 8, 5) brachte er im März oder April im Senate die Abberufung Caesars zur Sprache, doch verhinderte der passive Widerstand seines Collegen und das geschickte Vorgehen Curios das Zustandekommen eines Beschlusses (Appian. bell. civ. II 27). Nach längerer Pause referierte er wieder im Sommer über die Angelegenheit, aber der Senat entschied sich für Curios Antrag, dass nicht Caesar allein, sondern zugleich auch Pompeius Heere und Provinzen abgeben sollte (Hirt. b. Gall. VIII 53, 1. Appian. bell. civ. II 30; vgl. Suet. Caes. 29 u. a.); Marcellus schloss die Sitzung mit den Worten, sie hätten es nun erreicht, Caesar zu ihrem Herrn zu machen (Appian. ebd.). Caesar suchte inzwischen seine friedlichen Absichten zu beweisen, indem er die zwei ihm von Pompeius überlassenen Legionen für den Partherkrieg zur Verfügung stellte; hauptsächlich Marcellus scheint veranlasst zu haben, dass sie in Italien zurückgehalten wurden (Hirt. b. Gall. VIII 55, 1. Cic. ad Att. VII 13 a, 2. Appian. bell. civ. II 28. Dio XL 66, 1). Bald ging er noch weiter; auf das Gerücht, das sich im Herbst verbreitete, Caesar wolle vier Legionen in das cisalpinische Gallien verlegen, stellte er sofort den Antrag, Caesar zum Feind des Vaterlandes zu erklären und dem Pompeius den Oberbefehl gegen ihn zu übertragen. Als Curio ihm erfolgreich Widerstand leistete, erklärte der Consul, auch ohne Zustimmung des Senats das zu thun, was er für seine Pflicht hielt, begab sich in Begleitung der für das nächste Jahr designierten Consuln vor die Stadt zu Pompeius, überreichte ihm das Schwert als Zeichen des Commandos und forderte ihn als Consul auf, die Stadt gegen Caesar zu schützen, den Befehl über die beiden Legionen zu übernehmen und weitere Truppen auszuheben (Hirt. ebd. Oros. VI 15, 1. Appian. bell. civ. II 31. Plut. Pomp. 58, 4f. 59, 1; vgl. Anton. 5, 2. Dio XL 64, 1–4. 66, 1f.). Pompeius nahm den Auftrag an und begann noch vor dem Ende des Jahres seine Rüstungen; mit einem gewissen Rechte konnten die Gegner das eigenmächtige Vorgehen des Marcellus als die Eröffnung des Krieges betrachten (vgl. Nissen Histor. Ztschr. XLVI 70–72. 75). Das Verhalten des Marcellus nach Niederlegung des Consulats entsprach aber sehr wenig dem Kriegseifer, den er während desselben zur Schau getragen hatte. Er verliess zwar mit Pompeius die Hauptstadt, denn er war im Februar 705 = 49 mit ihm zusammen (Cic. ad Att. VIII 12 a, 4), aber bald wurde er bedenklich. Im März schrieb Cicero (ebd. IX 1, 4): Marcelli quidem, nisi gladium Caesaris timuissent, manerent; bei den Vettern des Gaius überwog die Furcht vor Caesar, und sie folgten dem Pompeius übers Meer. Gaius dagegen blieb bis in den Mai hinein unschlüssig auf seinem Gute bei Liternum (ebd.
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X 12 a, 3. 13, 2) und entschied sich schliesslich im entgegengesetzten Sinne wie Cicero, der auch lange geschwankt hatte. Voll Unwillen erklärte dieser, ehe er Italien verliess (ebd. X 15, 2 vom 12. Mai): Unum C. Marcellum cognovi timidiorem, quem consulem fuisse paenitet. ὤ πολλῆς ἀγεννείας! qui etiam Antonium confirmasse dicitur, ut me impediret, quo ipse, credo, honestius. Die Verwandtschaft mit Caesar mochte dem Marcellus den Vorwand bieten, um seinen Parteiwechsel zu entschuldigen, aber vermochte nicht, seine Charakterschwäche zu verdecken; seine politische Rolle war daher ausgespielt. Weder Caesar noch Caesars Gegner, wie M. Marcellus, wollten etwas von dem Überläufer wissen; Gaius gab sich die grösste Mühe, diesen seinen Vetter zu versöhnen und ihm seine Ergebenheit zu beweisen (Cic ad fam. IV 7, 6. 9, 4), that einen Fussfall vor dem Dictator, um die Begnadigung des Marcus zu erbitten (ebd. IV 4, 3. Marceil. 10. 34. Schol. Gronov. p. 418 Or.), aber nachdem Caesar dem Senate, der sich dieser Bitte anschloss, nachgegeben hatte, wusste der Begnadigte dem Fürsprecher wenig Dank (Cic. ad fam. IV 11, 1). Erst nach der Ermordung Caesars trat C. Marcellus wieder etwas mehr hervor; sein Schwager Octavian stand in gutem Einvernehmen mit ihm und zog ihn zu Staatsgeschäften heran (Cic. ad Att. XV 3, 2. 12, 2; Phil. III 17. Nicol. Damasc. v. Caes. 13 [FHG III 433]), bediente sich seiner auch, um auf Cicero einzuwirken (Cic. ad Att. XVI 14, 2. 15, 6. Plut. Cic. 44, 1). Nach den Äusserungen in dessen Briefwechsel scheint Marcellus auch mit Atticus in näheren Beziehungen gestanden zu haben und ist daher wohl für den Marcellus zu halten, der Atticus veranlasste, die Geschichte seiner Familie zu schreiben (Nep. Att 18, 4). Er ist im Anfang des J. 714 = 40 gestorben; seine Witwe Octavia war noch von ihm schwanger, als sie aus politischen Motiven in diesem Jahre die zweite Ehe mit M. Antonius einging (Appian. bell. civ. V 64. Plut. Ant. 31, 1f. Dio XLVIII 31, 3). Aus der Ehe des Marcellus und der Octavia waren ein Sohn und zwei Töchter entsprossen (Plut. Ant, 87, 2; Marc. 30, 7; vgl Nr. 230. 422. 423.)