9) Ainesidemos aus Knossos, skeptischer Philosoph (Diog. IX 116 Αἰνεσίδημος Κνώσσιος, dagegen Phot. bibl. p. 179, 41 ὁ ἐξ Αἰγῶν), der nach Aristokles bei Euseb. praep. evang. XIV 18, 29 in Alexandreia lehrte. Seine Lebenszeit ist strittig. Vgl. Zeller Philos. d. Gr. V 8, 1. Wahrscheinlich gehört er noch der ciceronischen Zeit an, da seine Äusserungen über die Akademiker seiner Zeit nur auf Antiochos passen und er sein Hauptwerk einem L. Tubero widmete, der wahrscheinlich mit Ciceros gleichnamigem Freunde identisch ist. Bereits Philo scheint eine Darstellung der τρόποι τῆς ἐποχῆς aus ihm entlehnt zu haben. Vgl. v. Arnim Philol. Unters. XI 56f. Schriften des A. werden folgende genannt: 8 Bücher Πυρρώνειοι λόγοι (von diesen Inhaltsangabe Phot. cod. 212), ὑποτύπωσις εἰς τὰ Πυρρώνεια (nicht ein Teil des vorigen Werkes), κατὰ σοφίας, περὶ ζητήσεως (Diog. IX 106). Ob der Ausdruck διὰ τῆς πρώτης εἰσαγωγῆς bei Sextus adv. math. X 216 als Titel einer besonderen Schrift aufzufassen sei, ist zweifelhaft. A. wollte, nachdem die Akademie, seit Arkesilaos Vertreterin der Skepsis, durch Antiochos die skeptische Richtung verlassen hatte, die echte pyrrhonische Skepsis erneuern. Ausser durch das genannte Photiusexcerpt (cod. 212) erfahren wir manches über seine Lehre durch Diogenes im Leben des Pyrrhon und vor allem durch Sextus. Danach erscheint A. als der eigentliche Begründer derjenigen Richtung der Skepsis, die in ihrer ausgebildetsten Form zwei Jahrhunderte später Sextus dargestellt hat. Die neun τρόποι τῆς ἐποχῆς, welche er aufstellte, wandten sich gegen die Zuverlässigkeit der Sinneswahrnehmung. Hiermit sind nicht zu verwechseln die acht τρόποι bei Sextus Pyrrh. hypotyp. I 180ff., welche das Rüstzeug gegen die dogmatischen Erklärungsweisen (αἰτιολογίαι) der Erscheinungen liefern sollen, indem sie die typischen Fehler derselben in einem Schema zusammenstellen. An einer Reihe von Stellen bei Sextus werden dem A. (οἱ περὶ τὸν Αἰνησίδημον mehrfach mit dem Zusatz καθ’ Ἡράκλειτον) Äusserungen und Lehren beigelegt, die mit seinem uns sonst bekannten skeptischen Standpunkt unvereinbar scheinen, da sie einen heraklitischen Dogmatismus predigen und die Skepsis als ὁδὸς πρὸς τὴν Ἡρακλείτειον φιλοσοφίαν bezeichnen. Während Zeller (Philos. d. Gr. V³ 29–27) und Diels (Doxogr. 210f.) annehmen, dass die Quelle des Sextus einen blossen Bericht des A. über Meinungen Heraklits falschlich als eigene Lehre desselben aufgefasst habe, suchen Natorp (Forschungen zur Geschichte des Erkenntnisproblems 63ff.) und von Arnim (Philol. Unters. XI 79–100) die Glaubwürdigkeit der Überlieferung aufrecht zu erhalten, und – auf abweichende Weise – mit [1024] den sonstigen Nachrichten in Einklang zu setzen. Sprachlich unmöglich ist der Versuch von Pappenheim οἱ περὶ τὸν Αἰνησίδημον καθ’ Ἡράκλειτον auf eine dem Sextus gleichzeitige Secte von Herakliteern zu beziehen, da mit οἱ περὶ τὸν δεῖνα stets nur die Lehre des Philosophen selbst, nicht die seiner Schule, insoweit sie von ihm abweicht, eingeführt werden kann.