Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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hellenische Stadt in der epeirotischen Landschaft Thesprotis
Band I,2 (1894) S. 1805 (IA)–1807 (IA)
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Ambrakia. 1) Ἀμβρακία (ursprünglich Ἀμπρακία, woraus infolge der noch im neugriechischen erhaltenen weichen Aussprache des π nach μ die gewöhnliche Schreibweise Ἀμβρακία entstanden ist, s. Steph. Byz. Eustath. Dionys. Per. 492; vgl. Bursian Geogr. v. Griechenl. I 35), hellenische Stadt im südlichsten Teile der epeirotischen Landschaft Thesprotis (daher der eponyme Heros Ambrax zu einem Sohne des Thesprotos gemacht wird, s. Steph. und Eustath. a. O.), am Flusse Arachthos (s. d.), 80 Stadien oberhalb der Mündung desselben (Skyl. 33), also an der Stelle des jetzigen Arta, gelegen und noch zu Schiff erreichbar (Polyb. XXI 26, 4. Liv. XXXVIII 3, 11). Die Akropolis nahm den Gipfel des Hügels Perranthes, eines südwestlichen Vorsprungs des Kraneiagebirges, ein, die Stadt selbst, die über eine Stunde im Umfang hatte und deren Mauern man zum Teil noch verfolgen kann, lag am nördlichen Abhange des Hügels, nördlich und westlich vom Flusse umklammert (Liv. XXXVIII 4). Sie war von den Korinthern unter Führung des Gorgos, Sohnes des Kypselos, gegründet worden, die, sowie sie sich im nordwestlichsten Teile Akarnaniens an verschiedenen Punkten festsetzten (Strab. X 452), auch die nur durch den ambrakischen Meerbusen davon getrennte Südküste von [1806] Epeiros in ihre Gewalt zu bekommen suchten und daher nach Unterwerfung der älteren Bewohner der Gegend, der Dryoper (vgl. Dionys. Kall. descr. Gr. 30. Anton. Lib. 4), an jenem die Mündungsebene des Arachthos beherrschenden Platze eine Stadt anlegten, die von der Südseite her noch durch Castelle, wie Ambrakos, Charadra, geschützt war und auch einen stark befestigten und sicheren Hafen besass, Skyl. 33. Dionys. Kalliph. 29. Lucan. V 651. A. stand anfangs unter Tyrannen aus der Familie der Kypseliden, aber nach Vertreibung des letzten derselben, des Periandros, wurde eine demokratische Verfassung eingerichtet (Aristot. pol. V 4). Die Macht, zu der sie bald gelangte, erregte den Neid ihrer südlichen Nachbarn, der Akarnanen, die ihr im peloponnesischen Kriege (Ol. 88, 3 = 426), wo sie auf Seiten der Peloponnesier stand, bei Olpai in der Amphilochis im Verein mit den Athenern eine schwere Niederlage beibrachten (Thuk. III 108). Später schloss die Stadt ein Bündnis mit Athen, da sie durch Philipp von Makedonien bedroht wurde (A. Schäfer Demosthenes II 398ff.), geriet aber doch noch in Philipps Gewalt, der eine makedonische Besatzung hineinlegte, die jedoch kurz nach dem Regierungsantritte Alexanders von den Ambrakioten verjagt wurde (Diod. XVII 3). Indessen scheint die Stadt sich der wieder errungenen Selbständigkeit nicht lange erfreut zu haben, sondern bald wieder in den Besitz der Makedoner gekommen zu sein, denn wir hören, dass Alexandros, der Sohn des Kassandros, sie an den Molotterkönig Pyrrhos, als Lohn für die Hülfe, die ihm dieser gegen seinen Bruder Antipatros geleistet hatte, abtrat (Plut. Pyrrh. 6). Dies war der Beginn einer neuen Zeit des Glanzes für A., das von Pyrrhos zu seiner Residenz gemacht und mit einem Königspalaste (τὸ Πυρρεῖον) auf der Westseite der Stadt, sowie mit zahlreichen Kunstwerken geschmückt wurde (Polyb. XXII 10. 13. Liv. XXXVIII 5. 9. Strab. VII 325). Sonst werden uns von öffentlichen Gebäuden – die wenigstens zum grössten Teile wohl schon vor Pyrrhos vorhanden waren – genannt Tempel des Asklepios am östlichen Stadtende; der Athene, der Artemis Hegemone, der Aphrodite, ein Heroon des Aineias und zwei Theater (Pol. XXII 10. Dion. Kall. 29. Polyaen. VIII 52. Dionys. Hal. I 50). Diesem Glanze wurde ein Ende gemacht durch die Eroberung der Stadt durch M. Fulvius Nobilior im J. 189 v. Chr., wobei die Kunstwerke geraubt und nach Rom geschleppt wurden (Polyb. und Liv. a. O.; vgl. Plin. n. h. XXXV 66). A. vom aitolischen Bunde losgetrennt, wurde zwar für frei erklärt (Liv. XXXVIII 44), erhielt aber im Kriege gegen Perseus eine römische Besatzung (Liv. XLII 67, 9f.) und hat auch durch die Statthalter, zumal den Proconsul L. Calpurnius Piso, gelitten (Cic. Pis. 91. 96); noch mehr kam die Stadt in Verfall durch die Gründung von Nikopolis, zu welcher sie ein bedeutendes Contingent von Einwohnern stellen musste (Paus. V 23, 3. Anth. Pal. IX 553). Dem Gebiet von A. in der Zeit seiner Selbständigkeit giebt Skylax 33 an der Küste eine Länge von 120 Stadien; im Westen mag der jetzige Luro die Grenze gebildet leben; zu demselben gehörten, ausser den schon erwähnten Castellen, noch Dexamenai, Koroneia [1807] und Kraneia. Dies Gebiet ist es wohl, das im J. 426 3000 Hopliten aufbringen konnte (Thukyd. III 105), wonach man die gesamte Bevölkerung auf 25 000 berechnet hat. Inschriften CIG 1797–1800. Le Bas II 1057–1072; vgl. Blass bei Collitz Dialectinschr. III 2, 82. Münzen Head 270. Über die Reste und das heutige Arta Leake N.-Gr. I 205ff. Bursian Geogr. I 35. A. Gilliéron Grèce et Turquie, Paris 1877, 73ff. P. Bikelas De Nicopolis à Olympie, Paris 1885, 49ff. Historisch topographisch: E. Oberhummer Akarnanien, Ambrakia, Amphilochien, Leukas im Altertum, München 1887. Eine Planskizze Leake a. O. 206; vgl. Oberhummer 287. Das Gebiet am übersichtlichsten auf der Karte bei Oberhummer.