Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Kerzen- bzw. Lampenträger
Band III,2 (1899) S. 14611464
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Candelabrum. Ursprünglich, wie der Name besagt, ein Gerät zum Auf- und Anstecken von Kerzen, aus einer Zeit stammend, wo Öllampen weniger üblich waren. Später wurden dann durch geringe Modification derselben Form Lampenträger gestaltet, auf die der Name überging. Varro de l. l. V 119. Fest. ep. 46, 7. Plin. n. h. XXXIV 11. Martial. XIV 43. Serv. Aen. I 727. Isid. or. XX 10, 3. Das in engerem Sinne C. genannte Gerät, bestimmt, auf dem Boden zu stehen und daher von beträchtlicher Höhe (0,75–1,50 m.), ist in zahlreichen Exemplaren erhalten, die teils Kerzen- teils Lampenträger sind.

Die Kerzenträger, aus etruskischen Gräbern, sind zahlreich im etruskischen Museum des Vaticans (Museo Gregoriano) und im etruskischen Museum in Florenz; einige auch im Museum zu Neapel. Den Fuss bilden meist drei Tierfüsse, getrennt durch schräg abwärts gerichtete Palmetten. Auf ihm erhebt sich der schlanke Schaft, rund oder gekantet, glatt oder cannelliert, manchmal auch mit Pflanzenmotiven, häufig verziert durch einen an ihm hinaufkletternden Vogel, bekrönt durch eine kleine Figur. Unterhalb dieser Figur zweigen sich seitwärts vier kurze Arme ab, in die Höhe geschwungen, aber auslaufend in je eine horizontale, manchmal als Blume oder als [1462] Vogelschnabel gebildete Spitze zum Anstecken der Kerzen, wie dies ein Grabgemälde von Orvieto zeigt (s. Candela). Gleich unterhalb dieser Arme ist häufig horizontal eine runde Scheibe mit nach unten gebogenem Rande angebracht, um die unter ihr den C. aufassende und tragende Hand gegen herabträufelndes Wachs oder Talg zu schützen. Seltener sind C. mit verticaler Spitze in einer kelchartigen Hülse zum Aufstecken der Kerze. Ein solcher aus späterer Zeit ist abgebildet bei Quaranta Di un candelabro di bronzo trovato nelle vicinanze dell’ antica Nuceria Alfaterna (in Mem. d. Acc. Ercolanese IV 2, 283; die Abbildung bei Daremberg-Saglio I 871 fig. 1080); vgl. auch das Vasenbild Millingen Peint. de vases 36.

C. als Lampenträger werden namentlich in Pompeii und Herculaneum gefunden und sind zahlreich im Museum zu Neapel. Die gewöhnlichste Form ist durch geringe Veränderung aus dem eben beschriebenen Typus entwickelt. Die seitlichen Arme und die bekrönende Figur werden weggelassen und ersetzt durch einen kelch- oder pilasterartigen oberen Abschluss des Schaftes mit runder, tellerartiger Oberfläche, auf welche die Lampe gestellt wird. Auch die die Hand schützende Platte fällt weg; sie war unnötig, da nicht nur ein Abtröpfeln von der Lampe kaum stattfand, sondern auch in der Regel nicht der C. sondern die auf ihm stehende, mit einem Griff versehene Lampe umhergetragen wurde. Gegenüber der grösseren Belastung oben durch die manchmal ziemlich schwere Bronzelampe wurde es wünschenswert, der Stabilität halber, auch dem Fusse ein grösseres Gewicht zu geben. Dies geschah durch eine über die drei Füsse gelegte runde, meist reich ornamentierte Platte; künstlerisch betrachtet ein Rückschritt gegenüber der freien Entwicklung des Schaftes aus den Füssen. Doch ist diese Platte keineswegs bei allen Lampen-C. vorhanden. Bisweilen ist bei C. dieser Art der obere Teil mit einem langen Stabe in den unteren wie in eine Scheide eingeschoben und kann nach Bedarf höher oder niedriger durch einen Stift befestigt werden. So auch der erwähnte Kerzenträger von Nuceria; Lampenträger mit solcher Vorrichtung Antich. di Ercolano VIII 70. 71. Overbeck Pompeii⁴ 437 c. Einzeln kommt es auch vor, dass der Lampenteller an einer Hülse am Schaft auf und ab geschoben werden kann. Mus. Borb. XVI Titelbild. Daremberg-Saglio I 874 fig. 1075.

Die erhaltenen C. dieser Art sind durchweg aus Bronze. Berühmt waren, nach Plin. n. h. XXXIV 11. 12, die Bronze-C. von Aegina und Tarent. Und zwar gab es in Tarent Fabriken, welche nur die Schäfte, in Aegina solche, die nur die oberen Teile (superficiem: vielleicht auch die oben erwähnte, über den Füssen liegende Scheibe) lieferten. Berühmt waren ferner die sog. korinthischen C. (Martial. XIV 43), die griechischen Ursprunges, aber nicht aus Korinth waren, Plin. a. O. Eiserne C., ganz einfach und formlos, werden bisweilen in Pompeii gefunden. Zwei silberne aus einem Grabe bei Athen Bull. d. Inst. 1838, 8; vgl. Dig. XXXIV 2, 19, 8. Ein C. aus Edelsteinen, d. h. doch wohl mit solchen reich verziert, Cic. Verr. IV 64ff. Hölzerne C. werden erwähnt Caecil. [1463] bei Non. 202, 15. Petron. 95. Athen. XV 700e; vier C. aus Holz mit Knochenverzierungen in einem Grabe bei Assisi, Not. d. sc. 1878, 128. Besondere Prachtstücke sind die mehrfach erhaltenen grossen, reich ornamentierten Marmor-C. Sie standen wohl vorwiegend in Tempeln. Die beiden der Galleria delle statue des Vaticans (Helbig Führer I nr. 210. 211) stammen aus der Tiburtiner Villa Hadrians. Abbildungen Visconti Mus. Pio-Cl. IV 1–8. V 1–4. VII 37–40. Mus. Borb. I 54. Piranesi Vasi Candelabri etc. 102. 103.

Zum Aufstellen der metallenen C. hatte man dreiseitige, ornamentierte und auch mit Relieffiguren verzierte Marmorbasen, ähnlich dem untersten Gliede der eben erwähnten grossen Marmor-C., welche also C. und Basis zusammen repraesentieren. S. über diese Basen Benndorf-Schöne Lateran nr. 460.

Wir pflegen unter C. nur die bisher besprochenen hohen, auf dem Boden stehenden Kerzen- und Lampenträger zu verstehen. Ob das lateinische Wort auch auf kleinere, auf dem Tische stehende Beleuchtungsgeräte angewandt wurde, ist zweifelhaft. Cicero ad Qu. fr. III 7, 2 nennt ein solches lychnuchum ligneolum. Sicher ist, dass λυχνοῦχος (so auch lychnuchus Plin. n. h. XXXIV 14) jede Art von Lampenträger bezeichnet.

Solche kleinere Geräte, die wir Leuchter nennen können, finden sich, aus Bronze, teils in etruskischen Gräbern, teils in Pompeii und Herculaneum. Die etruskischen (hoch etwa 0, 50 m.) sind zum Teil deutlich Lampenträger mit einer Art Teller zum Aufstellen der Lampe, zum Teil Kerzenträger mit einem Schälchen, in dessen Mitte ein Dorn zum Aufstecken der Kerze aufragt. Bei einer dritten, zahlreichen Klasse ist die Benutzungsweise nicht ganz klar; ihr oberer Abschluss ist eine viereckige Platte, die eine beckenartige Vertiefung enthält. Man zweifelt, ob diese direct mit Öl gefüllt als Lampe, oder etwa zum Verbrennen von Weihrauch, oder zum Einstecken einer (dann sehr starken) Kerze diente. Dagegen sind die pompeianischen Leuchter (hoch etwa 0, 30) durchaus Lampenträger und von den C. wesentlich nur durch die kleineren Dimensionen verschieden. Ein besonders reich gestaltetes Beispiel Overbeck Pompeii⁴ 436 fig. 223 a; meist sind sie viel einfacher. Doch finden sich in Pompeii und Herculaneum auch naturalistisch als Baum oder in stilisierten Pflanzenmotiven gebildete und mit Figuren versehene Leuchter, die sich oben in mehrere Arme teilen, deren jeder einen Lampenteller trägt. Overbeck a. O. 223 b. d.

Aus viel älterer Zeit stammt ein thönerner Leuchter (Lampenträger) des Museums zu Neapel. Nach seiner Malerei zu urteilen (Patroni Vasi arcaici del Museo di Napoli, in Mon. d. Lincei VI 352ff.), gehört er dem 4. Jhdt. v. Chr. an und stammt aus Messapien. Thönerne Handleuchter für Kerzen, aus Gallien, bei Daremberg-Saglio I 870: runde Schalen mit ringförmigem Griff und in der Mitte entweder einer Hülse oder einem Stachel zur Aufnahme der Kerze; vgl. auch Grivaud de la Vincelle Arts et métiers 127. Ein prachtvoller niedriger bronzener Kerzenträger für eine circa 6 cm. dicke Kerze bei Mazois Pompéi [1464] II 100, danach bei Daremberg-Saglio I 871 fig. 1078.

Häufig findet man in Pompeii und Herculaneum kleine, etwa 15 cm. hohe Untersätze für je eine Lampe, meist als Dreifüsse gestaltet. Man pflegt sie nicht als C. zu bezeichnen. Abbildungen Overbeck Pompeii⁴ 435.

Geräte nicht zum Daraufstellen sondern zum Anhängen der Lampen werden ebenfalls in verschiedenen Formen in Pompeii und Herculaneum gefunden. Zwei Beispiele bei Overbeck a. O. c. e charakterisieren die beiden Klassen, in die sich die Lampenträger dieser Art einteilen lassen; sie sind entweder als Baum gebildet, an dessen Zweigen die Lampen hängen (vgl. Plin. n. h. XXXIV 14), oder architektonisch als Pfeiler, von dem Arm ausgehen. Dieser letzten Klasse gehört auch ein etruskischer Lampenträger an, Chabouillet Collect. Fould XV. Der jüngere Dionys stiftete nach Tarent einen λυχνοῦχος, an dem so viel Lampen, als das Jahr Tage hat, angebracht werden konnten, Athen. XV 700 d.

Bestimmt unterschieden von den C. sind die von der Decke hängenden Lampenträger, lychnuchi pensiles Plin. n. h. XXXIV 14: hier von Bronze. Ein marmorner Visconti Mus. Pio-Cl. V A IV 5. Bei Verg. Aen. I 728. Ovid. met. XII 247 werden sie funale genannt, welches Wort (als fanal, fanale in die romanischen Sprachen übergegangen) nach Varro bei Serv. a. O., Isid. or. XX 10, 5. Donat. Ter. Andr. 115 die zum Anstecken der Kerzen dienenden Spitzen des C., dann auch den C. selbst bezeichnete. Dagegen ist funalis, funalis cereus bei Cic. de sen. 44. Val. Max. III 6, 4 die dem nach Hause gehenden Duilius vorgetragene Fackel, die aber auch bei Sil. VI 667 im Plural funalia genannt wird. Antichità di Ercolano VIII 58ff. Mus. Greg. I 48–55. Becker-Göll Gallus II 389. Marquardt Privatl.² 710. Daremberg-Saglio Dict. d. ant. I 869. Friederichs Kl. Kunst I 69. Overbeck Pompeii⁴ 430. Reisch bei Helbig Führer II 305.

[Mau. ]