Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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ergebener Anhänger des Sokrates, bei Verurteilung und Tod zugegen
Band I,1 (1893) S. 1048 (IA)–1050 (IA)
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14) Sohn des Lysanias aus dem attischen Demos Sphettos (Plat. Apol. 33 e; nach anderen des Wurstmachers Charinos, Diog. Laert. II 60, was gegen Platons Zeugnis nicht in Betracht kommt), einer der ergebensten Anhänger des Sokrates (Diog. L. II 34. Sen. de benef. I 8), wird von Platon unter denen aufgeführt, die bei seiner Verurteilung (l. c.) wie bei seinem Tode (Phaid. 59 b) zugegen waren. Die Angabe (des Idomeneus, über den weiter unten) über seinen Anteil an dem Versuche, Sokrates aus dem Kerker zu befreien (Diog. II 60. III 36, vgl. auch II 35 mit Plat. Kriton 44 b), ist wohl (mit Zeller Phil. d. Gr. II a⁴ 200, 2) darauf zu reducieren, dass unter den Mitbeteiligten, die Platon offenbar nur, um sie keiner Gefahr auszusetzen, ungenannt lässt, auch er war. Von Haus aus arm (Sen. l. c. Diog. II 34. 62), scheint er nach Sokrates Tod in schlimme Bedrängnis gekommen zu sein, fand aber, durch Aristippos (Diog. II 61. III 36, vgl. II 82. Plut. de cohib. ir. 14) oder Platon (Plut. adul. et am. 26) empfohlen, zu Syrakus am Hofe des Dionysios Aufnahme (Philostr. V. Apollon. I 35; an den älteren Dionys denkt offenbar Lucian. de paras. 82, vgl. Schol. zu Necyom. 13, eher an den jüngeren Plutarch an der zuletzt genannten Stelle; Diod. XV 76 erwähnt ihn als lebend Ol. 103, 3 = 366 v. Chr.; 368 fällt der Regierungsantritt des jüngeren Dionys, in den Anfang seiner Herrschaft Platons zweiter Besuch in Syrakus). Erst nach der Vertreibung Dionysios II. (356) soll A. nach Athen zurückgekehrt sein (Diog. II 63). Da er nicht unternehmen konnte, gleich den übrigen hervorragenden Sokratikern eine eigene Schule zu gründen (ebenda 62; gleichwohl wird kein Geringerer als Xenokrates sein Schüler genannt, den aber Platon ihm abspenstig gemacht habe, Athen. XI 507 c), soll er Vorlesungen gegen Eintrittsgeld gehalten haben, auch als Verfasser von Gerichtsreden (im Stil des Gorgias) und Lehrer der Beredsamkeit aufgetreten sein (Diog. 62. 63, vgl. 20 nach Idomeneus, der es aber auch fertig bringt, Sokrates selbst zum Lehrer der Beredsamkeit zu machen). Eine Verteidigung des Vaters des Strategen Phaiax (Erasistratos) und eine Schrift über Dion (den Syrakusaner?) führt Diogenes (II 63) als Beweis seiner rhetorischen Befähigung an. Auch wird von ihm ein Schüler (in der Redekunst?) Aristoteles mit dem Beinamen ὁ Μῦθος genannt (ebenda und V 35; über A. als Rhetor vgl. Sauppe Or. Att. II 169. Blass Att. Bereds. II 316). Von einer Anklagerede des Lysias πρὸς Αἰσχίνην τὸν Σωκρατικὸν χρέως ist uns der Inhalt auszugsweise bei Athen. XIII 611 d f. erhalten (Sauppe l. c. 170. Blass Att Bereds. I² 630; doch wohl dieselbe ist es, die Diog. II 63 u. d. Τ. περὶ συκοφαντίας erwähnt, s. den Anfang des Fragmentes bei Athenaeus). Ist an den Anklagen nur ein wahres Wort, so muss A. in einer Zeit seines Lebens sehr heruntergekommen sein. Die Echtheit der Rede bestritt Welcker Rh. Mus. II 391 = Kl. Schr. I 412; gegen ihn Sauppe und Blass. Die Anklage ist offenbar vor dem sicilischen Aufenthalt zu denken, schon weil Lysias nach 356 schwerlich mehr lebte, jedenfalls im höchsten Greisenalter gestanden haben müsste. Auch soll ja A. δι’ ἀπορίαν nach Sicilien [1049] gekommen sein (Diog. II 61). Über seinen Tod ist nichts bekannt. Welches immer seine Schicksale waren, unbestritten bleibt sein Ruhm als eines der angesehensten Sokratiker (Diog. II 47), namentlich aber als Verfassers sokratischer Gespräche, die wegen der mustergültigen Schreibart (Zeugnisse bei Welcker a. a. O. 422. K. F. Hermann De Aesch. Socratici reliquiis 1850, 5; wichtig bes. Phrynichos bei Phot. bibl. c 158) wie wegen der treuen Darstellung der Person und Redeweise des Sokrates (Diog. II 61 τὸ Σωκρατικὸν ἦθος ἀπομεμαγμένοι, ähnlich Demetr. π. ἑρμ. 297. Cic. Brut. 292. Max. Tyr. diss. 24, 5) einstimmig gepriesen werden. Selbst die Fabel, die Idomeneus (Athen. XIII 611 e) wohl einem blossen Witzwort des Eretriers Menedemos (Diog. II 60) nachspricht (die Anekdote von Aristippos, ebenda 62, ist jedenfalls erst danach erfunden), dass seine Dialoge grösserenteils von Sokrates selbst verfasst und durch Xanthippe in seine Hände gekommen seien, rühmt ihn wider Willen (vgl. Aristid. II 24 Dind. Phot. bibl. c. 158). Und wenn A. freilich nicht den Anspruch eines selbständigen Philosophen erheben kann, so ist er doch selbst in seinen dürftigen Resten nicht ohne Bedeutung für die Beurteilung der echten Sokratik. Man besass von Dialogen des A. sieben allgemein anerkannte: Μιλτιάδης, Καλλίας, Ἀξίοχος, Ἀσπασία, Ἀλκιβιάδης, Τηλαύγης, Ῥίνων (Phrynichos bei Phot. l. c., der jedenfalls das Urteil der Atticisten ausspricht. Suid. Diog. II 61). Sicher nur diese sind es, deren Echtheit auch Panaitios nicht bestritt, Diog. 64; und ob das Urteil des Persaios, nach Diog. 61, dass auch von diesen die Mehrzahl vielmehr von Pasiphon dem A. untergeschoben seien, sich wirklich auf jene sieben und nicht vielmehr auf die gleich zu nennenden ἀκέφαλοι bezog, ist wenigstens streitig, s. Welcker 422, 18. Hermann n. 18; wenn aber, so wird Panaitios nicht ohne Grund von diesem Urteil abgewichen und der allgemeinen Ansicht beigetreten sein; vgl. Dümmler Akademika, Giessen 1889, 14. Über diese sieben Gespräche handelt weitaus am vollständigsten K. F. Hermann in der citierten Schrift, wo auch die Fragmente gesammelt sind; über die Aspasia auch Welcker 425. Th. Bergk De reliqu. com. Att. 287. P. Natorp Philol. LI 1892,489 ff. In sieben andern Gesprächen, die unter A.s Namen gingen (den ἀκέφαλοι, nach Suidas Φαίδων, Πολύαινος, Δράκων, Ἐρυξίας, Περὶ ἀρετῆς, Ἐρασίστρατος, Σκυτικοί) vermochte man den echt somatischen Charakter nicht zu erkennen; die Σκυτικοί wurden von einigen dem Phaidon zugeschrieben (Diog. 105), wie umgekehrt der sonst diesem beigelegte Dialog Μήδιος (ebenda, vgl. Hermann n. 21) nach Andern A. zum Verfasser gehabt hätte. Unter Platons unechten Dialogen findet sich einer (Ἀξίοχος), der mit einem echten, zwei andere (Ἐρυξίας, Περὶ ἀρετῆς), die mit bestrittenen Dialogen des A. gleiche Titel tragen und deshalb früher unter seinem Namen herausgegeben wurden (so durch Jo. Clericus, Amsterd. 1711. J. F. Fischer, Leipzig 1753 u. ö. Α. Boeckh, Heidelb. 1810; übers. von K. Pfaff, Stuttg. 1827). Doch hatte der echte Axiochos nach den erhaltenen Fragmenten ganz andern Inhalt, als der uns vorliegende, Περὶ ἀρετῆς [1050] ist ein Plagiat grösstenteils aus Platons Menon, und auch der Eryxias ist, obgleich viel besser, sicher ebensowenig von A. wie von Platon verfasst (vgl. Hermann Gesch. u. Syst. d. platon. Philos., Heidelb. 1839, 418ff.). Noch erwähnt Diog. L. 68 einen Brief des A. an Dionysios; die uns erhaltene Sammlung von Briefen der Sokratiker enthält deren fünf (in J. C. Orellis Ausg., Leipz. 1815, nr. 10. 14. 21. 22. 23, vgl. Hermann De Aesch. rel. n. 23), an deren Echtheit nicht zu denken ist. Zeller Philos. d. Gr. II a⁴ 240. G. Grote Plato and the other companions of Socrates, London 1865, III 466ff.