Textdaten
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Autor: Red., Paul Thumann
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Titel: Professor Thumann
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aus: Die Gartenlaube, Heft 35, S. 563
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1870
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[563] Professor Thumann, der, wie unsern Lesern bekannt ist, im Interesse der Gartenlaube den Kriegsschauplatz und die Schlachtfelder von Weißenburg und Wörth bereist hat, schreibt uns: Auf allen von der deutschen Armee genommenen Positionen wurde, wie allseitig erzählt wird, von den Einwohnern Theil am Kampfe genommen und in Folge dessen sind viele derselben zu kriegsrechtlicher Verurtheilung gefangen genommen. Sie wurden zugleich mit denen, welche ihren Haß an Verwundeten und Wehrlosen durch Scheußlichkeiten ausgelassen – gebunden und unter Bedeckung transportirt. In Wörth lief eine Frau, Todesangst auf dem Gesichte, mit einem Papier herum, jeden Officier bittend, ihr dasselbe zu unterschreiben. Es war ein Attest über gute Führung ihres Vaters und Bruders, welche Beide wegen Theilnahme am Kampfe mit Anderen nach Sulz abgeführt waren und kurzem Richtspruche entgegensahen. Der Corpscommandeur hörte die Unglückliche an und erfuhr dabei, daß durch kaiserlichen Aufruf die Nationalgarde sich verpflichtet fühle, dem einrückenden Feinde entgegenzutreten, und daß ein kleiner Schein des Rechts auf Seite der nichtuniformirten Vaterlandsvertheidiger vorhanden sei und den deutschen Truppen an jedem Orte Aehnliches widerfahren werde. In wie weit diese Entschuldigung zur Begnadigung geführt, ist mir nicht bekannt; ähnliche Ereignisse wiederholten sich so oft, daß ein einzelner Punkt nicht zu verfolgen war, es ist aber vom Hauptquartier eine besondere, die Sachlage klar beleuchtende Proclamation erlassen worden, welche für weitere Fälle durchaus den Wege der Gnade auszuschließen scheint.

Unter den aus Wörth nach Sulz (dem Hauptquartier) wegen Theilnahme am Kampfe – dieselbe hatte natürlich nur aus gedeckten Stellungen stattgefunden und gewöhnlich hinterlistig den Einzelnen getroffen – eingebrachten Gefangenen befanden sich zwei regelrecht für’s Feld ausgerüstete Civilisten, Pariser, wie man sagte; ein ältlicher magerer graubärtiger mit interessantem Ausdruck und ein jüngerer Mann, dessen Gesicht etwas Verschwommenes und Ordinäres, dessen Erscheinung etwas Ausgestopftes zeigte. Die ganze Gesellschaft wurde von ihrer Wache gegen jede Thätlichkeit, die ihr von Seiten der leidenschaftlich erregten Mannschaften sicher gewesen wäre, geschützt, trotzdem lag auf allen Gesichtern eine ausgesprochene Todesangst, je nach dem Charakter des Einzelnen in verbissene Wuth, scheinbare Gleichgültigkeit oder haltlose Verzweiflung gekleidet. So wurden sie in das wohlverwahrte Ortsgefängniß gebracht und dort unter Wache gestellt, nachdem noch ein Officier den aufgeregten nachdrängenden Soldaten entschieden mitgetheilt hatte, daß Niemand sich in das Urtheil zu mischen habe, sondern daß die dazu bestimmte Obrigkeit das Ihrige thun, das Recht ausüben werde. Hier nun scheint der oben erwähnte, von französischer Seite gemachte Einwurf das summarische Verfahren gekreuzt zu haben, wenigstens war ich am zweiten Morgen in Sulz Zeuge, daß kurz vor Aufbruch des Hauptquartiers nach Märzweiler die beiden Pariser, vor dem Gefängniß stehend, die Weisungen eines Adjutanten mit frohen Gesichtern entgegennahmen und die größte Bereitwilligkeit ausdrückten, den Befehlen nachzukommen.

Zwei Correspondenten, vom „Figaro“ und dem „Gaulois“, waren in Wörth auf dem Kirchthurme abgeschnitten und haben so einen bösen Tag der Angst mitmachen müssen. Doch wurde ihnen vom Kronprinzen nach der Hand ein Passirschein ausgestellt) mit dem sie über Basel nach Hause reisen sollten, zugleich ist ihnen der Auftrag geworden, „Alles, was sie bis jetzt gesehen, gehört und erfahren, recht genau ihren Blättern mitzutheilen.“ Wenn man bedenkt, mit welcher Gemeinheit gerade diese beiden Blätter deutsches Wesen beschmutzt haben, mit welchen Lügen gerade sie ihre Leser bewirthet haben, so erscheint die Behandlung ihrer beiden Mitarbeiter als eine so edle, daß nur ein Mann wie der Kronprinz von Preußen sie ausüben konnte. – (Wie wenig die beiden „Mitarbeiter“ des Figaro und des Gaulois diese Behandlung verdienten und wie wenig sie sich auch derselben würdig zu machen suchten, geht aus Nachfolgendem hervor. Der Eine derselben, kaum nach Paris zurückgekehrt, hatte nichts Besseres und Eiligeres zu thun, als im „Figaro“ seinen Landsleuten in der schamlosesten Weise vorzulügen, der Kronprinz von Preußen habe ihm seine Bewunderung über das französische Heer rückhaltlos eingestanden und ihm zuletzt offen bekannt, daß er solche – nämlich französische – Truppen niemals anzugreifen den Muth haben werde, außer er befinde sich mit seinem – dem deutschen – Heere in bedeutender Ueberzahl. Wie groß ist doch selbst heute noch die Unverschämtheit dieser Pariser Lügenbeutel und wie klein, wie kindisch muß der Verstand des Volkes sein, dem man zumuthet, solche Windmacherei zu glauben       D. Red.)