Predigten für die festliche Hälfte des Kirchenjahres/Am Sonntag Judica 1836
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Joh. 13, 1–15 (siehe S. 264).
Von der Liebe JEsu im Fußwaschen, von Seiner Demut im Fußwaschen, von der Nachfolge JEsu im Fußwaschen haben wir gepredigt. Wenigstens noch einmal, heute nämlich will ich diesen Text vor mich nehmen und im Gegensatz zu den zwei letzten Predigten von JEsu und der Seinen Demut nun predigen von JEsu Hoheit und der Seinen Hochmut aus der Geschichte vom Fußwaschen.
Der Herr mit Seinem Geiste sei mit euch und mit mir! Um JEsu Christi willen! Amen.
Vor vierzehn Tagen haben wir die Demut unseres HErrn zuerst im Fußwaschen gefunden. Eben darin finden wir fürs erste Seine Hoheit. ER wäscht den Jüngern die Füße, bedient sie, wie ein Sklave; und da er sich vom Boden aufrichtet, ist Sein erstes Wort: „Ihr heißet mich Meister und HErr, und ihr sagt recht daran, denn ich bin’s auch!“ Damit macht er das Zeichen der Unterthänigkeit zum Zeichen der Herrschaft und gebietet auch allen denen, die groß und vornehm sein wollen in Seinem Reiche, Ihm darin nachzuahmen. Denn in Seinem Reiche ist eine Ordnung, welche im Vergleich dieser Welt gerade die entgegengesetzte und umgekehrte genannt werden muß. In dieser Welt nennt man die Gewaltigen gnädige Herren, im Reiche unsers Königs JEsu Christi werden die Ältesten wie die Jüngsten, die Größten werden die Kleinsten, und niemand ist geringer und kleiner geworden, als der ewige und große König, unser HErr JEsus Christus. Darum ist Er der Größte. Wie in einem Hause die Väter und Mütter die jungen Kinder bedienen und doch die Größten im Hause sind, so im Haus und Reich des HErrn: Er dient allen. Seine höchsten Engel haben nach Ihm den Vorzug, die Geringsten, die Kinder, zu bewahren und zu bedienen. Seine heiligen Apostel, die Fürsten Seines Reichs, die einst auf zwölf Stühlen sitzen und richten werden, sie gehen gleich Bettlern einher und predigen das Evangelium aller Kreatur. Sehet da ein Reich ohne Prunken, voll Wesen und Wahrheit, ohne Schein, voll äußerer Unscheinbarkeit, inwendiger Majestät. Da ist es nicht, wie in der Welt! In der Welt ist König, wer die Krone aufsetzt, daß sie schimmernd vom Haupte strahlt, hier ist König, wer sie ablegt, eines Knechts Gestalt anlegt und als Knecht die Füße seiner Knechte wäscht; und Demut heißt des Königs Glanz und Zier.
| Und wahrlich, es ist auch größer eine Krone ablegen, als eine Krone aufsetzen; nichts werden in der Welt, als ihres Preises sich freuen!Wir haben endlich vor vierzehn Tagen auch noch darin JEsu Demut gefunden, daß ER, obwohl erhöht auf Gottes Thron, dennoch sich ohne Unterlaß um alle und jede Seele kümmert, ihr nachgeht, sie mit dem Feuer Seiner Liebe beglücken will, daß ER es ist, der selbst gegenwärtig ist bei den menschlichen Handlungen der Kirche, daß ER die Kindlein tauft, daß ER die reumütigen Sünder absolviert, daß ER bei immer wiederkehrenden Sünden und Thränen der Buße der Seinen treuer Freund ist, sie immer aufs neue absolviert und ihnen die Füße wäscht, welche vom Wandeln staubig geworden sind, daß ER endlich sich selbst samt Seinem Leib und Blut zur Speise giebt. Alles das miteinander, in wenigen Worten zusammengefaßt, heiße nichts anders, als: ER ist es, welcher das Verdienst Seines Lebens und Sterbens den Menschen zueignet, ER hat ihnen Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geist erworben, und nun ist ER bemüht, es in die Seelen niederzulegen, und jede Seele wissen, erfahren zu lassen, was das ist: Christus für uns gekreuzigt, Christus für uns unter das Gesetz gethan.
Nun steht es keineswegs zu leugnen, daß eine solche Liebe, eine solche Demut des Hocherhabenen, welcher ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben, nach welcher ER sich herunterläßt, alle Seelen zu waschen, so befleckt, so schmutzig sie auch seien, anbetungswürdig ist. Aber es ist auch eine anbetungswürdige Größe darin verborgen. Denn es ist noch ein weiter Weg von der Erwerbung des Guts bis zur Zueignung. Hat Christus gleich alles erworben für alle, so ist doch der Mensch so arm, so schwach, so gefallen, daß er nicht einmal die Hand nach dem erworbenen Gute ausstrecken kann, und es nun allen geben, die Ihn segnen, daß sie thun, was ihnen befohlen ist, die Absolution segnen, die Predigt segnen, daß sie Frucht bringe: das ist nicht Menschenwerk, das ist Gotteswerk. Wer uns das Heil erworben, der kann es uns auch geben.| Es ist göttliches Werk, das wir erst auf den Knien erbitten müssen von Ihm, der’s allein kann. Über diesen letzten Punkt werden wir erst zur rechten Klarheit in dem neu beginnenden zweiten Teile von dem Hochmut der Jünger kommen. Denn dieser Hochmut kann nur fruchtbarlich in der Gegenüberstellung gegen die Hoheit JEsu betrachtet werden. Habet also Geduld, mir ferner zuzuhören.
Den Hochmut der Jünger zeigen wir insbesondere voran an dem Jünger Petrus.
Da der Herr den Jüngern allen die Füße gewaschen hatte, kam er, so scheint es, zuletzt zu Petrus. Dieser aber, der die Grundsätze des Reiches Jesu nach den Sitten maß, die in weltlichen Reichen Geltung haben, fand es unschicklich, daß der, welchen er noch in der Krone zu sehen hoffte, ihnen, seinen Unterthanen, die Füße wusch. Auch mochte wirklich ein Vergleich zwischen ihm selbst und seinem HErrn ihn zu dem Gedanken gebracht haben, daß er nicht wert sei, daß ihm von Christo die Füße gewaschen werden. Und nach seiner vorschnellen Natur, die einst schon bei der ersten Bekanntschaft mit Christo ihn gedrungen hatte, zu bitten: Gehe von mir hinaus, ich bin ein sündiger Mensch! die ihn gedrungen hatte, gleichfalls für des Herrn Leben zu sorgen, da er einige Tage zuvor auf der Herausreise nach Jerusalem gebeten wurde, zu rufen: „Herr, schone dein!“ rief er auch jetzt: „Du sollst mir ewig nicht die Füße waschen!“ Dies Benehmen Petri sieht nun, obenhin beschaut, aus, als wäre es eine demütige Scham, und es gefällt einem umsomehr, wenn man sich gegenüber den verstockten Judas denkt, der sich ganz ruhig von JEsu Christo die Füße waschen ließ, obwohl er sich in seinem Herzen bereits losgesagt und dem Satan übergeben hatte.
Als nun Petrus gesagt hatte: „Du sollst mir ewig nicht die Füße waschen!“ antwortete ihm der HErr: „Werde ich dich nicht waschen, so hast du kein Teil an mir.“ Diese Antwort JEsu änderte nun mit einmal Petri Herz ganz in die gegenteilige Meinung um. Wie er zuvor sich in Ewigkeit nicht wollte von Christo die Füße waschen lassen, so wollte er nun| auf einmal Hände und Haupt samt den Füßen gewaschen haben. Und auch diese Unbeständigkeit muß einem oberflächlichen Betrachter gefallen, denn sie scheint aus herzlicher Ehrfurcht und Begier mit Christo teil zu haben, zu fließen und ist gegenüber der Beständigkeit und Beharrlichkeit, welche jener schauderhafte Judas trotz Fußwaschen und Abendmahl bewies, einem Engel des Lichtes gleich. Sie erscheint als ein treues und beständiges Lieben des Herrn, welches sich auch nicht scheut, Irrtum einzugestehn und über der großen und heiligen Konsequenz treuer Wahrheits- und Jesusliebe einzelne Inkonsequenzen und Schwachheiten gerne zugiebt.Aber dennoch erscheint das Benehmen Petri bei genauerer Betrachtung nur als Stolz, und seine liebenswürdig scheinende Offenheit verbirgt eine Selbstsucht, welche auch ihn nur desto mehr unter die Sünde beschließt. Zuerst will er allein sich in Ewigkeit von dem HErrn nicht thun lassen, was die andern Jünger von dem HErrn erfahren hatten. Auch dann will er sich’s nicht thun lassen, als ihn JEsus mit Verweisung auf ein darunter verborgenes Geheimnis zur Stille bringen wollte. Hernach aber, da er erfährt, es sei ein Geheimnis der Liebe unter der Fußwaschung verborgen, und der habe teil an JEsu, welcher gewaschen werde, will er wieder nicht zufrieden sein mit dem Teil, den andere Jünger haben, will er mehr teil an JEsu haben als sie, will Haupt, Hände und Füße gewaschen haben. Immer will er eine Auszeichnung vor den Jüngern, selbst in der Handlung, welche jeden Rangstreit wegnehmen soll, will er etwas Besonderes haben, besser sein, als seine Mitjünger. Immer hat er seinen eigenen Willen, selbst JEsu gegenüber, welchen hoch zu ehren er doch gewiß im Sinn zu haben glaubte. Sein Benehmen ist eben Stolz, und er hat vergessen, daß stiller, unverweilter, vertrauensvoller Gehorsam bei weitem die beste Demut ist. Bei seinem Benehmen fällt einem das schöne Lied ein: Merk, Seele, dir das große Wort etc.
Dieser Hochmut in Form der Demut findet sich nun gar oft auch bei Gläubigen der heutigen Zeit und sonderlich, wenn man an die oben angegebene geistliche Bedeutung des Fußwaschens denkt. Denn ganz abgesehen von jenem groben| Hochmut, da der Mensch durch Buße und Almosen seine Sünde abzubüßen, das Versäumte nachholen zu können, aus eigner Kraft tugendhaft, ohne das Blut Christi gerecht zu werden glaubt, wie Heiden und Juden, ganz abgesehen von diesem Hochmut, den man am besten verschweigt, giebt es noch einen andern. Man nimmt nämlich zwar an, daß nur Christus für unsre Sünde genugthun, nur ER das Gesetz erfüllen konnte, daß ER Vergebung, Friede, Gerechtigkeit, Freude im heiligen Geist allein erwarten konnte, aber diese Güter des Heils zueignen, sich damit reinwaschen oder, was eins und dasselbe ist, durch herzlichen Glauben sich selbst und seine Seele damit stillen, das meint jeder selbst zu können. Viele hören das Wort von der allgemeinen Sündhaftigkeit und von dem einzigen Befreiungsmittel von derselben, das Wort von Buße und Glauben, und im Hui sind sie ihm beigefallen und reden ihm wieder das Wort, und, weil sie mit dem Munde es zugeben, bilden sie sich ein, sie hätten es ergriffen und geglaubt. Ehe sie es noch recht gehört haben, haben sie es schon aufgenommen, und ehe sie es verstanden haben, sind sie davon überzeugt, und ehe der Wind geblasen hat, triefen sie schon von der Morgenluft des Glaubens: sie rühmen sich, als seien sie mitten inne; sie sagen sich vor, wie’s gemeint ist. Alle Tage arbeiten sie, es fest zu halten, sie wollen sich es recht fest erglauben und bedenken nicht, daß im Leibe zwar arbeiten nützt, aber im Geiste niemand mit Laufen zum Ziele kommt. Ach, wie viele bringen es mit solcher blinden Mühe endlich dahin, daß sie wirklich meinen, sie hätten festen Glauben, und ist nichts weniger der Fall, als gerade dies. Kommt dann Sonnenhitze, gilt es, für seinen Glauben etwas zu leiden oder etwas zu entbehren, etwas aufzuopfern, so findet sich, daß ihr Glaube eine gemalte Quelle war, und gemalte Quellen, wenn sie auch allen Zauber der Darstellung hätten, sind doch dem Durstigen ein Greuel. Ja, der eingebildete Glaube, den der Mensch sich selbst angeschafft, ausgedacht, zugeeignet hat, der ist nichts, der bleibt vor der Trübsal nicht länger als der Schnee vor der Sonne.O, es ist ungemein schwer, keinen Willen haben, stille sein und den HErrn machen lassen. Es ist ungemein schwer, stille halten in friedlicher Geduld und also erwarten, was der Herr aus uns macht. Es ist ungemein schwer, sich an Seiner Gnade genügen lassen zu sollen, wo einem die Fortschritte in der Heiligung verborgen werden. Es ist ungemein schwer, der Verheißung trauen, welche die Gottlosen gerecht spricht. Es ist ungemein schwer, alle Einbildungen und Vorurteile von Ihm und Seinem Thun fahren zu lassen, alle Hoffnungen, alle Wünsche inwendig verstummen und von Herzen so ganz sich Ihm hingeben, daß er bloß hört, was ER sagt, bloß will, was ER will, bloß nimmt, was ER giebt, bloß thut, was ER befiehlt. Ach, wer das kann, wer dahin, nicht will ich sagen, gedrungen ist, sondern nur dringt, forteilt, unverweilt; wohl, wohl dem! In dem ist Demut, der ist nicht mehr hochmütig, in dem ist des HErrn Hoheit auf den Thron gekommen und herrscht. Bis es dahin kommt, muß unser alter Mensch in seinen stolzen, eigengerechten Bemühungen schon sehr ermüdet worden sein durch von Gott gelegte Hindernisse, ach bis dahin braucht es eine große, sieghafte Gnade des heiligen Geistes, tiefeindringende, unwiderlegliche Beweise Gottes von unsrer Sünde, unsrer Ohnmacht, kräftige Züge zu Ihm und viel, sehr viel Vergebung! Wie oft hatte Petrus seinen eigenen Willen, wie oft war er fürwitzig! Noch am andern Tage verhieß er JEsu Treue bis in Bande und Tod, und wenige Stunden darauf schwor er die Treue ab! Viel Thränen, Kummer und Reue bedurfte es, bis er auf die dreimalige Absolution am See Liberias stille wurde und Mut gewann, bei JEsu Allwissenheit ohne Übertreibung zu schwören, daß er Ihn liebe und nicht mehr herrschen, sondern Schafe und Lämmer weiden wolle! Seliges Ziel, im Glaubensweg, voller Friede der Vergebung gehen, wert, um Demütigkeit und Demut zu beten, denn nur durch Demütigung macht ER uns groß, der selbst in seiner tiefsten Demut so groß ist!
Ach! JEsu, JEsu! Amen. Amen.
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