Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Politisch: Bewerber um ein Gemeindeamt
Band III,2 (1899) S. 14651466
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Candidatus. 1) Im politischen Leben (petitor candidatus im Stadtrecht der colonia Genetiva, CIL II 5439 c. 142). Für die directe, persönliche Bewerbung um ein Gemeindeamt, die in althergebrachter Weise darin besteht, dass der Petent bei den Bürgern herumgeht (populum circumire, ambire) und jedem die Hand drückt (prensare), verlangte die Sitte das feierliche Auftreten in toga candida (ἐσθὴς λαμπρά und τήβεννα λαμπρά, Polyb. X 4, 8), und dieser Äusserlichkeit verdankt der Terminus c. seine Entstehung. Die Toga, die in älteren Zeiten überhaupt zur Tracht des Bürgers ausser dem Hause gehört hatte, und die in späteren Zeiten wenigstens für bestimmte Zeiten und Fälle obligat blieb, wurde für die Zwecke des C. durch Bestreichen mit Kreide adjustiert (Isid. orig. XIX 24, 6 toga candida eademque cretata, in qua candidati, id est magistratum petentes, ambiebant, addita creta, quo candidior insigniorque esset. Cicero orationem, quam habuit contra competitores, in toga candida scripsit). Diese cretata ambitio (Pers. sat. V 177) muss sehr alt sein; denn schon 432 v. Chr. trat ihr ein tribunicisches Gesetz entgegen: ne cui album investimentum addere petitionis liceret causa, Liv. IV 25, 13; parva nunc res et vix serio agenda videri possit, quae tunc ingenti certamine patres ac plebem accendit, fügt Livius hinzu; jedenfalls ist es, sowie so manches andere gegen den Ambitus gerichtete Gesetz wirkungslos geblieben. Polybios a. a. O. sagt für seine Zeit: τοῦτο γὰρ ἔθος ἐστὶ τοῖς τὰς ἀρχὰς μεταπορευομένοις, und für die spätere Zeit genüge der Hinweis auf die Rede Ciceros in toga candida (aus dem J. 64). Als Curiosum erwähnt Liv. XXXIX 39 (zum J. 184), dass einer von den vier Candidaten, die sich um eine erledigte Praetur bewarben, quia aedilis curulis designatus erat, sine toga candida sich [1466] bemühte. Plutarch beruft sich in den quaest. Rom. 49 auf Catos Zeugnis für den Usus, dass die C. ohne Tunica erscheinen, womit wohl irgendwie auch die gleichartige Behauptung Coriol. 14 zusammenhängen wird; den Grund dieser, übrigens gewiss nicht lange aufrecht erhaltenen Sitte hat Becker Handb. I 2, 40 ansprechend im Festhalten an der Sitte der alten Zeit (vgl. Marquardt-Mau Privatl. 550f.) gesucht, in Toga und ohne Tunica ausser Haus sich zu bewegen.

Die munera candidatoria (Cic. ad Att. I 1) sind das ambire und prensare, sowie die Anmeldung beim wahlleitenden Beamten (professio, s. d.); im übrigen vgl. Petitio, über die gesetzlichen Vorkehrungen gegen ungehörigen ambitus Hartmann o. Bd. I S. 1800ff., über den Eid, den unmittelbar vor der Publication des Wahlresultates der wahlleitende Beamte dem c. abzunehmen hat, s. Renuntiatio; endlich über die Mittel, mit denen man sich zu behelfen suchte, wenn nicht eine hinreichende Anzahl von C. sich dem Wahldirigenten zur Verfügung gestellt hatte, und die die ganze Scala durchlaufen vom provisorischen Verzicht auf ein Wahlresultat und von der Milderung der gesetzlich vorgeschriebenen Qualificationsbedingungen, von der persönlichen Aufmunterung bis zu directem Zwang durch die nominatio (s. d., sie erscheint in Municipalstatuten; das Verfahren ist in c. 51 der lex Malacitana CIL II 1964 genauer dargestellt) und durch kaiserlichen Auftrag, sowie durch allgemeine Vorschriften über die Verpflichtung der dem ordo senatorius angehörigen oder in ihn durch adlectio aufgenommenen Personen, s. Mommsen St.-R. I³ 472ff.