Ἀρχαί.[WS 1] Über den Begriff handelt Arist. Pol. VI 12. 2 p. 1299 a und kommt unter Ausschluss der Priester, Choregen, Herolde, Gesandten, sowie der Unterbeamten (ὑπηρέται) zu dem Ergebnis: ἀρχὰς λεκτέον ταύτας ὅσαις ἀποδέδοται βουλεύσασθαί τε περί τινων καὶ κρῖναι καὶ ἐπιτάξαι (beraten, entscheiden, anordnen). Das Wesen der Behörden steht im genauesten Zusammenhang mit der Staatsform. Das Königtum der Heroenzeit kennt noch kein Beamtenwesen, im König als dem Führer im Kriege, dem Vollzieher der Staatsopfer, dem Pfleger des Rechts vereinigte sich die Staatsgewalt (Arist. Pol. III 9, 7 p. 1285 b), für die übrigen Staatsformen aber gilt das Gesetz, dass die Oligarchie den Zugang zu den Ämtern erschwert und beschränkt, das Amt aber mit grosser Machtfülle ausstattet, je mehr dagegen die Demokratie Boden gewinnt, desto mehr wird der Zutritt zu den Ämtern geöffnet, die Befugnis der Beamten aber eingeschränkt. Die Art der Bestellung war natürlich äusserst mannichfaltig; Arist. Pol. VI 12, 10 p. 1300 a stellt darüber folgende Grundsätze auf: ἢ γὰρ πάντες οἱ πολῖται καθιστᾶσιν ἢ τινές, καὶ ἢ ἐκ πάντων ἢ ἔκ τινων ἀφωρισμένων … καὶ ταῦτα ἢ αἱρέσει ἢ κλήρῳ. So finden wir in Korinth Wahl des Prytanis auf ein Jahr durch das Geschlecht der Bakchiaden (Diod. VII frg. 9), in Athen Bestellung der Beamten durch den Rat vom Areopag (Arist. resp. Ath. 8), dann durch den Rat der 400 (ebd. 31), in Korkyra Wahl von Finanzbeamten durch den Rat (CIG 1845, 47). Die grösste Beschränkung activen Wahlrechts enthält wohl die Art, wie nach Thuk. VIII 67 (gegen Arist a. a. O. 31) der Rat der 400 bestellt wurde: 5 Proedren wählen 100, und von dienen wählt jeder 3 hinzu. Das passive Wahlrecht musste zunächst in Bezug auf das Alter beschränkt werden; so wurde in Athen für die Bule und danach wahrscheinlich auch für die Beamten ein Alter von 30 Jahren verlangt, ebenso für einen γυμνασίαρχος in Iulis auf Keos (Dittenberger Syll. 348, 22), für einen Finanzbeamten in Korkyra 35 Jahre (CIG 1845, 47), für νομογράφοι in Teos 40 Jahre (Dittenberger Syll. 126, 45), ebenso für Festordner in Andania (ebd. 388, 125). 50 Jahre für Beamte in Chalkis (Heracl. Pont. 31), in Sparta für die Gerusia sogar 60 [434] Jahre; sodann wurde es bezüglich der Abkunft vielfach beschränkt, z. Β. auf die Vornehmen in Sparta bei der Gerusia (Arist. Pol. II 6, 15 p. 1270b), auf bürgerliche Abkunft ἐκ τριγονίας bei den Archonten Athens (Arist. resp. Ath. 55), auf gewisse Geschlechter bei den κόσμοι in Kreta (Arist. Pol. II 7, 5 p. 1272 a), ferner bezüglich des Besitzes, wie in der drakontischen Verfassung die Archonten und Schatzmeister ein schuldfreies Vermögen von 10, die Strategen und Hipparchen ein solches von 100 Minen haben mussten (Arist. resp. Ath. 4) und auch später die Strategen Grundbesitz in Attika (Dein. I 71) haben und die ταμίαι der Göttin zu der ersten Schatzungsklasse gehören mussten (Arist. resp. Ath. 8. 47). Auch sonstige Beschränkungen der verschiedensten Art gab es, z. Β. Freiheit von Körperfehlern bei den Archonten Athens (Lys. XXIV 13), Besitz von Kindern über zehn Jahren aus rechtmässiger Ehe für die Strategen (Arist. resp. Ath. 4), Besitz einer Gemahlin, die vorher nicht verheiratet war, für den βασιλεύς (Demosth. LIX 75), ja geradeswegs Zugehörigkeit zu einer bestimmten politischen Partei in Megara (Arist. VI 12, 10 p. 1300 a). Von den beiden Wahlarten galt das Los als die demokratischere (Arist. Pol. VI 7, 3 p. 1294 b), doch beschränkte sie sich in der Regel auf die Ämter, ὅσαι μὴ ἐμπειρίας δέονται καὶ τέχνης (ebd. VII 1, 8 p. 1317 b), wie man denn auch in Athen die militärischen Befehlshaberstellen und die höheren Finanzämter niemals dem Zufalle des Loses anheimgegeben hat. Aber Wahl sowohl wie Los konnten durch die Bestimmung ἐκ προκρίτων dahin beschränkt werden, dass sie nur aus einem engeren Kreise vorher Gewählter vorgenommen wurden. Eine so beschränkte Wahl war für die σωφρονισταί der Epheben beibehalten worden(Arist. resp. Ath. 42; erwähnt wird sie noch ebd. 30. 31. [Demosth.][WS 2] LIX 75, Losung ἐκ προκρίτων dagegen Arist. 8. 22. 26. Isocr. VII 22). Ferner machte es bei mehrgliedrigen Behörden einen Unterschied, ob die Wahl oder Losung aus dem ganzen Volke oder aus den einzelnen Stämmen vorgenommen wurde, und endlich bot die Art der Wahl und der Losung gleichfalls verschiedenen Möglichkeiten Raum. Der Gewählte konnte unter Umständen das Amt ablehnen, aber Arist. Pol. VI 10, 6 p. 1297 a bezeichnet es als ein σόφισμα πολιτικὸν … τὸ τοῖς μὲν ἔχουσι τίμημα μὴ ἐξεῖναι ἐξόμνυσθαι, τοῖς δ’ ἀπόροις ἐξεῖναι. Dagegen hatte er in manchen Staaten vor dem Amtsantritt noch eine Prüfung zu bestehen, z. Β. in Athen (s. Δοκιμασία), und wohl stets einen Amtseid zu leisten, die attischen Archonten schworen sogar zweimal, Arist. resp. Ath. 55 (über die Strategen vgl. Dein. III 2, über den Eid der Beamten in Delphi Dittenberger Syll. 233, 44, und überhaupt Ziebarth De iure iurando in iure graeco 27f.). Besoldung der Beamten ist demokratischer Grundsatz (Arist. Pol. VII 1, 9 p. 1317 b), in Athen soll sie durch Aristeides in grösserem Masstabe eingeführt (Arist. resp. Ath. 24), von den 400 aufgehoben worden sein (ebd. 29, vgl. 33). Ebenso gilt als demokratisch eine kurze Amtsdauer (Arist. Pol. VII 1, 8 p. 1317 b), und so finden wir 4 Monate bei Strategen in Erythrai (Dittenberger Syll. 172), 6 Monate bei ταμίαι in Thessalien (Rev. arch. XXXI 256), das Gebräuchlichste war ein Jahr, doch gab es selbst [435] in Athen in späterer Zeit ein vierjähriges Amt des ἐπὶ τῇ διοικήσει (Busolt Gr. Staatsalt.² 239), anderwärts kommen lebenslängliche Ämter (ἀίδιοι) vor, wie die γέροντες in Sparta und Elis (Arist. Pol. VIII 5, 8 p. 1306a), die τιμοῦχοι in Massalia (Strab. IV 179), die ἀμνήμονες in Knidos (Plut. quaest. graec. 4), sämtlich in oligarchischer Staatsform. Wiederwahl zu demselben Amte war in Demokratien in der Regel ausgeschlossen und nur für militärische Ämter wurden Ausnahmen gestattet (Arist. Pol. VII 1, 8 p. 1317 b und das Einzelne bei Gilbert Gr. Staatsalt. II 320). Für die Überwachung der Beamten wurde durch Anfragen in der Volksversammlung (s. Ἐπιχειροτονία) und nach Ablauf des Amtes durch die Rechenschaftsablegung (s. Εὔθυναι) gesorgt. Sie waren im übrigen Einzelbeamte oder bildeten ein Collegium, in welchem einer den Vorsitz führte. Mancherorten traten auch verschiedene Beamte zu einer beratenden Körperschaft zusammen (s. Συναρχία). Über die Titel, welche entweder die besondere Bestimmung des Beamten bezeichnen oder, und dies besonders bei den höheren, allgemein den Machthaber andeuten, vgl. Gilbert a. a. O. 323f. Als Amtsabzeichen führten die Beamten in Athen einen Myrtenkranz (Lys. XXVI 8. [Demosth.] LVIII 27), sie waren vor Beleidigung durch Wort und That gesetzlich geschützt (Demosth. XXI 32f.) und hatten ein Recht, Geldstrafen bis zu einer bestimmten Höhe aufzuerlegen (Aisch. III 27; 50 Drachmen. Aisch I 35. CIA IV 2, 35b. Kaibel IGI 645 Α 134; s. Ἐπιβολή), endlich die Vorstandschaft in Rechtsstreitigkeiten, die innerhalb ihres Machtbereichs vorkamen (Aisch. III 29). Ähnliches ist für anderwärts anzunehmen.
Im übrigen giebt es auch eine weitere Fassung des Begriffs ἀ., und diese weitere, die auch alle ausserordentlichen Beamten umfasst, begünstigte das athenische Gesetz, indem es hinzufügte καὶ τοὺς ἐπιστάτας τῶν δημοσίων ἔργων καὶ πάντας ὅσοι διαχειρίζουσί τι τῶν τῆς πόλεως πλέον ἢ τριάκονθ’ ἡμέρας καὶ ὅσοι λαμβάνουσιν ἡγεμονίας δικαστηρίων (Aisch. III 14).