Chreokopidai (χρεωκοπίδαι) bedeutet wörtlich die ‚Schulden-Abschneider oder -Tilger‘ von χρεωκοπεῖν abstammend; ausser dem Begriffe des Gewaltsamen mischte sich leicht auch derjenige des Betrügerischen bei, wie das Verbum später fast = ‚betrügen‘ gebraucht wird, besonders significant bei Plut. de vit. aere al. 5 p. 829 c. Speciell ist Ch. als Spitzname mehrerer Freunde des Solon, namentlich des Konon, Kleinias, Hipponikos, bezeugt, von denen erzählt wurde, sie hätten ihre Kenntnis der Pläne desselben gemissbraucht, um mit geliehenem Gelde sich Landbesitz zusammenzukaufen und bei der Seisachthie (s. d.) letzteren zu behalten, während sie das geborgte Geld nicht zurückzuzahlen brauchten, so dass sie sich stark bereicherten (Plut. Sol. 15; Praec. ger. reipubl. 13 p. 807 e und ähnlich, nur ohne Namensnennung, Aristot. Ἀθ. πολ. VI 2–3). Einige ‚Verläumder‘ beschuldigten auch Solon der Teilnahme an diesem Betruge, andere aber ‚volksfreundlich Gesinnte‘ leugneten dies entschieden, indem sie (Plut. Sol. 15) angaben, Solon hätte selbst fünf, ja nach Worten des Rhodiers Polyzelos fünfzehn Talente an ausgeliehenen Geldern verloren, während Aristoteles (a. a. O.), diesen Beweis wohl zweifelhaft findend, sich zur Widerlegung auf die hochsinnige Denkart des Solon als unvereinbar mit solcher Durchstecherei berief. Die ganze Geschichte ist besonders für die griechische Historiographie bezeichnend. Schon früher und besonders nach Auffindung der Ἀθ. πολ. ist die Meinung verbreitet, die ganze Legende sei Erfindung eines oligarchisch gesinnten Schriftstellers des Endes des 5. Jhdts., hauptsächlich auf die Nachkommen jener Freunde des Solon, Konon, Alkibiades des Kleinias Sohn und Kallias des Hipponikos Sohn gemünzt, die sich als παλαιόπλουτοι (so Arist.; ἀρχαιόπλουτος Lys. XIX 49 von Kallias) aufspielten; die volksfreundlichen Schriftsteller hätten diese Lüge nicht durchschaut und nur versucht, ihren Helden Solon zu retten, seine Freunde preisgebend. Als Erfinder der Lüge wird vielfach Kritias angesehen (vgl. Dümmler
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Herm. XXVII 262f.), und es ist auch auf den etwaigen Zusammenhang des Spitznamens mit Ἑρμοκοπίδαι obgleich zweifelnd hingewiesen worden (B. Keil Solon. Verf. 46ff.). Mit Recht hat v. Wilamowitz (Aristoteles und Athen I 63) diese Zusammenstellung, insofern eine Anspielung beabsichtigt sein soll, abgewiesen, aber dabei auf die Analogie mit einer Reihe in der Komoedie gebräuchlichen Bildungen, zu denen auch Ἑρμοκοπίδαι gehört, hingewiesen. Sollte nicht darin ein Merkmal des Ursprunges liegen? Entweder könnte die ganze Geschichte einer Komoedie entstammen oder der Name war wirklich ein volkstümlicher Beiname und bezeichnete Solon und seine Freunde im guten Sinne als ‚Schuldentilger‘, was dann später böswillig verdreht wurde (wohl nicht ohne Zuthun der Komoedie), oder vom Standpunkt der hochadligen Geldleiber als gewaltsame ‚Schuldenabschneider‘, wobei der Verdacht, dass sie selbst ‚ihr Schäfchen ins Trockene gebracht‘, entstehen konnte – in diesem Falle würde nur die Auswahl der Namen für die Freunde des Solon dem Klatsch des 5. Jhdts. zuzuschreiben sein. Erinnert sei noch daran, dass gegen den Freund des Agis IV., Agesilaos, ganz dieselbe Beschuldigung später erhoben wurde (Plut. Agis 13). Litteratur: Busolt Griech. Gesch. II² 41–43 Anm.