Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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die Bearbeitung von Fugenflächen mit Saumstreifen (Saumschlag)
Band S III (1918) S. 9698
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Anathyrosis. Damit wird in der griechischen Baukunst jetzt allgemein im Anschluß an E. Fabricius’ grundlegende Arbeit De architectura graeca commentationes epigraphicae, Berlin 1881 über die Bauinschrift von Lebadea (Livadia) IG I 3073ff. die Bearbeitung der Fugenflächen mit Saumstreifen (Saumschlag) verstanden; vgl. besonders Koldewey-Puchstein Griechische Tempel in Sizilien und Unteritalien 224.

Während in der ägyptischen Baukunst des neuen Reichs bei Quadermauern Stein an Stein mit glatter Stoßfläche, die oft sogar außerordentlich sorgfältig geebnet ist, aneinandergefügt wird, z. B. am Hohen Tor in Medinet Habu, U. Hoelscher 17. Veröffentl. d. Orient. Ges. 36, hat sich in Griechenland schon in hocharchaischer Zeit der Steinmetzgebrauch entwickelt, die Fugenflächen zu vertiefen, und nur die Kanten in Berührung zu bringen. Das Anpassen der Quadern wurde dadurch erleichtert, wenn nur eine geringe Berührungsfläche in Betracht kam; man gelangte rasch bis zum feinsten Fugenschluß, und sparte Arbeit dabei. Bei den älteren Quaderbauten berühren sich die Steine nur mit den äußersten Kanten, ‚gewissermaßen mit den Lippen‘, Puchstein-Koldewey a. O. 224. Die Fugenfläche zwischen den Rändern ist tief rundlich ausgehöhlt. Diese Art der Fugenbildung hat den Nachteil, daß bei Beschädigungen nahe der Stoßfläche eine klaffende Fuge sichtbar wird; Neandria, Koldewey 51. Winckm. progr. 24 (7. Jhdt.). Bouleuterion Olympia, a. O. 218 (7. Jhdt). Tempel C in Selinus, Puchstein-Koldewey [97] a. O. 105. Heraion in Olympia am Stylobat. Baudenkmäler von Olympia Textb. II 35 (Dörpfeld).

Im 6. Jhdt. wurde der Saumschlag allmählich als selbständiger ebener Flächenstreifen ausgebildet; die übrige Fugenfläche dahinter nur wenig vertieft. Dieser glatte Streifen wird meist scharf gegen die rauhere Innenfläche abgesetzt, und ist zunächst wohl meist schmal — so in Locri am alten Tempel, Koldewey-Puchstein a. O. 2; am alten Burgtempel auf der Akropolis, Theodor Wiegand Porosarchitektur 1 A Abb. 16 b (1. Hälfte 6. Jhdt.), am älteren Aphaiatempel auf Aigina, Aeg. I 121ff. Die folgende Zeit zeigt zunehmende Breite des Saumstreifens, z. B. Tempel G in Selinunt, Koldewey-Puchstein a. O. 121; Heratempel E ebd. 130; Tempel A ebd. 115; alle aus der Zeit des kanonischen Archaismus, etwa von 530 bis gegen 480. Ähnlich an der dorischen Halle des amykläischen Apollonthrones, am Aphaiatempel in Aigina usw. Die breite Randbildung hängt wohl hauptsächlich mit dem Steinmaterial zusammen; schmale nach innen tief abgesetzte Kanten waren leicht gefährdet. Dagegen ist bei den Marmorbauten des 5. Jhdts. der A.-Streifen schmal und fein, stark abgesetzt von der rauhen Innenfläche; so vor allem am Parthenon: Collignon-Boissonas Le Parthénon pl. 45 und pl. 68; am Erechtheion und an den Propyläen ist die Breite etwas größer. Im 4.—3. Jhdt. scheint die Breite je nach Belieben, örtlicher Tradition und Steinmaterial zu wechseln; bald ist die A. schmal, bald breit gezeichnet. Priene am Athenatempel z. B. breit, Wiegand-Schrader Priene Ergebnisse 103; ebenso in Messa, Koldewey Lesbos Taf. 22. Schmal dagegen in Magnesia, Humann-Kohte-Watzinger Magnesia Ergebnisse 36. In der Inschrift von Lebadea wird die Breite auf mindestens 9 Daktyloi festgesetzt Z. 119. In späterer Zeit läßt die Sorgfalt in der Fugenbildung nach. Die römischen Bauten der republikanischen Periode zeigen unregelmäßige seichte A., Delbrück Hell. Bauten II 46.

Die Randkante befindet sich bei einstirnigen Wandquadern an der Seite und oben; bei doppelstirnigen an beiden Seiten und oben. Fußbodenblöcke haben nur den obern Rand. A. kommt aber auch an Lagerflächen vor. Hier wird sie immer eine größere Breite haben, weil sie bei der Belastung in Anspruch genommen wird, z. B. Rathaus in Milet: Milet Ergebn. Heft II (Knackfuß) Fig. 15 und 42. Besonders bei Säulen wurde die größte Sorgfalt auf dichten Fugenschluß der Trommeln verwendet. Die Lagerflächen wurden ringsum mit breitem, feingeschliffenem Rand versehen. Am Parthenon folgt nach innen eine weniger fein geschliffene Standfläche von etwa der Breite des halben Radius; nur das innerste Viertel um das Lager der Empolien ist rauh vertieft. Über den Verband der Säulentrommeln Koldewey-Puchstein a. O. 225f. Eine Drehung der Trommeln zum Verschleifen der Fugenfläche unter Beigabe von Sand, Durm Baukunst der Griechen² 151f., ist unwahrscheinlich; die Annahme begegnet großen technischen Schwierigkeiten und wird auch durch Fundbeobachtungen nicht unterstützt. Drehung einer Trommel auf der darunterliegenden kann höchstens in ganz geringem Maß zum genauen [98] Einstellen vorgekommen sein. Weder am Parthenon, Michaelis Parthen. 114f. Collignon-Boissonas a. O. pl. 12, noch an den Trommeln des Athenatempels von Priene, Wiegand-Schrader a. O. 117, sieht man Spuren von einer Drehung nach dem Versetzen. Die Lager waren vorher völlig fertig gerichtet.

Die Herrichtung der Fugenflächen geschah wohl meistens vor dem Versetzen, das beweisen die vielfachen Steinmetzzeichen auf den Fugenflächen, z. B. in Amyklai; vgl. auch Schöne im Herm. IV (1870) 39ff. zu den Baurechnungen des Erechtheions. Auch nach der Inschrift von Lebadea Z. 121ff. wurden die Fugenflächen vor dem Versetzen, zum Teil aber auch an den schon versetzten Quadern vorschriftsmäßig bearbeitet, καὶ ἀναθυρώ/σει τοὺς ἁρμοὺς πάντας κτλ. Zuletzt wurden in Lebadea die Fugenflächen mit Natron übergangen und dann mit reinem Wasser abgewaschen, Z. 168ff. In Lesbos hatte Koldewey a. O. 54 an den Stoßflächen einen Überzug von Mennig beobachtet; er hielt diesen aber eher für den Rest eines Kittes aus Mennig und Öl zur Dichtung der Fugen, als eine Rötelung zum Zwecke gleichmäßigen Abarbeitens der Flächen, von welcher in der Bauinschrift von Lebadea Z. 154 die Rede ist; vgl. dazu A. Choisy Études épigraphiques sur l’architecture grecque, Paris 1884, 204 ,les dressage au rouge‘. Im Westen haben Koldewey-Puchstein solches Röteln nicht beobachtet. Über die Schwierigkeit genauen Fugenschlusses Penrose Principle of Athenian Architecture 23, 6; ferner Lethaby Greek buildings 75 und Bull. hell. XX (1896) 318. Bei dem so vollkommenen Fugenschluß war ein chemisches Bindemittel in der Regel ausgeschlossen.

Nachträge und Berichtigungen

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Band R (1980) S. 26
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