Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Gefängnishaft als Strafe
Band V,1 (1903) S. 251252
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Δεσμωτήριον. Gefängliche Haft als Strafe für Vergehen war in Griechenland nicht gewöhnlich. Aber wenn sie auch seltener zur Anwendung kam, so ist sie doch gesichert durch Stellen wie [Lys.] VI 21f. Plat. apol. 37 c. Demosth. XXIV 132. [XXV] 67, vgl. Plat. leg. IX 864 e. 880 b. c. X 908 (Thalheim Rechtsalt.⁴ 143), war doch lange Haft bei Staatsschuldnern nicht selten (Demosth. XXIV 125. 135. Thalheim 134). Und so rechneten die Attiker die Haft unter die Leibesstrafen (παθεῖν Demosth. XXIV 146). Häufiger ward sie als Strafschärfung in gewissen Fällen zuerkannt, meist auf fünf Tage und ebensoviel Nächte (Demosth. XXIV 103. 114). In der Regel aber bezweckte die Einkerkerung nur, sich des Verbrechers einstweilen zu versichern, damit er sich seiner Zahlungspflicht (Arist. resp. Ath. 63, 3) oder der Strafe nicht entziehe. Jedoch konnte man sich in den meisten Fällen von diesem Zwange durch Bürgschaft befreien. Vgl. Ἐξεγγύη. Ausgenommen waren nach dem Ratseid (Demosth. XXIV 144) die zahlungsunfähigen Staatspächter und die auf Hochverrat Angeklagten; vgl. Thuk. VI 60. Plut. Alkib. 20. Nach dem Schol. Demosth. Timokr. p. 184 und Androt. p. 141 hätten jedoch die Gefangenen zu Athen während der Panathenaeen und Dionysien Freiheit genossen. Als Militärstrafe kommt Gefängnis vor bei Aen. Poliork. 10, 11 und wohl auch [Demosth.] LI 51. Die Haft war wahrscheinlich bald strenger, bald gelinder, je nach Befinden der Aufsichtsbehörde, in Athen der ἕνδεκα, Plat. ap. 37 c; Phaid. 58 c. Wenigstens finden wir, dass Besuche der Gefangenen durch Angehörige und Freunde vielfach gestattet (Lys. XIII 39. And. I 48. Plat. Krit. 43 a; Phaid. 59 d), mitunter aber verboten waren (Lys. XIX 7). Sokrates war im Gefängnis gefesselt (Plat. Phaid. 59 e; vgl. Demosth. XXII 68), die Scene bei [Demosth.] XXV 60f. setzt dagegen freie Bewegung voraus, vgl. Demosth. ep. III 16. Strengere und schimpfliche Haft war das Fesseln im Block (ποδοκάκη, ξύλον), Halseisen (κλοιός), Joch (κύφων), s. d. Die Gefangenen standen unter einander in Verkehr, And. I 48. [Demosth.] a. O. Dein. II 10; von Einzelhaft hören wir nichts, dagegen von zahlreichen Ausbrüchen (Demosth. XXV 56. Vit. X or. 846 b. Plut. Dem. 26. Plat. Krit. 45 a). Ein Baderaum im Gefängnis wird Plat. Phaid. 116 a erwähnt. In Athen scheint es nur ein Gefängnis gegeben zu haben (Demosth. XXII 65. XXIV 208f. Ulrich Vier Plat. Gespräche 231f.), welches mildernd oft οἴκημα (s. d.), mitunter ἀναγκαῖον (s. d.) genannt wurde. Dies letztere fasst Wachsmuth Stadt Athen II 1, 384 als besonderes Sclavengefängnis, während die Erklärung des Suidas, welche diese Annahme stützt, voraussichtlich aus dem citierten Isaiosfragmente gemacht ist; vgl. Harp. Der Name Θήσειον für das Gefängnis bei Etym. M. und Hesych begegnet allgemeinem Zweifel. Das Gefängnis lag vielleicht am Markt (Xen. hell. II 3, 56. Diod. XIV 5. Wachsmuth a. O. 385). Anderwärtige Bezeichnungen sind ἀναγκαῖον in Boiotien, κέραμος auf Kypros; vgl. Hom. Il. V [252] 387 (Etym. M. 98, 30. Bekk. An. I 202, 15), Κῶς in Korinth. Steph. Byz. Dazu die Glossen des Hesych s. βάλαικες, βλέορον, ἴψον, σιρός. Auch eines Armsünderpförtchens (χαρώνειον, s. d.) erwähnen die Grammatiker.