RE:Διαιτηταί
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Schiedsrichter | |||
Band V,1 (1903) S. 313–317 | |||
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Διαιτηταί, Schiedsrichter. Die Abstammung des Wortes ist dunkel, bei Homer und Hesiod kommt δίαιτα nicht vor, aber bei Pind. Ol. IX 66 πόλιν ὤπασεν λάον τε διαιτᾶν steht das Verbum im Sinne von ,regieren‘. Die Sache ist uralt. Schon bei Hom. Il. XXIII 486 soll Agamemnon Schiedsrichter (ἴστωρ) sein, ob des Idomeneus Wagen oder der des lokrischen Aias der vordere war. Einige mythische Beispiele hat Meier Die Privatschiedsrichter u. s. w. 8 gesammelt. Genaueres wissen wir nur von Athen, wo es zweierlei δ. gab, 1. private oder erwählte und 2. öffentliche oder erloste.
1. Bezüglich der privaten Schiedsrichter war grundsätzlich alles der Übereinkunft der Parteien überlassen. Nur hatte der Staat ein Interesse daran, diese Sitte, welche die förmlichen Rechtsstreitigkeiten zu mindern geeignet war, zu stützen. Er verlangte deshalb, dass die Parteien bei einer gefällten Entscheidung sich beruhigen sollten (ἐμμένειν τοῖς γνωσθεῖσι Demosth. XXVII 1. Isai. V 31 oder τῇ διαίτῃ [Demosth.] XL 41), und übte in diesem Sinne einen Zwang aus, indem er gestattete, eine ergangene schiedsrichterliche Entscheidung als Einrede gegen die Zulässigkeit einer Klage (s. Παραγραφή zu benutzen (Isokr. XVIII 11 ὡς οὐκ εἰσαγώγιμος ἦν ἡ δίκη διαίτης γεγενημένης. Poll. VIII 57). Ob freilich diese [314] Unterstützung so weit ging, dass zur Durchführung des Urteils δίκη ἐξούλης angewandt werden konnte, ist fraglich, da [Demosth.] LII 16 leicht Übertreibung sein könnte. Alles andere stand bei den Parteien, welche ἐπέτρεπον δίαιταν oder ἒπιτροπήν, ein Ausdruck, der nur von diesen privaten Schiedsrichtern gebraucht wird (Stellen bei Hubert De arbitris atticis 8). Die Wahl konnte daher auch auf Nichtbürger fallen, Demosth. XXXIII 14. XXXIV 18. Die Zahl schwankt; einer findet sich [Demosth.] XXXIV 18. XL 16. Isokr. XVII 19. XVIII 10, drei, je einer von beiden Parteien, der dritte gemeinsam erwählt [Demosth.] XXXIII 14, oder auch von den beiden andern Schiedsrichtern erkoren [Demosth.] LIX 45, vier endlich, je zwei von jeder Partei ausgesucht, Demosth. XXXVI 15. Isai. V 81. Es konnte ferner über das Verfahren ein schriftlicher Vertrag aufgesetzt und für die Ausführung des Spruches eidliches Versprechen, Isai. V 31f., oder Bürgschaft geleistet werden, Demosth. XXXIII 14f. Die Schiedsrichter gingen im allgemeinen auf gütliche Schlichtung der Streitpunkte aus, sie suchen nicht sowohl das strenge Recht, als das Nützliche zur Geltung zu bringen, Arist. Rhet. I 13 ὁ γὰρ διαιτητὴς τὸ ἐπιεικὲς ὁρᾷ, ὁ δὲ δικαστὴς τὸν νόμον und CIG 2671, 40 = Cauer Del.² 157 Ehrenbeschluss für fremde Richter aus Iasos: τὰς μὲν πλείστας διέλυσαν [πεισ]άντες τοὺς ἀντιδίκους .... τινὰς δὲ καὶ διᾴτασαν συμφερόντως [ἀμφο]τέροις τοῖς ἀντιδίκοις· δέκα δὲ δικᾶν εἰσαχθεισᾶν [εἰς τὸ δ]ικαστήριον ἔκριναν διὰ ψήφου κατά τε τὸ διάγραμ[μα τοῦ] βασιλέως καὶ τοὺς νόμους. Sie werden deshalb auch als διαλλακταὶ bezeichnet, [Demosth.] XLVIII 2. LIX 47. 71; vgl. Isai. V 32. Sie untersuchen die Sache (ἀνακρῖναι Isai. a. O.), nötigenfalls in wiederholten Zusammenkünften, [Demosth.] LII 16. LIX 69, vernehmen Zeugen, [Demosth.] XXXIV 18f., so dass oft viel Zeit verging, [Demosth.] XL 16. Öfter traten darüber die Parteien von dem Schiedsgericht zurück (κῦσαι, ἀνεῖναι τὴν ἐπιτροπήν [Demosth.] XXXΙΙI 16. XL 44), mitunter verweigerten auch die Schiedsrichter die Entscheidung,[Demosth.] XXXIV 21. Isai. V 83, oder sie verliehen sich, namentlich wo eine gütliche Einigung nicht erzielt wurde, durch einen Eid den Parteien gegenüber ein erhöhtes Gewicht, Isai. II 31. V 32. [Demosth.] XXIX 58. XXXIV 21. LII 30. Dass dies unter Umständen gesetzlich gefordert war, ist der letztangeführten Stelle schwerlich zu glauben. Ihre Entscheidung wird mit den Ausdrücken γνῶναι, διαγνῶναι, ἀοφαίνεσθαι τὴν δίαιταν und, sofern sie freispricht, mit ἀπογνῶναι (τῆς δίκης), sofern sie verurteilt, mit καταδιαιτᾶν, καταγνῶναι τὴν ἐπιτροπήν bezeichnet (Stellen bei Hubert a. O. 11). Die Feierlichkeit des Spruches wurde mitunter noch dadurch gesteigert, dass er in einem Heiligtum erfolgte, [Demosth.] LIX 46. Demosth. XXXVI 16. Erhalten sind solche Schiedssprüche als Einlagen bei [Demosth.] LIX 47. 71.
Eine δίαιτα ἐπὶ ῥητοῖς begegnet Isokr. XVII 19. XVIII 10 und wird an ersterer Stelle dahin erläutert, dass zwischen den Parteien ein Vertrag mit Festsetzung einer Strafe für den Zuwiderhandelnden geschlossen wurde, wo dann der Schiedsrichter zu entscheiden hatte, ob der Vertrag gebrochen, also die Strafe zu entrichten sei.
2. In der Zeit, als sich in Athen die Processe [315] häuften, also um die Mitte des 5. Jhdts., wurden daselbst öffentliche Schiedsrichter bestellt. Ihre erste Erwähnung ist bei And. I 88 aus der Zeit vor Eukleides. Unter diesem Archon wurde ihre Zuständigkeit durch ein besonderes Gesetz geregelt, Lys. g. Archebiades frg. 44 S. Sie wurden dem letzten Jahrgange der Wehrpflichtigen, also den Bürgern des sechzigsten Lebensjahres, entnommen, welche sämtlich zu diesem Dienste, bei Strafe der Atimie, verpflichtet waren, soweit sie nicht ein Amt oder eine Auslandreise entschuldigte, Arist. resp. Ath. 53. Von einer Prüfung (δοκιμασία) ihrer Würdigkeit ist nirgends die Rede; Demosth. XXI 83 ἄλλως οὐ πονηρός spricht dagegen. Ihre Zahl war natürlich in jedem Jahre verschieden, desgleichen die der Angehörigen der einzelnen Phylen. Ihre Liste aus dem Jahr des Antikles 325/24 CIA II 943 weist 103 Namen auf, an denen die Phylen mit drei bis sechzehn Männern beteiligt sind, eine ähnliche Liste CIA II 944, wahrscheinlich auch von δ., mehr als 80 aus vier Phylen. Zuständig sind sie für alle vermögensrechtlichen Klagen über 10 Drachmen, mit wahrscheinlicher Ausnahme der δίκαι ἔμμηνοι (πλὴν τῶν ξενικῶν) Bekk. Anecd. I 310, dagegen Goodell Am. Journ. Phil. XII 325), so dass diese Processe zunächst an sie gelangen mussten, Lex. Cantabr. 673. Poll. VIII 126. Zugewiesen wurden ihnen die Klagen von den Vierzigmännern (s. Δικαταὶ κατὰ δήμους), an welche daher die Behörden die bei ihnen angebrachten Processe, soweit sie zunächst vor die Schiedsrichter gehörten, abgeben mussten (vgl. für den Polemarchen, bei welchen Klagen gegen Metoeken, Isotelen und Proxenoi anzubringen waren, Arist. resp. Ath. 58). Von einer Einteilung der Diaiteten hören wir nichts, wohl aber waren die Vierzigmänner phylenweise gegliedert, sie erhielten die Klagen nach der Phyle des Beklagten, und die bezüglichen Vier verlosten dann ihre Klagen unter die Schiedsrichter, Arist. a. O. 53. 58. Auch waren den Phylen für ihre Processe bestimmte Räume zugewiesen, wie z. B. οἱ τὴν Οἰνηΐδα καὶ τὴν Ἐρεχθηΐδα διαιτῶντες in der Heliaia ihren Sitz hatten, [Demosth.] XLVII 12. Der Schiedsrichter musste die auf ihn fallenden Klagen übernehmen und zu Ende bringen, obwohl das mitunter recht lange dauerte, Isai. XII 11. Er machte zunächst noch einen Sühneversuch, untersuchte die Sache dann, vereidigte die Parteien, [Demosth.] XL 41. Poll. VIII 127, sammelte Beweismittel, Zeugnisse, nahm Einreden, Fristgesuche, Aufforderungen an den Gegner an, Demosth. XXI 84. LIV 26. [Demosth.] XLVII 13, nötigenfalls in verschiedenen Terminen (σύνοδοι), und setzte endlich den Tag für die Entscheidung fest (ἡ κυρία), wo dann weiterer Aufschub von der Zustimmung der Gegenpartei abhängig war. Er fällte den Spruch nach Ableistung eines Eides auf dem Schwurstein am Markte, Arist. a. O. 55. Eine etwaige Berufung gegen das Urteil hatte sofort zu erfolgen, [Demosth.] XL 31. Geschah sie nicht, so übergab der Schiedsrichter das schriftlich aufgesetzte Urteil der zuständigen Behörde zur Unterschrift, Ulpian zu Demosth. XXI 85. Wurde Berufung eingelegt, so legte der Diaitet die Beweismittel der Parteien gesondert in zwei Kapseln und gab diese versiegelt unter Beifügung [316] seines Urteils an die vier Vierzigmänner, welche ihm den Rechtsstreit zugewiesen hatten, Arist. a. O. 53. Gegen ein Contumacialurteil stand dem Betroffenen binnen zehn Tagen das Einspruchsrecht zu (τὴν μὴ οὖσαν ἀντιλαχεῖν Poll. VIII 60. Phot. s. μὴ οὖσα δίκη), wobei ein Eid zu leisten war, Demosth. XXI 86, dass das Ausbleiben im Entscheidungstermin absichtlos und unverschuldet war. Wer hierüber entschied, ist fraglich, wahrscheinlich ein Gerichtshof (Demosth. XXI 90. Thalheim Zu den griechischen Ρechtsaltertümern, Pr. Schneidemühl 1892, 7). Wurde der Einspruch verworfen, so war das Urteil rechtskräftig, andernfalls kam die Sache aufs neue vor den Diaiteten (Isai. XII 11).
Die Gebühr, welche an die Schiedsrichter zu zahlen war, hiess παράστασις (s. d.), Harpocr. Poll. VIII 39. 127. Beschwerden (εἰσαγγελίαι) gegen die Diaiteten wurden am Ende des Jahres bei der Gesamtheit der Schiedrichter, welche zu diesem Zwecke unter einem Obmann (πρυτανεύων) stand, angebracht. Der wegen Amtsvergehen Verurteilte verfiel in Atimie, konnte aber gegen das Urteil Berufung an den Gerichtshof einlegen, Arist. resp. Ath. 53. Demosth. XXI 86f. Auch sonst finden wir die δ. als Gemeinschaft gesondert, sie werden vom Volke belobt, CIA II 1182 aus 337/6 v. Chr., bekränzt, ebd. 943 aus 325/4, machen ihrerseits Weihgeschenke, CIA a. O. und II 721 A 21. 731, 16. 941, auch ehren sie Personen, wahrscheinlich ihnen zugeteilte Schreiber, mit einem Kranze, CIA II 1172. Das Lex. Cantabr. 673 deutet darauf, dass die Einrichtung der δ., welche zur Zeit des Demetrios Phalereus noch bestand, ziemlich früh aufgehoben wurde. Vgl. Hudtwalcker Über die öffentlichen und Privatschiedsrichter – Diäteten – in Athen, Jena 1812. Meier Die Privatschiedsrichter und öffentlichen Diäteten Athens, Halle 1846. Bergk Ztschr. f. Altert, 1849, 265f. Westermann Ber. Sächs. Ges. 1849, 432. Hubert De arbitris atticis et privatis et publicis, Lips. 1885. Lipsius Att. Proz. 1009f. Matthias Das griechische Schiedsgericht, in Festgaben für Jhering 1892. Pischinger De arbitris Ath. publicis, Pr. München 1893.
Compromissarische Schiedsrichter gab es natürlich auch anderwärts. Einen Fall aus Sparta führt Plut. apophth. Lac. 218 d an, wo der erwählte Schiedsrichter die Parteien in einem Tempel eidlich verpflichtet, sich bei seiner Entscheidung zu beruhigen. In Gortyn war solches private Schiedsgericht durch gesetzliche Bestimmungen geregelt u. a. dahin, dass der Spruch bei Strafe in Höhe des Streitgegenstandes binnen drei Tagen erfolgen musste, Mon. Ant. III nr. 155. In Ephesos bestand die Einrichtung, dass die Parteien stets oder wenigstens in gewissen Fällen vor Gericht ihr Einverständnis mit dem Spruch der Schiedsrichter erklären mussten: τὰς ἐπικρίσεις τῶν διαιτητῶν ἃς ἂν ἐπὶ τοῦ δικαστηρίου συνομολογήσωσι, Dittenberger Syll.² 510, 6. In Chios wird ein Schiedsgericht über streitige Erbpacht erwähnt, Bull. hell. III 244 Z. 23. Mitunter werden Schiedsrichter für den Fall von Streitigkeiten in voraus bestimmt, so die ναοποιοί in Lebadeia für Zwistigkeiten unter den Unternehmern, Dittenberger Syll.² 540, 42, in Delphoi für Misshelligkeiten zwischen Freigelassenen und ihren früheren Herren [317] drei bestimmte Personen ebd.² 850, 7 oder nur allgemein ein Schiedsgericht ebd.¹ 460, 8.
Spuren von öffentlichen Schiedsrichtern finden sich in Lampsakos, CIG 3641 b 26f. μὴ κ[ρι]ν[έτωσαν δ]ὲ μηδὲ οἱ ἐπιγνώμονες ἐν ταῖς ἡμέραις ταύταις (Festtagen) μηδὲ οἱ εἰσαγωγ[εῖ]ς συ[λλεγέ]τωσαν [δικ]αστ[ή]ρι[ον], eine Vorschrift, die für private δ. nicht wohl gelten kann. Ferner aus Arkesine auf Amorgos, Bull. hell. XII 230 Z. 27f. μηδὲ ὅσαι δίκαι [δι]εγράφησαν ἐπὶ τὸς εἰσαγωγέας τὸς ἀμφὶ Εὐρύδικον ταύτας μὴ εῖναι δικάσασθαι μήτε αὐτ μήτε ἐν ἐκκλήτῳ μεδαμ, ἐὰν μὴ οἱ διαλλακταὶ γράψαντες καταλείπωσιν οἷς δεῖ τἆς δίκας ἐπὶ τ ἀστικ δικαστηρίο γενέσθαι. Auch die δ. bei Dittenberger Syll.² 510, 18 in Ephesos sind öffentliche, wenn auch nur für eine bestimmte Art von Grundbesitzstreitigkeiten auf eine gewisse Zeit bestellt.