Poscia ch'Amor del tutto m'ha lasciato

Textdaten
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Autor: Dante Alighieri
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Titel: Verlassen hat mich ganz und gar Frau Minne
Untertitel:
aus: Die unbekannten Meister – Dantes Werke, S. 91–93
Herausgeber: Albert Ritter
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1922
Verlag: Gustav Grosser
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer: Albert Ritter (Karl Förster, Karl Ludwig Kannegießer)
Originaltitel: Poscia ch’Amor del tutto m’ha lasciato
Originalsubtitel: {{{ORIGINALSUBTITEL}}}
Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: {{{KURZBESCHREIBUNG}}}
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[91]
Verlassen hat mich ganz und gar Frau Minne

(Zu meinem Schmerz:
Denn inne       ward ich niemals solcher Wonne,
Weil ihres Mitleids Sonne

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Umstrahlte mir das Herz;

Drum wollte seinen Klagen sie nun wehren).
So heb’ ich an – von Minne frei – zu singen
Von schlimmen Dingen;
Denn ringen       will ich mit dem Brauch der Toren

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Die sich so weit verloren,

Ein schönes Wort voll Ehren –

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Galanterie – zu brauchen, die so schön,

Daß sie selbst zu erhöh’n
Vermag des Königs Pracht dort, wo sie waltet.

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Sie hat den Sinn gestaltet,

Der uns bedeutet, wo die Tugend wohnt.
Drum weiß ich auch, wenn ich dies gut verfechte,
Wie es mich dünkt das Rechte,
Daß Minne mir mit ihrer Gnade lohnt.

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Wohl wähnen manche, die ihr Gut verschwenden,

Sie könnten doch
Durch Spende       zu den Guten wohl gelangen,
Die in Erinnrung prangen
Auch nach dem Tode noch

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Im Geiste derer, die der Weisheit pflegen.

Doch ihre Art kann Gute nicht verblenden,
Die’s weise fänden,
Verständen       sparsam sie, Verlust zu meiden:
Denn sicher ist dies Leiden

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Und trifft den allerwegen,

Der sich zu solcher Torheit dreist bekannt.
Wird Sünde nicht genannt
Die Völlerei? Wird Schlemmen nicht gescholten,
Und Putzen – gleich als wollten

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Sie auf den Markt der Torheit, jedem feil?

Der Weise wird auf Kleider gar nichts geben:
Das ist nur Tand. Doch eben
Dem Geist und Adel wird sein Lob zuteil.

Noch andre woll’n durch stets lächelnde Mienen –

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Als gar bedacht –

Verdienen       sich den Ruf, geistvoll zu sein.
Und manche täuscht der Schein:
Sie sehen ja belacht,
Was ihr Verstand nicht konnte noch durchschauen.

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Sich eitlen Gangs, gezierten Worts bedienen, –

Schön hat das ihnen

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Geschienen,       schmeichelt’s doch des Pöbels Triebe.

Sie fühlen niemals Liebe
Für liebenswerte Frauen;

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Sie reden nur in faden Späßen mit

Und machen keinen Schritt,
Den Frau’n zu huldigen nach Ritterweise;
Gleich Dieben gehen leise
Auf Raub sie aus, zu frönen schnöder Gier.

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Doch Frauen sind für ritterlich Gebaren

Noch nicht so unerfahren,
Daß sie so geistlos wären wie ein Tier.

Wohl stellten also sich des Himmels Kreise,
Daß Galanterie

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Nicht weise       scheint (mehr will ich gar nicht sagen!).

Doch ich bin drin beschlagen
Dank einer Fraue, die
So hold sie mir gezeigt in ihrem Wesen,
Daß ich nicht schweige. Denn ich schien’ mit Recht

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Feige und schlecht

Es brächt’       den Ruf mir, ihrem Feind zu gleichen.
So will ich denn erreichen,
In Reimen auserlesen
Sie zu bezwingen; lauscht mir jemand hier?

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Ich schwöre denn bei ihr,

Die Minne heißt und uns kann Segen bringen:
Nur dem wird Lob erklingen,
Das wahrhaft ist, wer selber Tugend wahrt!
Kann meines Liedes Stoff als gut bestehen –

75
Wie jeder wird gestehen –

Dann ist es Tugend, der sich Tugend paart.

Verkomm’ne Tugend gleicht niemals der reinen!
Entehrt, verfemt mit Recht, –
Erscheinen       darf sie nicht, wo höchster Tugend Streben:

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Wo geistig, fromm will leben

Ein ehrenhaft Geschlecht;

[94]
Auch der Gelehrten Kleid soll falsche Tugend meiden;

Und bringt sie Rittern Lob im allgemeinen,
Muß sie sich einen

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Mit feinen       Sitten, und so ist erwiesen:

Gut müßte sie wohl diesen,
Doch schlecht den andern kleiden.
Indes die reine Tugend jeden schmückt.
Denn Liebe, die beglückt,

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Und frohe Tatkraft muß sich ihr gesellen.

Denn das sind erst die Quellen,
Daraus entspringt des Rittertums Gehalt;
So muß der Sonne Wesen sich ergänzen
Durch Glut und lichtes Glänzen

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Samt ihrer schönen herrlichen Gestalt.


So ist sie gleich dem größten der Planeten:
Vom Anbeginnn
Im steten       Laufe bis zu seinem Sinken
Gießt seiner Strahlen Blinken

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Rings Kraft und Leben hin

Auf alles, was bereit, sie zu empfangen.
Sie muß die vielen Leute ja verachten,
Die frech verlachten
Das Trachten       wahrer Menschheit, der sie gleichen.

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Wie Früchte, die abweichen

Von ihrer Blätter Prangen.
Denn edlem Sinn wird Gutes nur zuteil:
Sie bringt dem Leben Heil,
Und weiß mit Mut für Taten uns zu segnen,

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Die stündlich uns begegnen.

Die Tugend ist’s, die man durch sie erreicht.
Ihr falschen trotz’gen Ritter, weicht von hinnen!
Ihr wollt ihr Böses sinnen,
Die doch der Fürstin der Gestirne gleicht.

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Der Mann, der ihr gehört, empfängt und spendet

Und klagt doch nie.

[95]
So sendet       auch die Sonne Licht den Sternen,

Und wieder aus den Fernen
Nimmt deren Hilfe sie,

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Und allen beiden dient’s zu Lust und Frommen.

Nie bringt ihn je ein Wort in Zornesglut:
Nur wenn es gut,
Dann ruht       es fest in seinem Sinn. Gewählt
Ist das, was er erzählt.

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Um seiner selbst willkommen

Ist er den Weisen, lieb und wohlgelitten.
Von jenen ohne Sitten
Schätzt er das Lob so wenig wie den Tadel.
Nicht hoher Rang noch Adel

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Macht je ihn stolz; doch stets ist er bereit,

Beweise seines Mutes zu erbringen:
Dann wird er Ruhm erringen. – – –
Wie anders lebt man doch in unsrer Zeit!