Abdicatio, 1) im allgemeinen ein Verhalten, durch welches sich jemand von etwas lossagt, z. B. auf eine Erbschaft verzichtet. Cod. VI 31, 6. So sagte sich derjenige, welcher sich betrüglicher Weise als Sklave verkaufen liess, von der Freiheit los (statu se abdicavit, Dig. I 5, 21). Ein abdicare lag im Abtreten vom Amte (Dig. I 2, 2, 24, s. Nr. 2) und in dem Abgange von der Vormundschaft (Ulp. XI 17; vgl. Rein Privatr. d. Römer 543. Kuntze, Kursus d. röm. R. § 430), endlich auch in dem feierlichen Austritte aus der gens (sacrorum detestatio) Serv. Aen. II 156, vgl. Schulin Lehrb. der Gesch. des röm. R. 184. Als A. wird auch die Aufkündigung der väterlichen Gewalt bezeichnet, welche nach griechischem Rechte als ἀποκήρυξις mit obrigkeitlicher Erlaubnis ungeratenen Kindern gegenüber gestattet war (vgl. Meier und Schömann der attische Process 432ff. Dirksen Versuche zur Kritik und Auslegung der Quellen des r. R. Leipzig 1823 62ff.). Sie wird vom römischen Rechte nicht anerkannt (Cod. VIII 46 (47), 6), wenn auch manche behaupten, dass sie trotzdem nach Rom eingedrungen sei (vgl. hierüber Rein das Privatrecht der Römer² 488 Anm. 1). Allerdings ist mehrfach von einem abdicare, das Haussöhnen gegenüber geschieht, die Rede; vgl. z. B. Quint. inst. or. VII 4, 27: doch ist es wahrscheinlich, dass hierunter entweder die Enterbung zu verstehen ist oder ein blosser Abbruch des Verkehrs mit dem Sohne (Val. Max. V 8, 3: domo mea indignum iudico protinusque e conspectu meo abire iubeo) oder auch eine Emancipation zum Zwecke der Bestrafung (Inst. I 11, 3). Litteratur siehe bei Rein a. a. O. ferner Kuntze Kursus des röm. R. § 755. Heimbach in Weiskes Rechtslexikon XII 38 Anm. 190. Glück Pandectencommentar II 418ff. Leonhard in den Festgaben der Marburger jur. Facultät für Wetzell 147.