Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Euphorbion, Wolfsmilch, pflanzliches Arzneimittel
Band VI,1 (1907) S. 1171 (IA)–1173 (IA)
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Εὐφόρβιον,[WS 1] Dioskorides mat. med. III 86 und daraus bei Galen. XIII 271; ferner bei Rufus Ephesius (ed. Daremberg-Ruelle) 266. 386. Oribasius (Daremb.-Bussemaker) II 111. 116. 117. 121. 122. 634. V 27. 71. 612, 819. VI 470. Aetius Amidenus (Ald.) III 54. I 11, 20 u. ö. Alexander Trallianus (ed. Puschmann) II 302. Paulus Aegineta (Ald.) VII 3 p. 108 b; Euphorbea (herba) Plin. n. h. V 16. XXV 77. XXVII 2. Solinus 24, 9; Euphorbeum Plin. n. h. XXV 143; Euphorbium Scribon. Larg. comp. (Helmreich) 38, 8. 67, 22. Pelagon. ars vet. 48. 218 u. ö. Cael. Aurelian. morb. chron. III 8; Euforbium Marcell. Empir. de medicam. (Helmr.) I 38. VII 17 u. ö.; Euforbius Oribas. latin. (Daremb.-Buss.) VI 470 u. a. m. (vgl. auch Ersch und Gruber Encycl. XXVI 323).

Nach Plin. n. h. XXV 77 entdeckte die Pflanze König Iuba II. von Mauretanien, schrieb darüber ein kleines Buch (Galen. a. a. O.) und benannte sie nach seinem Leibarzte Euphorbos, einem Bruder des bekannten Antonius Musa (o. Bd. I S. 2637). Sie wuchs in Mauretanien (Diosk. a. a. O. Isid. orig. XVII 9, 26, wo verkehrte Etymologie) auf dem Atlas (Diosk. a. a. O. Plin. n. h. XXV 77. XXVII 2). Dioskorides beschreibt sie als δένδρον ναρθηκοειδές, Plinius specie thyrsi foliis acanthinis (vgl. dazu Bretzl Botanische Forschungen des Alexanderzuges 279), bei Galen heißt es vom Milchsafte: ὀπὸς φυτοῦ ἀκανθώδους. Erstere schildern nach gemeinsamer Quelle die umständliche Gewinnung des ätzenden Milchsaftes, die medizinischen Wirkungen, die Verfälschungen, denen die Drogue ausgesetzt war und die Kennzeichen der Echtheit. Die Stammpflanze des ἐ., Euphorbia resinifera Berg, wird genauer beschrieben u. a. bei O. C. Berg-Schmidt Darstellung und Beschreib. sämtl. in der Pharmacopoea Borussica aufgeführten offizin. Gewächse, Leipzig 1863 IV. XXXIV d. F. Α. Flückiger Pharmakognosie des Planzenreiches³, Berlin 1891, 194ff. G. Dragendorff Die Heilpflanzen der verschiedenen Völker und Zeiten, Stuttgart 1898, 385. Wittstein Handwörterb. d. Pharmakognosie 214. Dujardin-Beaumetz et Égasse Les Plantes médicinales, Paris 1899, 275. Planchon et Collin Les drogues simple: d’origine végétale, Paris 1895, I 310. Ebenda finden sich auch chemische Analysen und weitere Literaturangaben. Hier genügt wohl die Beschreibung bei Schumann-Gilg Das Pflanzenreich 594: Euphorbia resinifera stellt einen 2 m hohen Strauch mit drei- oder vierkantigen, wenige Zentimeter dicken Ästen dar; an den etwas vortretenden Polstern auf den Kanten sitzen die gepaarten Dornen und oberhalb derselben erscheinen die kleinen, nur zwei bis drei Cyathien tragenden [1172] Blütenstände. Die Pflanze wächst nur im Berglande des Innern von Marokko. Man schneidet im September nach reichlichen Regenfällen die Kanten an, worauf aus den vielverzweigten Milchröhren in Menge der Saft entströmt, der zu unregelmäßigen, zerreiblichen, gelben Massen erhärtet. Der Geschmack dieses Harzes ist brennendscharf und der Staub erzeugt heftiges Niesen, wobei eine Blasenbildung und Entzündung der Schleimhäute entsteht (vgl. Diosk. a. a. O.).

Die Alten gaben das ἐ. teils für sich teils mit anderen Stoffen vermischt gegen ὑποχύματα = suffusiones oculorum (Diosk. a. a. O. Scribonius Largus comp. 38. Marcellus Empiricus VII 17. Galen nach Dioskor. XI 879 u. a. m.), gegen Hüftschmerzen, Schlangenbiß und Knochenschäden, gegen Angina (Scrib. Larg. 67) und Wassersucht (Cael. Aurel. morb. chron. III 8). Galen gedenkt desselben noch öfter, so XIII 267ff.; es ist warm, I 649. XIII 274, aber diese Wärme ist nicht dauerhaft (XIII 586), weshalb es frisch am besten, älter als vier Jahre gänzlich unwirksam ist (XIII 620–628). Abgesehen von XI 879, wo die Heilwirkungen nach Dioskorides aufgeführt werden, erscheint es bei ihm noch angewandt gegen schädliche χυμοί, gegen Alopekie, Ischias und verschiedene Leiden der νεῦρα (ein ἄκοπον βαρβαρικόν XIII 1035; zusammengesetzte Medikamente XIII 622). Ihm folgen im wesentlichen die späteren Ärzte. Auch in der Tierheilkunde fand es Anwendung (vgl. Pelag. 218. 225 u. ö.).

Schon viel früher als diese westafrikanische Art war den Griechen die in Asien wachsende Euphorbia antiquorum L. bekannt geworden. Bereits K. Sprengel (Theophr. Naturg. d. Gew. II 152) und E. Meyer (Botan. Erläut. zu Strabons Geogr. 83) hatten diese Pflanze vermutet unter der von Theophr. h. pl. IV 2, 13 erwähnten giftigen Milchsaft führenden ἄκανθα Gedrosiens (vgl. Arrian. exped. Alex. VI 22. Strab. XV 723). Das bestätigt nun Bretzl a. a. O. 267ff.) mit wissenschaftlichen, teils botanischen teils textkritischen Gründen und weist insbesondere nach, dass auch die von Theophrast bereits in § 12 erwähnte ἄκανθα λευκὴ τρίοζος als unsere Pflanze zu deuten sei; nur sei sie eben durch eine Verwechslung in den Aufzeichnungen statt nach Gedrosien in die Ἀρία χώρα (Herât) geraten. Die Alexanderliteratur hielt die grünen, runden, mit Ecken und Längsbuchtungen versehenen und stachelbewehrten Stengelglieder, welche die Krieger an die Keule des Herakles erinnerten, für Gurken (Strab. a. a. O.).

Eine Abbildung der Euphorbia antiquorum bringt Bretzl a. a. O. 268; von Euphorbia resinifera u. a. Berg-Schmidt a. a. O. IV tab. XXXIV d. Engler-Prantl Natürl. Pflanzenfamilien III 5, 108 und daraus Schumann-Gilg a. a. O. 595.

Ein antikes Bild ist mir nicht bekannt; in den Wiener Hss. fehlt natürlich diese Drogue, im Cod. lat. Mon. 337 ist fol. 94v naiverweise eine an Euphorbia cyparissias erinnernde Pflanze gezeichnet. Nach der Polemik in der Vorrede des Dioskorides erklärte übrigens Sextius Niger das ἐ. für den Saft einer in Italien wachsenden chamelaia, vgl. Plin. n. h. XXV 79 und Wellmann [1173] Hermes XXIV 536 sowie Galen. ad Patern. 95 Euforbium lacrimum est arboris, quae in Mauretania nascitur, et, ut aliqui volunt, in partibus Italiae, quae Galliae adiacent. Die krautigen Euphorbiaarten s. unter Tithymallus.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. transkribiert: Euphorbion.