Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
fertig  
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Sohn des Hippotes, des Urenkels des Herakles, korinthischer Landesheros
Band I,1 (1893) S. 1369 (IA)–1371 (IA)
Aletes (Sohn des Hippotes) in der Wikipedia
Aletes in Wikidata
Bildergalerie im Original
Register I,1 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|I,1|1369|1371|Aletes 5|[[REAutor]]|RE:Aletes 5}}        

5) Sohn des Hippotes, des Urenkels des Herakles, korinthischer Landesheros. Er wurde in einer Zeit geboren, als sein Vater wegen eines von ihm begangenen Mordes ein unstetes Leben führte und erhielt infolgedessen den Namen ‚Schweifer.‘ Apollod. II 8, 3. Paus. II 4, 3. Schol. Pind. Ol. XIII 17. Etym. M. Die Ahnenreihe von Herakles bis zu ihm lautet: Herakles, Antiochos, Phylas, Hippotes, Aletes. A. vertrieb die Sisyphiden und die in Korinth ansässigen Ionier aus der Stadt und besiedelte diese von neuem. Ephoros bei Strab. VIII 389. Conon 26. Paus. II 4, 4. Vell. Paterc. I 3. v. Wilamowitz Eurip. Herakles I 268. Nach Schol. Pind. Ol. XIII 17 geschah dieses 30 Jahre nach dem ersten Zuge der Dorier in den Peloponnes. Dagegen lässt Velleius Paterculus (I 13) die Einnahme Korinths durch A. 952 Jahre vor der Zerstörung Korinths durch Mummius stattfinden (vgl. Conon 26). Pausanias (II 4, 3) erzählt, dass der Einfall der Dorier zur Zeit der Regierung der Sisyphiden Doridas und Hyanthidas stattgefunden hätte. Diese hätten die Herrschaft dem A., dem Anführer der Dorier, abgetreten und hätten zum Lohne dafür im Lande bleiben dürfen, während das Volk nach dem Siege der Dorier vertrieben worden sei (τῶν δὲ Κορινθίων ὁ δῆμος ἐξέπεσεν ὑπὸ Δωριέων κρατηθεὶς μάχῃ). Doridas und Hyanthidas sind die letzten Sprossen aus dem Stamm des Sisyphos; ihre Namen scheinen ethnologische [1370] Personificationen der Dorier und Hyanten zu sein und den Übergang zu einer neuen Aera in der korinthischen Geschichte zu bezeichnen. Pausanias erzählt weiter, dass Melas, der Sohn des Antasos, aus Gonussa bei Sikyon, mit den Doriern gegen Korinth gezogen sei und dass ihn A. infolge eines Orakelspruches zu den übrigen Hellenen fortgeschickt, später aber als Genossen anerkannt hätte (II 4, 4. V 18, 7. 8). Ein Nachkomme dieses Melas war Kypselos, dessen Geschlecht aus Gonussa bei Sikyon stammte. Nach dem Schol. Pind. Nem. VII 155 (Demon) fiel Korinth durch den Landesverrat der Töchter des Kreon dem A. in die Hände. Das dodonaeische Zeusorakel hatte dem A. die Eroberung der Stadt verheissen, wenn ihm jemand eine Erdscholle überreichen würde. Das erfüllte sich, indem A. einen korinthischen Landmann um Brot bittend einen Erdenkloss erhielt. Am Totenfeste, als die Bewohner der Stadt an den Gräbern der Toten opferten, trat A. mit den Töchtern des Kreon in Unterhandlung und gab der jüngsten derselben das Eheversprechen, wenn ihm die Einnahme der Stadt gelingen würde. Die bethörte Jungfrau öffnete ihm darauf ein Thor der Stadt. A. soll diese nach der Einnahme Διὸς Κόρινθος benannt haben, zum Dank für das Orakel des Zeus. Andere Versionen über die Verabfolgung der Erdscholle (βῶλος) und den Namen Διὸς Κόρινθος bei Apost. VI 17. Diogen. IV 27. Hesych. s. Ἀλήτης. Vgl. O. Müller Dorier I 86ff. F. Cauer Parteien und Politiker in Megara und Athen (Stuttg. 1890) 40. Wir haben hier, wie bereits O. Müller richtig erkannt hat, scheinbar historische Deutungen alter unverstandener Festgebräuche und sacraler Formeln. Überhaupt ist die Gründungsgeschichte Korinths sehr dunkel und arm an historisch feststellbaren Thatsachen. Die Einnahme der festen Plätze durch die Dorier scheint von der See aus geschehen zu sein. Thuk. IV 42. Vgl. auch die an den Namen des Hippotes, des Vaters des A., geknüpften Traditionen. Die Eroberung Korinths isoliert sich in der Tradition deutlich von den übrigen Eroberungen der Dorier im Peloponnes. Nach Diodor (VII fr. 7) hätten die Herakleiden bei der Teilung des Peloponnes Korinth ausgesondert (ἐξαίρετον ποιησάμενοι τὴν Κορινθίαν καὶ τὴν ταύτης πλησιόχωρον) und nach A. gesandt, um ihm das Gebiet zu übergeben. Vgl. E. Curtius Peloponn. II 539ff. Busolt Griech. Gesch. I 63. v. Wilamowitz Herakles I 268. Sehr hypothesenreich: F. Cauer Parteien und Politiker in Megara und Athen 43ff. und J. Beloch Rhein. Mus. XLV 1890, 569, dazu V. v. Schoeffer Berl. Philol. Wochenschrift 1890, 1371. Nach Diodor (VII fr. 7) regierte A. über Korinth 38 Jahre, nach anderen soll er 35 Jahre geherrscht haben. Vgl. Boeckh Explic. Pind. Ol. XIII 17 (S. 213). Clinton F. H. I 130. A. soll Korinth einem Orakelspruch zufolge in 8 Bezirke eingeteilt und 8 Phylen eingerichtet haben. Suid. s. πάντα ὀκτώ. Apostol. XIII 93. Hesych. s. Κυνόφαλοι. G. Gilbert Griech. Staatsaltert. II 88. Die Sage schreibt dem A. den grossen Eroberungszug gegen Attika zu, das durch den Opfertod des Kodros gerettet wurde (Conon 26). Bei dieser Gelegenheit soll Megara dorisiert worden sein. [1371] Herod. V 76. Paus. I 39, 4. Schol. Pind. Nem. VII 135. Skymn. 504. v. Wilamowitz Kydathen 99. Busolt Griech. Gesch. I 72. Toepffer Att. Geneal. 232. A. ist der Nationalheros des dorischen Korinth, dessen Bewohner von den Dichtern nach ihm Ἀλητίδαι (Schol. Pind. Isthm. II 19) oder παῖδες Ἀλάτα (Pind. Ol. XIII 17) genannt werden. Sein Name ist ein mythischer Ausdruck für die Wanderungen seines Stammes. Die Deutungen moderner Mythologen, nach denen er entweder die ‚Personification der Handelsthätigkeit der Korinther‘ oder eine ‚seit der Zeit phoenikischer Herrschaft am Isthmos heimische astronomische Gestalt‘ (Wilisch in Roschers Lexikon d. Myth. I 229) sein soll, entfernen sich stark von der Wirklichkeit und dem Wesen der griechischen Mythologie.