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Titel: Qui hy?
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aus: Die Gartenlaube, Heft 11, S. 155-156
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1857
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Qui hy?
Häusliches Leben der Engländer in Indien.

Was in aller Welt ist das für ein Titel Qui hy? Eines Buches, einer neuen „haarwachsenden“ Pomade oder einer neuen Arznei gegen alle Uebel des Lebens, wie die Revalenta Arabica? Ist’s Hebräisch, Russisch oder Hochholländisch? Nichts von alledem, sondern Neu-Sanscrit aus der Sprache der braunen Ostindier dieser Tage, die den Engländern millionenweise aufwarten und dadurch einen Theil der ihnen abgedaumschraubten Steuern wieder zurück verdienen, und heißt wörtlich: „Wer wartet?“ Wer wartet auf? Wo ist der Sclave? Es ist, was bei uns die Klingel für den Dienstboten. Der in Indien herrschende Engländer versteht in der Regel nichts von der Sprache seiner Sclaven, als dieses Qui hy? Er schreit es des Tages fünfzig Mal, worauf jedesmal einer von den Dutzend Dienern geräuschlos eintritt und das Uebrige in Form von Zeichen und Pantomimen befohlen bekömmt. In der Regel errathet er sofort den souverainen Willen des Herrn, handelt danach und schleicht geräuschlos, wie ’ne Katze, wieder davon.

Indien, das Sebastopols Rolle in der europäisch-asiatischen Politik eingenommen hat, Mutter neuer Kriege und faul gährender Fragen, angeblich die kostbarste, kolossalste Perle in der Krone Englands, ist das „Capua der Geister,“ das Grab englischer Größe, und dermalen Hauptsitz des bösen Gewissens „westlicher Civilisation.“ Wem das zu weit liegt, kann in jeder Zeitung Belege dafür finden, daß es wenigstens Pathos des englisch-persisch-russischen Krieges, des Bombardements von Canton, eines neuen und umgearbeiteteten Opiumkrieges gegen China und Preis der Hegemonie in Asien geworden. England und Rußland streiten seit Menschenaltern um die Oberherrschaft in Asien. Der Streit ist wieder zum Kriege geworden. Dem Sieger wird Indien gehören. Unter diesen Umständen wird jeder Beitrag zu den Untersuchungen, welchen Halt die Engländer in Indien haben, interessant und wichtig.

Wie sie kaufmännisch und politisch in Indien wirthschaften und verwalten, mögen wir vorläufig aus der Tortur beim Steuereintreiben, dem Opiumkriege, dem Bombardement Cantons, dem Monopole der „Compagnie“ auf Mohnbau und Opiumfabrikation und dem Umstande, daß die Compagnie gewaltsam oder schmuggelnd gegen das von ihr selbst anerkannte und unterschriebene Gesetz China’s 1856 nicht weniger als 75,000 Kisten Opium (für 6 Millionen Pfund Sterling) den Chinesen zur Vergiftung verkaufte und Lord Dalhousie mit der Hoffnung sein indisches Gouvernement abgab, daß man es dies Jahr auf 120,000 Kisten monopolisirten Opiums bringen werde – daß englische Beamte aus Indien größtentheils krösusreich zurückkehren und General Malcolm einmal wöchentlich 5000 Pfund von seinem indischen Einkommen zurücklegte – mag man hier im Allgemeinen aus diesen Thatsachen schließen. Jetzt kommt’s uns blos darauf an, ein Bild des häuslichen Lebens der Engländer in Indien zu geben.

Der Engländer ist sonst ziemlich geschäftig und unruhig, aber in Indien, dem Paradiese der Menschheit, wird ihm unter dem entnervenden Klima sein strohgedecktes, Hitze abhaltendes „Bungalow“ bald zum Schlosse der größten Indolenz und Faulheit. Alle seine Entschlüsse und Willenskräfte schmelzen unter der Hitze dieser Sonne zusammen, und es bleibt nichts übrig, als eine unter dem schattigen kühlen Strohdache lebendig begrabene, exotische Gestalt, die nur Lebenszeichen von sich gibt, wenn sie essen, trinken, sich anziehen oder eine Fliege von der Nase weggejagt haben will. Sie ruft dann jedesmal, ohne sich zu bewegen: Qui hy? Ein schwarzbrauner, weißumkleideter, dienstbarer Geist schleicht herein, jagt die Fliege allerunterthänigst weg, schleicht davon, und die Indien beherrschende Gestalt vegetirt weiter.

Der talentvolle Mensch kann Alles leicht in der Welt lernen; aber auch der ganz talentlose Engländer bringt’s in seiner indischen Haupttugend, Faulheit, unterstützt vom Klima und einem Dutzend eingebornen Dienern, wunderbar schnell zu fabelhafter Vollkommenheit. Kaum ist er als Mohnkopfwächter oder Steuereintreibungs-Vicesupernumerarassistenten-Gehülfe angestellt, und er thut nichts mehr selber, als Essen, Trinken, Schlafen. Hat er, „im Schlafe lesend,“ ein Buch fallen lassen, will er seine langen Beine höher legen oder das Nasentuch aus seiner eigenen Tasche ziehen, so ruft er nur Qui hy? und ehe der Ton verklungen, gleitet klanglos der speckschwartenfarbige, dünn- und nacktbeinige, callicoschneeweiß gekleidete Sclave aus der Veranda herein in seinen dunkeln kühlen Saal, hebt das Buch auf, legt die müden langen Beine höher oder weicher, zieht das weiße mouchoir hervor und putzt wohl gar seinem importirten neuen Großmogul oder Nabob die allerhöchste Nase, um dann wieder eben so geisterhaft zu verschwinden, wie er erschien.

Die englische Aristokratie zu Hause vertraut niemals einem Barbier ihre Nase an und selbst der Premier-Minister aller großbritanischen Reiche und Colonieen zieht in seinem 74sten Jahre und während seines diesjährigen fünfzigjährigen Hochstaatsdienstjubiläums sich immer noch selbst seine Wellingtonstiefeln an (wenn er nicht wegen Gicht in Filzschuhen das Parlament zu lachen macht). In Indien weiß man sich diese Mühseligkeiten auch vom Halse zu schaffen. Der englische Nabob streckt sich, ermüdet vom vielen Faullenzen, auf seinem Sopha und geruht, Lust zum „Luftessen“ zu verspüren. Qui hy? und er zeigt auf seine schlafschuhgeschmückten Füße. Sofort nimmt ein Sclave den rechten, ein anderer den linken Fuß sanft und vorsichtig wie aufgeweichten Honigkuchen zwischen die Hände, und im Nu ist der kleine Großmogul gestiefelt und bespornt, ohne daß er einen Finger zu rühren brauchte oder in seiner Lectüre, an der Decke oben, unterbrochen ward. Für die Anstrengung des Selbstrasirens ist der Anglo-Indier bei dieser Hitze viel zu schwach. Ein „Künstler in Haar“ tritt ein, wirft sich vor Sr. Excellenz nieder, faßt ihn ehrfurchtsvoll bei der Nase und verläßt nach einer halben Minute das frisch gemähete Stoppelfeld zu neuem, heißen, raschen Wachsthum.

Das „Qui hy?“ ist überall in Bengalen, dem Punschab, in den nordwestlichen Theilen des englischen Indiens und bald auch in Kaschmir Mode (wenn für die „Einverleibung“ dieses Theils ein plausibler Vorwand gefunden sein wird) und vertritt überall die Stelle der noch unbekannten Klingeln für die dienstbaren Geister.

Die „Mulls“ und „Ducks,“ wie die Engländer in und um Madras und auf der Bombaiseite genannt werden, führen ein fabelhaft luxuriös-vegetabiles Leben, wie die alten indischen Götter, die sich Jahrtausende lang in Lotosblumen auf überblühten stillen Gewässern wiegten. Sie sind fast alle Beamte – fünf bis zehn für je eine Stelle, auf welche bei uns trotz der „Büreaukratie“ noch nicht ein Viertel von einem Beamten kommen würde, und der subalternste von ihnen hält sich etwa ein Dutzend braune Diener, ausgewählt aus den unterjochten Eingebornen. Jeder dienstbare Geist hat sein eigenes Departement, über welches er nicht so leicht hinausgreift. Der feine, braune, dünne Geist, der dem dicken, kühlen, blonden Nabob die Socken und Schuhe anzog, darf sich nicht unterstehen, eine Tasse Thee zu bringen. Der „Künstler in Haar“ würde sich für ewig beschimpft halten, wollte er die abgemähten Haarlocken auch aufnehmen. Das ist auch gar nicht nöthig. Die Bezahlung der englischen Beamten in Indien ist bis unten sehr gut (die Indier müssen’s schaffen, kostet ja dem „Lande“ nichts) und die Diener sind mit fabelhaft niedrigen Löhnen zufrieden. So ist es Mode, Styl, Gesetz geworden, daß man sich bis zum letzten Schreibergehülfensupernumerarstellvertreter herab 6 bis 8 bis 12 Dienstboten hält, nach oben hin mehr, oft bis dreißig.

Die Hauptclassen dieser dienenden Legionen stufen sich in folgenden Namen und Functionen ab.

Obenan steht der „Gopant,“ Träger, wofür wir Kammerdiener, vielleicht auch zuweilen Kammerherr sagen würden, der Major Domus und erste Beamte des Haushalts, aus einer nobeln Classe, fein gegliedert, schlank und sehnig, wie von Mahagoni gedrechselt und dunkel polirt, ohne ein Loth überflüssigen Fleisches, dem fetten, feisten, faulen, ausdruckslosen Nabob gegenüber ein Gott an Feinheit und Eleganz der Gestalt, Haltung und Physiognomie. Schon seine leichte, ätherische Kleidung, weiße, vorn offene, lose Jacke, lachsfarbige „Dhoties“ (weite, faltige Beinkleider, eine Vermittelung zwischen den Hosen der Zuaven und dem Unterrocke der Hochschotten), die sich um die Kniee herum malerisch [156] zusammenfalten und ein artistisches weißes Geflecht von Turban um das schöne Haupt mit den blitzenden Augen geben ihm das Ansehen einer natürlichen Ueberlegenheit, welche nur durch die Kunst englisch-ostindischer Diplomatie niedergehalten wird. Wenn er in die Bazars zum Einkaufen geht, stecken seine dünnen Mahagonibeine in Schuhen, die dann wie Kähne aussehen, wozu die nackten Beine Segelstangen bilden. Zu Hause gleitet er immer barfuß leise herum, wie eine Katze, die überall Mäuse, wenigstens etwas zum Mausen wittert. – In einem Lande, wo Silber die laufende Münze, das Gold selten und das Gewicht eines „Vatermörders“ am Halse schon eine Last ist, würde es der regierenden Race unerträglich sein, selbst Geld zu haben. So wird der „Gopant“ Banquier, Cassirer und Zahlmeister. Er nimmt den monatlichen „Tullup“ (Gehalt), einen Sack voll Rupien, in Empfang, als wäre er der Mann, der sich für diesen Betrag um’s Vaterland monatlich verdient macht. Er bezahlt alle Rechnungen, wobei ihm immer ein „Dustorée,“ d. h. ein Disconto vom Gläubiger, genannt die „schwarze Post“ an den auszahlenden Fingern kleben bleibt. Unter seiner speciellen Aufsicht stehen alle Knöpfe, Risse und Löcher der herrschaftlichen Garderobe, die er stets beim ersten Erscheinen ersetzen, stopfen, flicken und sticken läßt. In dem Junggesellen-Departement der Verzweiflung, nämlich abgesprungener Hemdenknöpfe, welche schon manchen Engländer so wüthend machten, daß er sich Knall und Fall verheirathete, ist der „Gopant“ den durchweg unverheiratheten englischen Nabob’s mehr, als das mikroskopisch aufmerksamste Weib. Jedes Kleidungsstück muß jeden Morgen vor seinen scharfen Augen Revue passiren. Der leiseste Verdacht einer schadhaften Stelle führt zum Schneider, der natürlich auch stets mit „schwarzer Post“ bezahlt wird. Tag und Nacht horcht er draußen in der Veranda, um auf das leiseste „Qui-hy?“ hereinzutrippeln und, wenn es ihm nicht gilt, den betreffenden dienstbaren Geist zu citiren. Namentlich ist er ein eben so sanfter, als geschickter Krankenwärter. Er wird für alle diese Dienste mit etwa 5 Thlr. monatlich belohnt, wobei die Sporteln natürlich nicht eingerechnet sind. Wenn er den Herrn principiell betrügt und plündert, thut er das auch nicht ohne Gegenvergütigung; er paßt auf wie ’n Luchs, daß ihm kein Anderer in dieses Handwerk pfusche. Unter den regierenden Classen Englands und Indiens ist das ganz anders: sie plündern alle, ohne daß dabei eine Krähe der andern die Augen aushackt. Der Gopant ist Banquier, feuerfeste Geldspinde, Assecuranz-Gesellschaft, Schloß und Riegel und bekömmt, außer was er sich selbst zu seinem Gehalte macht, noch alle abgelegten Kleidungsstücke, die er dem Herrn deshalb auch jeden Tag dringend als unfähig, die Glieder eines Gentleman zu decken, darzustellen weiß. Aus den Titulaturen, die ihm in der Hindusprache zugeworfen werden, wie „Hund, Schwein, Sohn einer Eule“ u. s. w., ja aus Fußtritten, die dort auch zum guten Tone gehören, macht er sich nicht viel. Sie sind von den Herren Engländern, welche dort „westliche Civilisation“ verbreiten, daran gewöhnt worden. Ein solcher Gopant wurde ’mal geprügelt, weil er beim Entschuhen des Herrn dessen Lieblings-Hühnerauge zu stark gedrückt zu haben beschuldigt ward.

Nach dem Gopant ist der „Khidmutscher“ oder Tafeldecker die Hauptperson unter den dienstbaren Geistern. Er ist Muhamedaner mit langem Bart und Haar, im schneidenden Contrast zu dem Hindu-Gopant, der bis auf eine Locke auf dem Wirbel oben und dem Schnurrbart stets Alles rasirt. Weiße, weite Beinkleider, weißer Schlafrock mit einer dicken Leibbinde und eine eierkuchenartige Kopfbedeckung charakterisiren ihn, noch mehr eine auffallende Feistigkeit, die beweist, daß der Tafeldecker vorher immer gut zu kosten weiß. Größere Herrschaften halten sich noch zu mehreren untern einen Obertafeldecker (Khausaman), der immer besonders langbärtig und dickleibig ist.

In der Küche ist der „Bowadschi“ oder Oberkoch König, der bei Zubereitung fabelhafter indischer Speisen dirigirt und im Kosten dem Khidmutscher zuvorkommt. In seinem Reiche der Küche sieht es immer furchtbar aus, riecht aber noch schlechter. Beide Eigenschaften der Küche werden gut cultivirt, um dem Herrn die Lust zu nehmen, jemals in die Geheimnisse dieser Hölle einzudringen. Unter dem Koche steht der Musaldschi (eigentlich Fackelträger), das Mädchen für Alles, aber als Junge, der aufwäscht, putzt, schabt und alle Sorten schmutziger Küchenarbeiten verrichten muß. Er liebt es, sich mit hohen Namen zu belegen, so daß er gewöhnlich Hyder (Löwe) oder Mirza[WS 1] (Mogul) gerufen wird. In der Regel hat er eine große Fertigkeit im Benaschen und im Zuckerstehlen. Spricht er dabei noch Englisch, ist er jedesmal ein abgefeimter Hallunke, weil er im langen Dienste und in fortgesetzter Unterdrückung „westliche Civilisation“ angenommen hat.

Im Ganzen ist das Küchendepartement unter Direction des Khidmutscher den ganzen Tag geschäftig. Mit Tagesanbruch, wenn die Morgen-Kanone donnert (die Beamten haben stets Gewehre und Soldaten und Kanonen um sich, um der Erhebung Indiens auf die Stufe „westlicher Civilisation,“ besonders aber der Erhebung von Steuern mehr Respect und Nachdruck zu verschaffen), muß fürs „Schota Hazarii“ (erste Frühstück), bestehend aus Thee und Toast, gesorgt werden. Nach dem Morgenritte muß „Luncheon“ zweites Frühstück, Fisch, Fleisch, Geflügel, Häring, Sardinen und eingemachte Früchte, fertig sein. Dies zu verzehren, kostet so viel Anstrengung, daß sich der Herr nur durch ein tüchtiges Diner davon erholen kann, nachdem er bis gegen 7 Uhr Abend mit Verdauung des Frühstücks zugebracht. Sehr oft ist der Herr zum Diner ausgebeten in eine benachbarte militärische Steuereinnehmungs-Station. In diesem Falle gürtet der Khidmutscher seine Lenden, bindet seinen wallenden Schlafrock in die Höhe, wickelt seinen Staats-Turban in ein Schnupftuch und begleitet den Herrn, um hinter dessen Stuhle die Honneurs zu machen. Jeder Gast hat seinen Khidmutscher hinter sich mit blinkendem Turban. Jeder Khidmutscher macht es sich zur Ehrensache, andere Khidmutschers in Bedienung seines Herrn zu übertreffen, so daß sie sich oft thatsächlich hauen und stechen, wenn zwei Khidmutschers zugleich auf Befehl ein und dieselbe Schüssel zu serviren sich beeifern.

Wenn er alle befohlnen Schüsseln errungen und die Tafel zu Ende ist, setzt er die Cigarrenbüchse hin, verschwindet mit andern Khidmutschers, schlägt die Schlachten noch einmal und raucht dann seine Pfeife, bis die Gesellschaft aufbricht. Hyder der Löwe ab. Dhoby tritt auf. Wer ist Dhoby? Der Wäscheschläger. Waschfrauen sind unter den Anglo-Indiern unbekannt, also auch das Waschen. Der Dhoby schlägt und drischt die Wäsche deshalb im nächsten Flusse oder Teiche so lange, bis sie ziemlich rein und ziemlich zerdroschen ist, so daß der Schneider, der immer in’s Haus kommt, jeden Knopf ersetzen und jede Wunde heilen muß, aber selten öfter als zweimal. Zum dritten Male kommt selten schmutzige Wäsche unter die Keule des Dhody. Ihm zur Seite im gesellschaftlichen Range des dienstbaren Hauptpersonals steht der „Bhiistii,“ Wasserträger, wörtlich „Bewohner des Himmels“ von Bihisht, Himmel, da Wasser im heißen Indien der Himmel auf Erden ist. Arm und Reich, Hoch und Niedrig, Schwarz, Weiß und Kupferfarbe, Alles planscht und plätschert jede müßige Stunde im Wasser umher. Der Wasserträger muß die Herren vom Stande zu Hause mit Wasser begießen und dabei auch dieses Element für die Küche und andere Dienstboten für 3 Sgr. täglich besorgen. Der „Sahip“ (Herr) setzt sich in einem Zelte auf einen Stuhl, und der Bhiistii öffnet seine ziegenledernen Schläuche über ihn hin. Das nennt man in Indien ein herrschaftliches Bad. Nur Crethi und Plethi gehen in’s Wasser selbst. Der Wasserträger ist ein Gläubiger Muhameds und trägt stets eine rothe Schürze. Den untersten Rang in den Diener-Kasten nimmt der Mehtur oder Kehrer ein, aus dem Kehricht Indiens, den Pariahs. Sein Orden ist der Besen, in dessen fegenden Functionen er sehr fleißig von Hunden, Krähen, Schakals und Reptilien unterstützt wird. Er ist der Verworfene. Aber „Niemand,“ sagt Longfellow, „ist so verworfen, daß er nicht könnt’ ein Herz gewinnen.“ Und so hat dieser Pariah fast stets nicht nur eine zärtliche, schmutzige Frau, sondern auch viele nackte, schmutzige Kinder, die wie Ratten in den Schlupfwinkeln des Hauses herum sich ihres Lebens mehr freuen, als der Sahip.

Jeder englische Beamte in Indien hat ein Pferd, also auch einen Seyii, Stallknecht, der stets bereit sein muß, dem fußfaulen Sahip das Pferd vorzuführen, wenn dieser auch nur hundert Schritte weit fort will. Auch der „Molly“ (Gärtner) gehört zu den unentbehrlichen Meubles, selbst wenn der Herr keinen Garten hat. Dies kommt ihm oft zu Gute, weil dann der Molly die besten Früchte und Blumen aus den Gärten anderer Leute stiehlt. Von den übrigen Dienerclassen, (dem Klassii, Zeltbauer, Cooli, Luftfächler, Pfarii, Hügelmann oder Führer in Gebirgen, dem Sänftenträger, Dschombu, und der weiblichen Ayah, dem Kindermädchen in Familien ließe sich noch Manches sagen, doch wird die Skizze schon genügen, uns zu einer Vorstellung zu verhelfen, daß die Engländer durch bloße Unterwerfung des schönen, braunen Indiervolks, durch Ausbeutung desselben in Müßiggang, Uebermuth und Dienstbotenluxus weder westliche Civilisation verbreiten, noch Halt oder wirklich Vortheil davon haben. Die Kriege um Indien haben viel zum Ruine Englands beigetragen. Die jetzigen Kriege mit China und Persien um dasselbe Indien können es nur noch mehr ruiniren, wenn sie nicht am Ende in den Verlust Indiens, in welchem sie keinen moralischen Halt gewonnen, auslaufen.




Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Miiza