Pomologische Monatshefte:1. Band:8. Heft:Sollen wir unsere Obstbäume durch Aussäen von Kernen vorzüglicher Früchte, ohne Veredlung heranzuziehen suchen …?

Pomologische Monatshefte
Band 1, Heft 8, Seite 359–372
Johann Georg Conrad Oberdieck
fortgesetzt von:
Pomologische Monatshefte:1. Band:7. Heft:Sollen wir unsere Obstbäume durch Aussäen von Kernen vorzüglicher Früchte, ohne Veredlung heranzuziehen suchen …?
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Notiz über die Winter-Apothekerbirn
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Erfahrungen und Rathschläge bei Anfertigung von Probe- und Sortenbäumen
[359]
Sollen wir unsere Obstbäume durch Aussäen von Kernen vorzüglicher Früchte, ohne Veredlung heranzuziehen suchen, oder muß die Anzucht veredelter Obstbäume, als allgemeine Regel, stets beibehalten werden?
Vom Superintendent Oberdieck.
(Schluß.)

Das der Satz, daß aus den Kernen edler Obstsorten meistens schlechtere Früchte entständen, als die Muttersorte, von manchen Pomologen geleugnet worden sey, ist eben erwähnt worden, und haben wir ausführlicher dargelegt, wie namentlich Knight und noch mehr Hr. v. Mons der Ansicht waren, daß es gelingen müsse und werde, durch Erzielung mehrerer auf einander folgender Generationen von einer Frucht, es dahin zu bringen, daß in 4ter, 5ter, höchstens 6ter Generation nur lauter sehr edle, werthvolle Früchte producirt würden. Er ist bis zu seinem Lebensende dieser Ansicht, wie sowohl aus einem Schreiben an mich, als aus dem vorhin gedachten an Millot gerichteten und aus andern Nachrichten hervorgeht, treu geblieben, und scheint sie dadurch verstärktes Gewicht zu erhalten. Fragen wir indeß die Erfahrung und die bis jetzt gewonnenen Resultate der Anzucht von Obstsämlingen, nachdem in Folge der gehegten Erwartungen wohl bereits weit über eine Million Sämlinge erzogen und diese Erziehung von mehreren Männern im Großen und theilweise selbst planmäßig betrieben ist, so läßt sich nicht verkennen, daß Erfahrung und gewonnene Resultate, so höchst Schätzbares diese auch im Einzelnen geliefert haben, doch zu den gehegten Erwartungen ein entscheidendes Nein! sprechen. Wir müssen die gewonnenen Erfahrungen etwas im Einzelnen, wenn auch nur kurz zu überblicken suchen.

Diel, der mit Fleiß und Mühe alles gesammelt und geprüft hat, was in neuerer Zeit von Kernobstsorten gewonnen worden ist, auch selbst viele Sämlinge erzog, erinnert in seinen Schriften oft, wie wenig man daraus rechnen könne, beständig gute und wahrhaft vorzügliche Früchte durch die Kernsaat zu gewinnen, und bemerkt z. B. bei dem Apfel Geiger’s Prinzessin Auguste (H. 26, S. 53): „Möchte man doch von jeder Aussaat nur einen Sämling von diesem Werthe erhalten!“ Ganz mit dieser Ansicht übereinstimmend, spricht sich der, vielleicht letzte, über diesen Punkt unter uns publicirte Aufsatz von einem Mitgliede der Altenburger pomologischen Gesellschaft (s. deren Annalen von 1854) aus, dessen Verfasser behauptet, Tausende aus edlen Kernen hervorgegangene Obstsämlinge zu kennen, aber mit wenigen Ausnahmen, wo auch besserer Boden und wärmere Lage zwischen Gebäuden oder gegen Mauern mitgewirkt hatten, kaum eine wirklich vorzügliche Frucht darunter bemerkt zu haben. Auch an absichtlichen Versuchen fehlte es nicht, die in dieser Hinsicht gemacht worden sind. Truchseß z. B. erzog, um zugleich einige Gewißheit über die Geschlechter des Kirschbaums zu erhalten (s. Einleitung zu seinem Kirschenwerke, S. 40), eine beträchtliche Anzahl Kirschbäume aus Kernen der edelsten Sorten, mit sorgfältiger Bezeichnung der Varietäten, wovon die Steine genommen waren, auch von vielen Sorten. Nachdem [360] diese trugen, heißt es, waren die meisten Früchte schlecht, jedoch auch ein gut Theil besser, als manche von unsern Pomologen (im Teutschen Obstgärtner) in’s Publikum gebrachte Früchte; jedoch nur drei fanden sich darunter, die man einer weiteren Fortpflanzung für würdig hielt. Ich selbst habe auch wohl 50–60 Sämlinge von den schätzbarsten Kirschenvarietäten herangezogen; es fand sich darunter mehr als ein Dutzend, die gute Früchte lieferten, sich auch sehr tragbar zeigten, und vor 50 Jahren, wo es an guten Kirschen noch fehlte, vielleicht der Vermehrung würdig erachtet worden wären; aber, wie keine Sorte darunter fiel, die vor bereits bekannten Varietäten irgend bemerkliche Vorzüge gehabt hätte, so fanden sich auch manche mit kleinen, schlechten Früchten, und darunter waren mehrere, die durch ihr großes Blatt und ihren raschen Wuchs meine Erwartungen besonders rege gemacht hatten. In der Baumschule des Herrn Lieke zu Hildesheim trugen vor etlichen Jahren, wo ein günstiges Kirschenjahr war, wohl reichlich 500 aus edlen Kernen erzogene, bis zur Krone bereits herangewachsene Kirschstämme; doch fand derselbe nur 4–5 darunter, die wirklich vorzüglich zu seyn scheinen, und doch erst noch die Probe bestehen müssen, ob sie, auf andere Stämme veredelt, ihre ursprüngliche Güte behalten. – Ueberhaupt ist verhältnißmäßig die Zahl der in Deutschland gewonnenen, edlen Früchte, zu der Zahl der herangezogenen Sämlinge, wenn man auch alles zusammennimmt, was die letzten 50 Jahre bei uns Edles erzielt haben, sehr gering, und viele der besten in Deutschland gewonnenen Früchte verdankt man nicht einmal einer absichtlichen Anzucht, sondern fand sie irgendwo auf. Schätzbare Pflaumen haben wir in letzterer Zeit, besonders durch Hrn. Dr. Liegel’s Bemühungen manche erhalten, und dabei zugleich schon eine Anzahl Sorten kennen gelernt, die sich ächt aus dem Stein reproduciren, wie Große grüne Reineclaude (von der freilich Hr. v. Mons behauptet, daß sie nicht gern nacharte, während er rühmt, wie andere Pflaumensorten fast immer edle Früchte geliefert hätten, was man bei uns nicht fand). In England hat man in neuerer Zeit viele schätzbare Aepfel erzogen, dagegen wenige Birnen; während in Belgien das umgekehrte Verhältniß stattfand, was uns schließen läßt, daß auch Boden und Klima auf die Gewinnung glücklicher Resultate einen merklichen Einfluß haben, und mithin bei uns gleiche Versuche wahrscheinlich noch nicht einmal von gleichem Erfolge gekrönt seyn würden. Aber was ist auch in England verhältnißmäßig das Resultat, das selbst Knight’s planmäßig und mit Zuhülfenahme absichtlicher und berechneter Kreuzung angestellte Sämlingszuchten zu Wege gebracht haben! Er hat ein paar Dutzend gute neue Früchte gewonnen, und darunter ist doch noch eine Anzahl, wie sein Yellow Ingestrie und andere von nur mittelmäßigem Werthe! – Doch treten wir näher zu den Bemühungen des Hrn. van Mons heran, die das Großartigste geleistet haben, was in der Sämlingszucht bisher noch unternommen ist. Man schätzt die Zahl der nach und nach von ihm in aufeinander folgenden Generationen erzogenen Sämlinge auf 100,000. Nun rühmt er, daß der Apfel sich bei ihm schon in der 4ten Generation constant vorzüglich reproducirt habe, und er eben so viele edle Apricosen, Pfirsiche und Pflaumen gewonnen habe, während er gesteht (wenigstens noch 1823), daß es mit der Birne ihm noch nicht eben so gut gelungen sey, die in der Mehrzahl noch Schlechtes hervorbringe. [361] Indeß hat er doch sehr wenige eigentlich vorzügliche Aepfel in’s Publikum gebracht, worin theils mit ein Beweis gefunden werden mag, wie schwer es hielt, in dieser Obstklasse Besseres zu erzielen, als schon vorhanden war, und viele seiner gewonnenen Aepfel sind von sehr untergeordnetem Werthe; wie auch nur wenige von ihm gewonnene Apricosen, Pfirsichen und Pflaumen sich erhalten haben. Rechnen wir aber auch die von ihm gewonnenen, wirklich schätzbaren und der Ueberlieferung auf die Nachwelt würdigen Birnen zusammen, so kommen, wenn man auch alles zusammenzählt, was man in Belgien aus seinen zerstreuten, theils untergegangenen Pflanzungen, und von Reisern, die er in Belgien, Frankreich und Deutschland verbreitete, nach und nach wieder zusammensammelt, gewiß noch nicht 200 wahrhaft schätzbare Birnsorten heraus, mithin etwa 3 wahrhaft schätzbare Früchte unter 1000!! Er selbst freilich glaubt vielleicht ein paar tausend edle Birnsorten gewonnen zu haben, und blieb dabei, daß die Stämme seiner letzten Generationen auch unter den Birnen nur edle Früchte liefern würden, wie er auch mir noch im Jahre 1837 schrieb. Aber es ist bereits anerkannt, daß er in zu großer Vorliebe für seine Zöglinge und befangen in seiner Theorie, die Kategorie „vorzügliches Obst“ etwas gar weit faßte. Unter den mehr als 300 Birnsorten, die ich in 2 Sendungen 1834 und 1837 von ihm erhielt, blieben, wenn ich die darunter befindlichen älteren, durch Diel schon bekannten Varietäten, abziehe, doch noch 220–250 Sorten, die ich wohl als von seinen letzten Kernzuchten herstammende Früchte ansehen konnte, und nach dem kräftigen und sehr verschiedenen Wuchse viel davon erwartete. Nachdem sie in Nienburg auf einem sehr gesunden Probebaume und in günstiger Lage 15 Jahre lang vegetirt hatten, fand sich darunter eine Anzahl, die noch gar nicht geblüht hatte, andere, die jährlich blüheten, ohne anzusetzen, noch weit mehrere, die kleine, werthlose Früchte brachten, und keinen andern Vorzug hatten, als höchstens reichliche Tragbarkeit, und nur etwa 20 habe ich darunter gefunden, die des Aufbewahrens wirklich werth sind, und sich theils doch vielleicht unter anderen Namen noch wiederfinden! Daß man auch in Belgien manche derartige Erfahrung machte, mag daraus hervorgehen, daß gegen Hrn. Garten-Inspektor Jühlke[WS 1] (wie derselbe in seiner Schrift: die Fortschritte des Gartenbaus in den letzten 10 Jahren berichtet), in Belgien Urtheile gebildeter Personen laut wurden, daß man die von Herrn van Mons erzogenen Früchte gar nicht wolle, was, wenn solche Urtheile auch etwa theilweise auf Unkunde des von ihm gewonnenen wirklich vorzüglichen beruheten, doch beweisen mag, daß man von ihm allzuviel Mittelgut oder Schlechtes erhalten hatte, und selbst bei besseren Früchten öfter die Erfahrung machte, daß sie in verändertem Boden und Lage doch nicht den davon prädicirten Werth behielten. Das günstigste Ergebniß über die von Hrn. van Mons erzielten Erfolge findet sich in der unlängst erschienenen Ankündigung der in Belgien, zu verdienter Ehre des Hrn. van Mons gegründeten, nach seinem Namen benannten Societät; (siehe unsere Monatsschrift Heft 2, S. 66). Bivort hatte die nachgelassene, in etwa 10,000 Stämmen aller Größe bestehende Baumschule des Hrn. van Mons angekauft, und erfahren wir aus der gedachten Ankündigung, daß diese Stämme meistens aus der 9ten bis 13ten von Hrn. van Mons erzielten Generation herstammen. 245 Sorten darunter hatten 1854 getragen; darunter waren 61 ausgezeichnete Früchte; [362] 110 andere gaben auch mehr oder weniger beachtenswerthe Früchte, die noch in weiterer Prüfung bleiben, 74 aber Obst von geringer Güte. Es wird sicher am Gerathensten seyn, die 110 von zweifelhaftem Werthe gebliebenen Sorten, einzelne höchstens ausgenommen, nur nicht weiter zu verbreiten, und selbst die 74 vorzüglich edlen werden ganz sicher bei ihrer weiteren Verbreitung lange noch nicht in jeder Lage und Boden wirklich Vorzügliches liefern. Ist selbst dieß günstigste Resultat hinreichend, um darauf die Hoffnung zu gründen, durch Kernsaat, bei noch immer fortgesetzten Generationen, endlich durchweg sehr Edles und überall Brauchbares zu erhalten, um die Anzucht veredelter Stämme darüber aufgeben zu können?

Wir hegen bescheidene Zweifel! Wohl möchte man, wenn man in Lindley’s Theorie der Gartenkunde[WS 2] die beiden Kapitel von Erhaltung und von Verbesserung der Raçen durch Samen lieset, die in kurzer Fassung wohl mit das Instructivste enthalten, was über diesen Punkt geschrieben ist, sich der Ansicht hingeben, daß das gedachte Ziel zu erreichen seyn müsse. Haben wir durch den fortgehenden Einfluß der Cultur so manche edle Kornart, so viele werthvolle Gemüse etc. erhalten, – (unsere Radiese und Möhren z. B., indem man unter Sämlingen dieser Pflanzen in kultivirtem Erdreich diejenige Pflanze zu weiterer Samenzucht allein auswählte, die zuerst einen Ansatz zur Verdickung ihrer Wurzel zeigte, und unter den von dieser gezogenen Sämlingen wieder nur den behielt, bei dem die Wurzel sich schon noch weiter verstärkt hatte, und so fort, bis Radies und Möhre, wie sie jetzt sind, gewonnen waren;) ist es uns gelungen, durch fortgesetzte Cultur und nöthige Präkautionen bei der Samenzucht es dahin zu bringen, daß unsere Kornarten und Gemüse sich constant auf der erreichten Culturstufe erhalten, und höchstens ausarten, wenn sie in zu unpassenden Boden kommen, oder unter uns zum Theil noch unbekannten Einflüssen, (wie z. B. der Brüsseler Sprossenkohl nach einem Berichte des Hrn. van Mons, in Mecheln und nur da, in drei Generationen ganz ausartete, aber ebenso aus Samen von den ausgearteten Pflanzen, den van Mons nach Brüssel zurücknahm, um Vergleiche damit anzustellen, in drei Generationen wieder seine frühere, rechte Beschaffenheit annahm; Lindley Theorie, S. 371); sollten wir Gleiches nicht auf dem bisher betretenen Wege bei den Obstfrüchten, vielleicht bei noch zweckmäßigerem Verfahren, als das bisherige war, auch erreichen können? Daß wir auch bei der Anzucht von Obstsämlingen manches gegen das bisherige Verfahren noch verbessern, planmäßiger anfangen und namentlich eine absichtliche, planmäßige Kreuzung mehr benutzen könnten, ist wohl gegründet. Wahrscheinlich hat nicht bloß das Klima, sondern auch der Boden und die warme Lage, worin die Kerne beim ersten Keimen gezogen werden, auf die günstige Entwicklung des Sämlings und die nachherige Güte der Frucht merklichen Einfluß, wie das die schon obgedachte Schrift in den Annalen der Altenburger pomologischen Gesellschaft von 1854 zu erweisen sucht, und wir könnten darin also noch sorgfältiger seyn und Manches verbessern, wenn gleich wieder manche andere Erfahrungen dafür sind, daß die ganze künftige Anlage des Sämlings mit Bildung des Samenkorns abgeschlossen sey, und der bessere Boden, in den man säet, höchstens eine üppigere Entwicklung des Sämlings erzeugen, nicht aber etwas erst hineinlegen könne, was nicht schon [363] vorher darin angelegt war.[1]. Mehrere haben behauptet (z. B. Cabanis, wie der Uebersetzer des gedachten Lindley’schen Werkes, Treviranus, in einer Note zu S. 360 anmerkt und hinzusetzt, daß Cabanis seine Wahrnehmung zu oft gemacht habe, als daß sie nicht Grund haben sollte, wenn gleich ich gestehe, meinerseits unerachtet dieser Bemerkung, [364] des wackern Treviranus doch nicht ganz gläubig zu seyn), daß die Obstfrüchte weit weniger der Muttersorte nacharteten, und mehr ein Princip der Veränderung zeigten, wenn Kerne von veredelten Stämmen genommen seyen, auf die der Grundstamm ändernd influire, als wenn sie von Bäumen kämen, die wurzelächt erzogen waren. Andere, z. B. Medicinalrath Bode in Stuttgart, haben angerathen, man solle Reiser und Kerne von Obst nach Amerika senden, um sie in dem dortigen, überaus günstigen Klima und Boden eine höhere Stufe der Cultur erlangen zu lassen und veredelt von dort zurückzunehmen, und waren der Ansicht, daß unsere Obstfrüchte bei uns wohl weniger nacharteten, weil sie eigentlich einem wärmeren Klima angehörten. Und vielleicht könnte Herr van Mons etwas geringeren Erfolg gehabt haben, wenn er wirklich öfter seinen obgedachten Grundsatz befolgte, die Kerne nicht gerade von den gewonnenen edelsten Varietäten, sondern häufiger von mittelmäßig guten, wenn nur gleichfalls schon neu generirten Früchten zu nehmen, weil die Birne die raschen und auffallenden Uebergänge liebe, und die edelsten Früchte häufig nicht recht vollkommene Kerne hätten. Unsere berühmten deutschen Georginenzüchter, die mehr erzielt haben, als Hr. Vandonkelaar, befolgen, so viel ich weiß, das Princip nicht, den Samen von halbgefüllten, wenn sonst nur gesunden und gutgebauten Blumen zu nehmen, und auch Lindley in seinem gedachten Werke S. 205 sagt: jedem Floristen sey es bekannt, daß halbgefüllte Anemonen, Ranunkeln und ähnliche Blumen, selten gefüllte Sorten gäben, während der Same von den letzteren ebenso selten (?) halbgefüllte Spielarten hervorbringe. Und gewiß hatte Knight recht, wenn er (Lindley S. 377), um recht edlen Samen hervorzubringen, die Forderung machte, daß ein Obstbaum, von dem man Samen nehmen wolle, der recht werthvolle Früchte producire, wenigstens 2 Jahre in Erdreich von der besten Qualität müsse gewachsen seyn, daß während dieser Zeit man ihm nicht gestatten dürfe, sich durch einen bedeutenden [365] Ertrag von Früchten zu erschöpfen, vielmehr besonders dem zur Samenzucht bestimmten Zweige nur wenige Früchte lassen dürfe, damit diese und ihre Samen desto vollkommener auswüchsen; daß das Holz des vorhergehenden Jahres vollkommen (nöthigenfalls selbst durch künstliche Wärme), zeitig im Herbste gereift seyn müsse, auch die erzielte Frucht recht ausreifen müsse, und daß, wenn man eine Frühreife der Frucht der neuen Samenpflanze verlange, die Frucht, welche diesen Samen liefern soll, ihre Zeitigung in einer möglichst kurzen Periode erlangen müsse, ohne daß sie von ihrer Größe und ihrem Wohlgeschmacke etwas einbüße; wie er außerdem, um eine recht kräftige Nachkommenschaft anzuziehen, anräth, die schönsten, dicksten Kerne auszuwählen (von Pfirsichsteinen mit 2 Kernen sah er z. B. schlechte Früchte fallen), und sich der Kreuzung in einer Weise zu bedienen, daß väterliches und mütterliches Individuum nicht in zu enger Verwandtschaft mit einander ständen.

Aber gesetzt, wir kämen durch diese und ähnliche Mittel und angewandten noch größeren Fleiß, auch planmäßigeres Vorschreiten zuletzt noch zu weit glücklicheren Resultaten, als bis jetzt erzielt sind, sieht nicht Jeder ein, daß alle diese Mittel zur Erzielung eines bessern Samens bei den Obstbäumen zu wenig in unserer gehörigen Gewalt sind, zu kostspielig sein und zu vielen Zeitaufwand etc. erfordern würden, um sie jemals für die Obstbaumzucht im Größeren anwenden und auch nur den fünfzigsten Theil der jährlich erforderlichen Stämme dadurch gewinnen zu können? Und dann! sollte man nicht glauben, daß, wenn die bei unseren Kornarten und Gemüsen erfolgreichen Proceduren, wodurch wir veredelte Spielarten erlangt haben und diese auf der erreichten Culturstufe erhalten, in vollem Maße auch auf unsere Obstfrüchte anwendbar wären, wir wenigstens, bei so gewonnenen Samen, daß er nicht durch in der Nähe befindliche schlechte Varietäten verdorben werden konnte, sondern aus Pflanzungen von lauter edlem Obste entnommen wurde, längst so weit gelangt seyn müßten, daß mindestens die erzogenen Sämlinge keine schlechten Früchte mehr lieferten, wie doch noch so häufig vorkommt? Wird Willdenow’s[WS 3] Eingangs gedachter Grundsatz nicht ganz richtig seyn, daß, während manche unserer Culturgewächse eine Geneigtheit zeigen, auf der ihnen verschafften Culturstufe, bei fortgesetzter gehöriger Pflege, ohne merkliche Abänderungen stehen zu bleiben, die Natur dagegen in andere, und so namentlich in unsere Obstsrüchte ein Bestreben oder Geneigtheit zur Abänderung und zum häufigen Zurückschlagen durch Samen in die Urform hineingelegt habe? Hat eine Pflanze, sagt auch Lindley (S. 362), das Bestreben, von ihrer ursprünglichen Beschaffenheit abzuweichen, so hat sie dessen noch weit mehr, zu ihrem wilden Zustande zurückzukehren, und so sehen wir ja gleiche Erscheinungen, als bei unsern Obstfrüchten, auch bei manchen Blumen, während es wieder (Lindley, S. 391, Note) andere schön gefüllte Blumen gibt, die durch alle schlechte Cultur nicht dahin zu bringen waren, wieder einfach zu werden, und also mit unsern Kornarten und Gemüse das Beständigbleiben der gewonnenen Abänderung theilten. Bisher ist es bei dem sorgfältigsten Verfahren und durch allerlei versuchte Mittel, noch nie gelungen, unsere Levkojen dahin zu bringen, daß wir aus Samen lauter gefüllte Stöcke erhielten, und durch geringe Verschlechterungen oder Mißgriffe in der Cultur der Samenpflanzen kommt es oft dahin, daß die Mehrzahl der Sämlinge wieder in’s Einfache schlägt. [366] Welcher Fleiß ist auf unsere Dahlien verwandt, sind in wie vielster Generation erziehen wir sie wohl schon?! Dennoch müssen die Georginenzüchter immer große Quantitäten sorgfältig erzielter Sämlinge anbauen, um darunter nur eine verhältnißmäßig kleine Anzahl vollkommen schöner Blumen zu gewinnen. In wie vielster Generation erziehen wir wohl schon unsere Nelken, Aurikeln und Ranunkeln, und welcher Fleiß ist auf sie gewandt! und doch fällt, wenn auch der Same mit noch so großer Sorgfalt gewonnen war, unter 100 Sämlingen oft kaum eine einzige recht schöne Blume, und wie viele sind der Beachtung nicht werth oder gehen in die Urfarbe, oder in’s Einfache zurück. Ich habe immer gern schöne Stockrosen gehabt, und suchte mir den Samen sorgfältig von den schönsten und gefülltesten Blumen zu ziehen, entfernte auch gleich beim Aufblühen alle einfachen oder überhaupt schlechten Blumen, und doch habe ich es nie erreicht, mehr als 2/3 recht schöne Blumen unter neuen Sämlingen zu erzielen. In Bardowick und Sulingen hatte ich eine ausgezeichnete Sammlung von Topf-Aurikeln, entfernte aus dem Garten alle schlechten, sowie sie aufblüheten, wie überhaupt in der Nähe andere Aurikeln nicht waren, zog jährlich Hunderte von Sämlingen in passender Erde heran, und war stets zufrieden, wenn unter 400 Sämlingen 20–30 völlig schöne Blumen sich fanden. Wird also bei den Obstfrüchten nicht vielleicht die Hoffnung aufzugeben seyn, es jemals dahin zu bringen, daß aus erzielten Samen lauter wirklich gute und schätzbare Früchte fielen? Wohin wir bei im Großen für den Obstbau betriebenen Samenzuchten vielleicht bald schon gerathen würden, zeigen uns wohl die in den Weinbergen (auch aus edlen Kernen) erzogenen, so schlechten Pfirsichen und Aprikosen, oder die in unsern Wäldern befindlichen Obstbäume, die gewiß in sehr vielen Fällen nicht aus dem Samen des Holzapfels und Pyrasters entstanden sind, sondern durch Menschen, die dort Obst aßen, dahin kamen; sowie wir auch auf die edlen Bezis, die in Frankreich im Walde aufgefunden seyn sollen, nicht zu viel geben mögen, da es mit deren Dahinkommen etwas mythisch ist.

Doch wir müssen, ehe wir diesen Abschnitt verlassen, noch wieder auf das von Heusinger zur Verbesserung der Früchte empfohlene Ringeln eine kurze Rücksicht nehmen. Er gesteht es ein, daß sich selbst überlassene und unveredelt herangewachsene Bäume, etwas kleinere und schlechtere Früchte trügen, als Edelstämme, indem er diese Erfahrung auch an seinen Bäumen gemacht habe; aber er hofft, durch die Operation des Ringelns, wie er sie macht, die Früchte so sehr und für immer so zu verbessern, daß sie denen von veredelten Bäumen völlig gleich kämen; ja er meint, daß die in dem geringelten Zweige emporgehaltenen Edelsäfte selbst auf die Kerne der Früchte einen veredelnden Einfluß würden äußern müssen, so daß man aus so gewonnenen Kernen um so mehr gutes Obst zu erhalten hoffen könne. Es ist auffallend, daß Hempel (Pomologischer Zauberring etc.) und andere aufmerksame Beobachter behaupten, daß die Früchte eines geringelten Zweiges nur dann schmackhafter, größer und früher reif würden, wenn man gleich nach der Blüthezeit ringele, und die Wunde bis zur Reife der Frucht nicht ganz wieder zuheile; wie sie auch der Meinung sind, daß einmaliges Ringeln einen Zweig nicht für immer fruchtbar mache. Indessen Heusinger’s Verfahren weicht von dem gewöhnlichen beim Ringeln etwas ab, und wir wollen seine Behauptungen, da deren Gegentheil [367] noch nicht dargethan ist, gelten lassen. Die Betrachtung aber können wir nicht von der Hand weisen, daß, wenn man bei den Sämlingen erst durch das Ringeln eine bessere Beschaffenheit der Früchte erzielen soll, dieses nicht zur Empfehlung der „Naturgemäßen Obstbaumzucht“ gereichen kann, sondern nur ein Vortheil des Ringelns ist, und man ja besser thun würde, veredelte Bäume mit der Kreisnarbe zu versehen, die eben um so mehr edles und großes Obst tragen würden. Ueberhaupt ist nach meinen Versuchen (die jedoch meistens an jungen Bäumen angestellt wurden, und in einem Boden, in dem die Aepfelbäume langsam wuchsen), von dem Ringeln nicht viel zu halten, das man auch im Allgemeinen wenig in Anwendung gebracht hat. Die geringelten Zweige werden zwar fruchtbar (was das Bogenen der Zweige aber auch bewirkt), aber sie bleiben im Wachsthum stehen, und ich mochte die Ringelschnitte noch so genau nach der gegebenen Anweisung machen, so erhielt ich meist kleinere und schlechtere Früchte, als der Baum sie überhaupt trug. Oft wollte auch die Wunde nicht schnell genug wieder überheilen, und die meisten geringelten Zweige brach der Wind später ab, so wie geringelte Kirschäste gern harzten. Die Operation ist sehr gewaltsam, und nur bei solchen Bäumen recht anwendbar, die gar zu lange mit Fruchtbringen zaudern, oder unfruchtbar sind, wo ich sie später noch so modificirt angewandt habe, daß ich in einen selbst bei stärkeren Aesten nicht zu breiten Ringelschnitt einen durch Wachs gezogenen Bindfaden ein paarmal herumlegte und die zuheilende Rinde über diesen weglaufen ließ.[2]

Doch wir haben noch den letzten für die Anzucht veredelter Stämme laut sprechenden Grund zu erwägen, daß nur durch sie man [368] bestimmte und gerade erwünschte, oder zu irgend einem Zwecke passende Sorten erhalten kann.

Wie wenig darauf gerechnet werden könne, durch bloße Sämlingszuchten auch nur lauter gutes Obst zu erlangen, ist gewiß zur Genüge dargethan; und fiele auch nur der dritte Theil dabei mittelmäßig oder schlecht aus, und die übrigen wären gut, was wohl nie zu erwarten steht, so würden wir doch besser thun, lauter veredelte Stämme anzupflanzen, und Mühe und selbst Kosten nicht zu scheuen. Aber selbst einmal angenommen, es gelänge mit der Zeit noch, gelänge sogar mehr im Großen (was wegen der obgedachten Schwierigkeiten und bei der nie zu vermeidenden Bestäubung durch in der Nähe befindliches schlechtes Obst, nie möglich seyn wird), durch die Sämlingszuchten lauter gutes, wirklich schätzbares Obst zu erhalten, so wird und muß doch die Anzucht veredelter Stämme immer einen entschiedenen Vorzug behalten, so lange es uns nicht gelingt, durch die Kernsaaten mit Sicherheit Früchte zu erlangen, die der Mutterfrucht ganz gleich sind.

Es sind sehr vage und einzelne Erfahrungen, die Einige für den Satz beigebracht haben, daß Gleiches auch unter den Obstbäumen Gleiches hervorbringe. Hat man die Kerne nicht mit genauer Bezeichnung der Sorten, wovon man sie nahm, gepflanzt, so kann das nichts beweisen, daß Früchte [369] gewonnen würden, die einem Rambour, einer Reinette etc. völlig gleichen, denn die erzogenen Stämme werden keine, allen Aepfeln ganz ungleich sehende Frucht tragen. Vielmehr hat eine sehr ausgedehnte und bereits langjährige Praxis erwiesen, daß es nur in sehr wenigen, einzelnen Fällen sich ereignete, daß ein Sämling eine der Mutterfrucht ganz ähnliche oder gleiche Frucht hervorbrachte (am meisten wohl noch bei Pflaumen, wodurch wir bereits geneigt sind, mehrere Stammsorten unter denselben anzunehmen; wiewohl die Erfahrungen darüber noch nicht sicher genug sind, und während z. B. Herr Dr. Liegel statuirt, daß die Reineclaude aus dem Stein sich nacherzeuge, Herr v. Mons dieß in Abrede stellt und auch die Altenburger, nach deren Annalen I. S. 146, aus Steinen der Reineclaude ein kleines röthliches Pfläumchen zogen); daß vielmehr die Abänderung und häufig eine schneidende Verschiedenheit von der Mutterfrucht bald besser, bald schlechter als diese, die Regel ist, ja sich selbst da ergibt, wo man eine fremde Bestäubung abzuhalten gesucht hatte. Unter den Kirschen, die Truchseß, wie obgedacht, aus Kernen erzog, fielen zwar aus Süßkirschen wieder Süßkirschen, aus Weichseln Weichseln u. s. w., aber übrigens waren die neuen Sorten von den Mutterfrüchten in Gestalt und Reifzeit sehr verschieden, und unter den Sämlingen von Glaskirschen fanden sich Amarellen und umgekehrt etc. Selbst durch die empfohlene, absichtlich berechnete Kreuzung wird man häufig etwas erhalten, was man nach den Mutterfrüchten nicht erwartete, wie z. B. der sorgfältig forschende Bödiker in Meppen eine dem Grafensteiner völlig gleiche Frucht (Bödiker’s Liebling von mir genannt) durch Bestäubung des Rothen Sommer-Rambours mit dem Weißen Sommercalville erhielt. Es ist ein unumstößliches Axiom in der Phytonomie (Lindley S. 359), daß Samen nur die Species, aber nicht immer die besondere Varietät hervorbringen, vielmehr unter dem Einflusse der Kultur viele Gewächse eine besondere Neigung erhalten, durch Samenzucht in den Varietäten sehr abzuändern, vorzüglich wenn dann erst noch gegenseitige Bestäubung durch die bereits gewonnenen Varietäten hinzukommt. Lindley meint (S. 360): gesetzt, man habe den Samen vom Ribston-Pepping ausgesäet, so werde dieser, von einer Vermischung mit andern Spielarten rein gehalten, einen Apfelbaum geben, dessen Frucht groß, süß und wohlschmeckend sey, – also doch nicht der Mutterfrucht gleich! Aber wie sollte man auch die Bestäubung durch andere Varietäten, wo Kerne für irgend größere Bedürfnisse zu gewinnen wären, nur abhalten, da die Insekten überall schwärmen, und nach Lindley’s eigener Meinung der Einfluß einer fremden Bestäubung sich oft stundenweit merkbar macht?

Ist es aber so entschieden, daß man bei der Kernsaat nie auch nur mit einiger Wahrscheinlichkeit darauf werde rechnen können, jede Sorte sich selbst gleich zu reproduciren, so darf die Anzucht veredelter Bäume nie aufhören, allgemein herrschend zu seyn. Es kann uns durchaus nicht gleichviel gelten, welche Obstsorten wir pflanzen, selbst wenn wir durch die Sämlinge lauter gute Früchte erhielten. Schon für den individuellen Geschmack ist es nicht einerlei, welche Früchte im Garten stehen. Wir wünschen die Weiße Herbst-Butterbirn, die Napoleon, die Salis, Marie Louise, Winter-Nelis oder Kopertsche fürstliche Tafelbirn etc. und werden diese ungern vermissen, wenn wir auch andere gute Früchte dafür bekommen. Noch weniger ist es für das vorliegende [370] ökonomische Bedürfniß und den vorhandenen Boden einerlei, was wir pflanzen, und wir haben den größten Schaden davon, wenn wir nicht mit Ueberlegung bestimmte Sorten, deren Eigenschaften und Benützung wir kennen, wählen können. Man frage sich nur, ob es den Winzern wohl je einfallen würde, einen Weinberg durch Kernsaat und anders als mit Reisern von einer bestimmten, bekannten Sorte anzulegen! Wir wünschten etwa jetzt Birnen zum Trocknen zu haben, und erhielten aus unsern Sämlingen Tafelfrüchte und umgekehrt; wir wünschten Winterbirnen und sehr haltbare Aepfel anzuziehen, aber die Sämlinge trügen dießmal früh reifendes Obst, und umgekehrt späte Sorten, wo es uns an frühen mangelte; könnte uns das gleichviel seyn? Wir hätten in der Nähe von Städten großen Vortheil von guten Marktfrüchten, erhielten aber zu viel Kochobst und spätreifende Früchte, oder umgekehrt, da wo wir von Märkten entfernt wohnten, zu wenig Haushaltsobst, würden wir da nicht den größten Schaden haben? und zwar einen Schaden, der, wenn er auch im allerglücklichsten Falle nur gering wäre, sich doch jährlich wiederholt und zuletzt sehr bedeutend wird! Und wäre, bei Vernachläßigung der Anpflanzung veredelter Stämme erst der bestimmte Name für die einzelnen Sorten wieder verloren gegangen, und mit ihm die Kenntniß, für welchen Boden und welches Bedürfniß jede Sorte am meisten passe, so würden wir noch weniger für besondere, eben vorliegende Bedürfnisse die Kerne zur Saat wählen können, sondern müßten zu Tafelobst, zu Most, zum Dörren etc. nur das nehmen, was wir in dem beschränkten Kreise unserer Umgegend dazu für gut fänden und erst ausprobirt hätten, oder was irgend Jemand, als dazu tauglich, uns schickt. Alles liegt am bestimmten Namen für jede Fruchtart und an einer immer allgemeiner werdenden richtigen Kenntniß einer gewissen Anzahl ausgesuchter Obstarten, ohne welche der Obstbau immer nur halben Werth hat, und nie mit allgemeinem Interesse betrieben werden wird.

Was ist denn schließlich von der weitern Anzucht unveredelter Sämlinge zu halten? Es will mir scheinen, daß wir bereits dahin gelangt sind, daß sie mehr nur noch einen wissenschaftlichen, als praktischen Werth behält. Im Größeren mag man unveredelte Sämlinge, da sie in der Regel sehr fruchtbar sind und dem speciellen Boden sich vom ersten Keime an angepaßt haben, auch Aepfel, Pfirschen und theils auch Kirschen und Pflaumen noch ziemlich gut nacharten, da anbauen, wo es einmal nach vorliegenden Umständen wenig darauf ankommt, was für Obst erzielt wird, wenn man vorerst nur vieles und wenigstens leidlich gutes hat, und selbst dann wird mancher Baum später umgepfropft werden müssen, und wird es meistens auch da, insofern man einen veredelten Baum doch höchstens nur um einen Silbergroschen theurer erzieht, als einen unveredelten, und diese selten schon von Kronenhöhe sehr gleich zu kaufen sein werden, besser seyn, veredelte Stämme anzubauen. Fortgesetzte Samenzuchten behalten zunächst einen wissenschaftlichen Werth, wenn sie mit mehr Genauigkeit und absichtlicherer Berechnung, als bisher, angestellt werden, und mehr Aufschluß über die unsern Obstvarietäten zu Grunde liegenden Urarten[3], den Einfluß der Kreuzung, [371] den statuirten Einfluß des Wildlings eines veredelten Stammes auf dessen Früchte und Kerne, den Einfluß des Bodens, in welchen man die Kerne zuerst legt, auf die künftige Beschaffenheit der Früchte etc. zu erforschen; – praktisch bleiben sie nur noch von Gewicht, um manche Lücken in der Reihenfolge gewisser Früchte auszufüllen, und uns namentlich vielleicht noch bessere sehr früh reifende und spät im Nachwinter zeitigende Birnen zu verschaffen, als wir jetzt haben, wobei es indeß für unser Vaterland wahrscheinlich nicht gelingen würde, solchen Früchten gleich köstliches Gewürz und Süßigkeit im Geschmack zu verleihen, als aus südlicheren Gegenden stammende Früchte haben, da meistens schon die belgischen Früchte darin den älteren, mehr südlichen Ursprung habenden Sorten etwas nachstehen, wenn auch ihr Fleisch schmelzender [372] ist, und man auch bei Pfirsichen, die bei uns aus Kernen gezogen sind, in der Mehrzahl weinartigen Geschmack, der in Mißjahren leicht sehr säuerlich wird, nicht den süßen Geschmack älterer Sorten angegeben findet. Man kann mit Gewißheit nicht behaupten, ob es nicht noch sich ereignen könne, durch Kernsaat noch vorzüglichere Früchte zu erlangen, als wir bereits jetzt haben; wahrscheinlich ist das aber keinesweges und finden sich unter Aepfeln, Kirschen, Pflaumen, Pfirsichen, Aprikosen, und unter den Birnen wenigstens im Herbst und Vorwinter so viele ganz vorzügliche Früchte, daß es sehr schwer werden wird, Besseres als das bereits Vorhandene zu erzielen. Es ist daher im Allgemeinen selbst gar sehr zu wünschen, wenn der Obstbau recht emporkommen soll, daß die Sämlingszuchten fortan sehr beschränkt betrieben werden, und wenigstens keine gefallene auch gute Frucht weiter verbreitet wird, wenn sie nicht vor andern bekannten, zugleich reifenden Varietäten entschiedene Vorzüge hat. Gehen die Sämlingszuchten in dem Maaße fort, wie bisher, so ist es rein unmöglich, daß der Obstbau je rationell betrieben werde, es wird, je mehr Platz ein Obstbaum einnimmt, je länger er wächst und je schwieriger es ist, richtige und ausgebreitete Sortenkenntniß zu erlangen, dann mit den Obstfrüchten in sehr verstärktem Maaße gerade so gehen, wie es bisher mit Pelargonien, Georginen etc. gegangen ist, daß über dem jährlich auftauchenden und angepriesenen Neuen stets die älteren, wenn auch noch so trefflichen Varietäten untergehen, und der ganze Betrieb des Obstbaues in seinen Spitzen in die Hände weniger, vielleicht selbst nur gewinnsüchtiger Handelsgärtner geräth. Vor der Hand muß daher das Bestreben aller wahren Beförderer des Obstbaues mehr darauf hinausgehen, unter der großen Anzahl schon existirender, trefflicher und für jedes Bedürfniß genügender Obstfrüchte die besten und für jede Gegend paßlichsten herauszusuchen, ihre richtige Kenntniß immer weiter zu verbreiten und die schlechteren Varietäten allmählig zu entfernen, bis sie untergehen, nicht aber die Obstvarietäten in’s Unendliche zu vermehren und so die Verwirrung immer größer und allgemeiner zu machen. Wir mögen um so mehr auf eine rationelle Betreibung des Obstbaues und Erhebung der Obstkunde zu der Höhe, wo jetzt die Ackerwirthschaft steht, Bedacht nehmen, da es bereits jetzt auch in Deutschland, bei zunehmender Ausdehnung des Obstbaues, nicht mehr so leicht möglich ist, als früher, das, was man selbst nicht benutzen kann, frisch oder gedörrt in andere Gegenden zu exportiren. Um aber das Ziel eines rationellen Obstbaus zu erreichen, muß hauptsächlich auf vervollkommnete Anzucht und zweckmäßigere demnächstige Behandlung veredelter Stämme alle mögliche Sorgfalt verwandt werden.

Jeinsen, December 1854.

O.

  1. Früher habe ich mich längere Jahre damit beschäftigt, es herauszubringen, wie dahin zu gelangen sey, mit Sicherheit Levkojensamen zu erziehen, der recht viele gefüllte Blumen gebe. Da diese Versuche mit den uns hier beschäftigenden Fragen in ziemlicher Verbindung stehen, will ich ihre Resultate wenigstens kurz hier mittheilen. Es ist nach allen Versuchen mir wahrscheinlich geworden, daß die Anlage zum Gefülltseyn der künftigen Pflanze im Samenkorne in, oder wenigstens bald nach der Blüthe entstehe. Mehrmals habe ich von gut in’s doppelte schlagenden Sorten, bei denen ich durch Aussaat von 100 und mehr Körnern in Reihen, früher schon die Anzahl doppelter ermittelt hatte, welche von dem Samen zu erwarten sey, reichliche Aussaaten in Töpfe gemacht, die mit sehr verschiedener Erde, vom geschlämmten unfruchtbaren Sande an, bis zur fettesten Mistbeeterde gefüllt waren, und die Zahl der darunter fallenden doppelten blieb sich immer ziemlich gleich; die Pflanzen waren nur im Wuchse sehr verschieden, von 2–3 Zoll Höhe und fadendünne, bis zur kräftigsten Entwicklung. Ebenso gaben sonst gut gezogene Pflanzen, wenn sie durch Platzregen früh in der Wurzel faul geworden waren, so daß die Schoten sehr nothreif wurden, im nächsten Jahre doch viele doppelte; aber die von diesen dann wieder nachgezogenen Pflanzen schlugen fast regelmäßig völlig in’s Einfache. Die Stöcke zur Saat setzte ich stets, sobald die erste Blüthe im Beete sich zeigte, in Töpfe, mit recht nahrhafter Erde gefüllt, nahm sie aber stets von den Pflanzen, die die meisten gefüllten Blumen gegeben hatten, erzog sie unter einem sonnig gelegenen Obdache, gab ihnen zuweilen noch einen mäßigen düngenden Guß, ließ an jeder Samenpflanze nicht zu viele Schalen sitzen, und brachte, wenn die feuchte, nebligere Herbstwitterung begann, die Pflanzen in’s Haus hinter Fenster, bis sie völlig reif waren; kurz, behandelte sie so, wie es bereits Lüder in seinen Gartenbriefen angerathen hat, und (nach Lindley’s Theorie etc. S. 390 und Anmerkung auf 391) auch Jam. Munro im Allgemeinen ähnlich und mit Erfolg that, auch kein anderes Verfahren als richtig gedacht werden kann, wenn man von dem jetzt oft adoptirten, völlig schiefen Gesichtspunkte abgeht, daß das Doppeltwerden eine Verkrüppelung sey (wobei man nicht das Wort in seiner Gleichbedeutung mit Monstrosität, sondern in dem deutschen Sinne nimmt, und daher durch Mangel an recht reichlicher Nahrung; vorsichtiges Umsetzen der Samenpflanzen in voller Blüthe etc. hat einwirken wollen), vielmehr bedenkt, daß es ein Luxuriiren in den Theilen der Blumen sey, und alles Doppeltwerden überhaupt ja in Folge der Cultur entsteht. Ich habe dabei, wie die jedesmal in Reihen mit wenigstens 100 Pflanzen, sowohl von den unteren als oberen Schoten am Zweige, zur Untersuchung von jeder Samenpflanze gemachte Aussaat ergab, deren Resultate stets aufgezeichnet wurden, im Allgemeinen, wenn ich die Samenpflanzen von Sorten nahm, die gut in’s Gefüllte schlugen, stets sehr guten Samen gezogen, der mindestens 3/4, meistens 5/6 und oft mehr gefüllte Blumen gab (mehrmals konnte ich selbst 18, 19 gefüllte gegen 1 einfache Pflanze zählen), aber nie habe ich es dahin bringen können, das Gefülltwerden der Stöcke ganz in meine Gewalt zu bringen, und unter 60 sorgfältig gezogenen, recht gut gereiften Pflanzen, fanden sich immer welche, die nur 1/2 Doppelte gaben, ja fast stets 1–2, öfter gerade von den am besten in’s Gefüllte schlagenden Sorten, welche ganz in’s Einfache zurückschlugen. Von solchen zurückgeschlagenen Pflanzen habe ich oft mehrere Jahre hinter einander, bei gesteigerter Pflege und Düngung nachgebaut, konnte aber selbst durch mehrere Generationen es nicht dahin bringen, daß von ihnen wieder gefüllte Blumen gefallen wären. Auch mehrerlei kuriose Rathschläge, die das Gefülltwerden bewirken sollten, habe ich genau nachprobirt, wenn gleich ich im Voraus von ihrer Unrichtigkeit überzeugt war. Am lächerlichsten endete der Versuch mit dem in der Frauendorfer Gartenzeitung einmal sehr angepriesenen Kastriren der Blumen, wobei lauter gefüllter Samen fallen sollte. So lange ich diese Operation bei im Freien stehenden Pflanzen antwandte, erhielt ich Schoten, wenn gleich sie nicht mehr doppelte Pflanzen lieferten, als Schoten von nicht kastrirten Pflanzen derselben Varietät. Als ich aber ein paar Pflanzen hinter Fenster gestellt hatte, wo durch angebrachte Gazerahmen Luft genug gegeben wurde, aber verhindert wurde, daß die in den Levkojenblüthen immer herumkriechenden kleinen Nitidula-Käferchen zu diesen Pflanzen kommen konnten, erhielt ich nach langer Mühe endlich zwei Schoten, die reiften, und als ich sie neugierig öffnete, ohne alle Samenkörner waren. Auch das angerathene Ausnehmen der in der Blüthe stehenden Pflanzen mit unbeschädigter Wurzel und vorsichtigem Wiedereinsetzen, wobei namentlich die während des Anwachsens blühenden Schoten sehr reichlich doppelte Blumen geben, überhaupt aber die Zahl der doppelten Blumen so vermehrt werden sollte, daß fast keine einfachen mehr fielen, habe ich mit aller Vorsicht mit einem Dutzend Pflanzen und genauer Bezeichnung mittelst verschieden gefärbter Fäden, sowohl der Blumen, die vor dem Versetzen schon geblühet hatten, als der während des Anwachsens abblühenden, und der später erst aufblühenden, nachprobirt; die separat gesäeten, so erhaltenen Samen ergaben aber, daß alle Schoten, welche während der 8–10 Tage angesetzt hatten, wo die Pflanze sich gehörig wieder bewurzelte, sofort um etwa ¼ in der Zahl der fallenden gefüllten Blumen, gegen andere gute Blumen derselben Farbe, zurückgegangen waren, und die meisten doppelten die obersten Schoten gegeben hatten. Ich habe auch weit seltener wirklich guten Levkojensamen (bei Säen in Reihen von jeder Farbe) erhalten, nachdem die Gärtner diese Verfahrungsart allgemeiner angenommen hatten. Es kann dagegen wohl seyn, daß das Princip nicht unrichtig ist, die Pflanzen bis gegen die Blüthe etwas Mangel leiden zu lassen, ihnen dann aber durch Versetzen in fette Erde und erhöhete Wärme eine reiche, luxuriirende Wurzel zu verschaffen, die dann auch ein Luxuriiren in den Blüthen, sowie sie aufbrechen, erzeugen wird.
  2. Es ist auch immerhin die Frage, ob durch diese Operation mehr die in der Rinde absteigenden Edelsäfte emporgehalten werden, und, wie man gewollt hat, Saftfülle in dem geringelten Zweige entstehe, oder vielmehr durch sie nur der zu große Saftandrang zu einem Zweige verhindert wird, durch den sonst Holztrieb entstanden seyn würde. Beschränkung des Wurzelvermögens und Mäßigung des zu starken Saftzuflusses und zu raschen Umlaufs der Säfte, vielleicht auch noch eine, bei langsamer werdender Cirkulation herbeigeführte Verdickung der Edelsäfte, scheint Bedingung der Fruchtbildung zu seyn, nicht aber gerade Hemmung des herabsteigenden Edelsaftes durch eine Kreisnarbe oder die natürlichen Ringelwüchse. Setzt man Bäumchen in Töpfe, wo den Edelsaft auf seinem Wege zur Wurzel kein Hinderniß aufhält, so tragen sie auch bald; ebenso ist es bei Zweigen, die man niederbiegt, bei kranken, nicht triebigen oft mit wenig Blättern versehenen und also auch wenig Edelsaft producirenden Bäumen. Zudem wächst gleich unter dem Ringelschnitte gewöhnlich ein junger Zweig hervor, während die über demselben befindlichen Theile eines Astes stehen bleiben und Fruchtaugen machen, was einen Ueberfluß von Säften eher unter, als über dem Ringelschnitte anzudeuten scheint. Selbst die im Allgemeinen ganz richtige Ansicht, daß der Rohsaft im Holze des Baumes, namentlich dem Splinte emporsteige, und, in den Blättern umgewandelt, als Edelsaft in der Rinde, bis zur Wurzel wieder herabgehe, wird man wenigstens dahin modificiren müssen daß nöthigenfalls immer ein Theil des Gewächses den andern in seinen Funktionen vertreten und ablösen kann. Setzte ich durch Copulation Reiser auf die bloß wund gemachte, aber nicht bis auf’s Holz weggenommene Rinde stärkerer Zweige oder Wildlinge, so gingen sie sehr gerne an; machte ich aber den Schnitt so breit, daß das Edelreis überall nur auf dem bloßgelegten Holze des Wildlings lag, und überall von dessen Rinde etwas entfernt blieb, so trieben sie nicht einmal aus, da doch der Saft im Holze hinauf kommen konnte, und man hätte erwarten sollen, die Rinde des Reises werde einen Wulst bilden, um dadurch die Rinde des Wildlings zu erreichen. Zuweilen waren mir Reiser nur an einer Seite angewachsen, und nachdem die Bänder weggenommen waren, trennte sie ein Windstoß so vom Wildlinge daß die beiden Schnitte einen rechten oder selbst etwas stumpfen Winkel bildeten, und nur noch Rinde auf Rinde an einer Seite festsaß, wobei sich aber auf dieser Seite bald viel Holz in dem entstandenen Winkel bildete. Ebenso fand ich einmal 1824 an einem wegen Frostschaden abgesägten dicken Aste eines Apfelbaumes, gerade auf der scharfen Kante der Rinde ein sich bildendes Auge und trennte es mit einem Stück der umher befindlichen Rinde, durch einen eingetriebenen Keil etwas vom Holze, worauf es doch austrieb und im Laufe des Sommers 1 Fuß hoch wurde. Vor 20 Jahren habe ich an Zweigen stark wachsender Lindenbüsche öfter den Versuch gemacht, an einem durch angebundene Stöcke gegen Abbrechen geschützten Zweige 1½ Zoll lang alles Holz so wegzuschneiden, daß über einem an der entgegengesetzten Seite stehen gelassenen etwa ½ Zoll breiten Streifen Rinde nur eine so dünne, durchsichtige Lamelle Splint noch blieb, daß ich glaubte, dieser werde in wenigen Tagen ganz vertrocknen, und dann nur dazu dienen, den unter der Rinde befindlichen Saft etwas zu schützen, und die noch junge Rinde selbst vor dem Ausdorren zu bewahren; aber die Rinde bildete zu beiden Seiten einen Wulst und der Zweig stellte seine Verbindung mit der Wurzel völlig wieder her. Schnitt ich dagegen 2–3 Zoll dicke Aeste von Linden oder Zitterpappeln bis zur Hälfte des Holzes ein, so lebten sie zwar noch mehrere Monate, starben aber dann ab. – Am auffallendsten habe ich die Erscheinung, daß bloße Rinde auch Holz bilden kann, in Nienburg an einem etwa 6 Zoll im Durchmesser haltenden Kirschbaume bemerkt, als nach späterem Froste im März, die Rinde an mehreren Stämmen arg beschädigt war und aufsprang. Ich bemerkte den Schaden an einem der Bäume erst, als er nur kümmerlich ausschlug, und wollte die getödtete Rinde bis auf gesunde wegschneiden; aber nach der Operation hatte der Baum nur an einer Seite noch einen 2 Zoll breiten Streifen grüner Rinde und auch diese war auf 6–8 Zoll Länge so völlig vom Holze des Stammes getrennt, daß man einen starken Strohhalm hindurch stecken konnte. Ich ließ aus Neugier den Baum stehen, und um Johannis fing das Stück Borke wirklich an, auf seiner untern Seite sich zu verdicken, setzte Holz an, das im nächsten Jahre das Holz des Stammes erreichte, worauf die Rinde sich bald sehr verbreiterte und, während das Holz des alten Stammes abgestorben war, der Baum neuen Trieb begann. Noch will ich hier anmerken, daß, wenn die Kreisnarbe die Früchte vergrößert, was nur durch Emporhalten des Edelsaftes geschehen kann, dieß der beste Beweis ist, daß die Pfropfstelle den Säftegang nicht hemmt, da die Veredlung die Früchte sonst gleichfalls vergrößern müßte, was gegen alle Erfahrung ist.
  3. Die Frage nach den Stammeltern unserer Obstfrüchte bleibt immer von wissenschaftlichem und selbst praktischem Interesse. Man hat sie verschieden beantwortet, und während Manche alle unsere Kernobstfrüchte von dem Holzapfel nebst dem Johannisstamm und der Holzbirn ableiten wollen, nehmen Andere an, daß es ursprünglich gewiß sowohl wohl von Aepfeln als Birnen auch eine oder selbst mehrere edlere Stammarten gegeben habe, und unser Mostobst wohl durch Kreuzung von Früchten der edleren Race mit Holzapfel und Holzbirn entstanden sey. Man hat als Grund für diese Annahme angeführt, daß Holzbirn, sowie Holzapfel und Johannisstamm sich constant aus ihren Früchten reproducirten, und wir deßhalb von beiden letzteren auch noch gar keine Mittelformen im Baumwuchse fänden. Van Mons will den Holzapfel und die Holzbirn durch vier Generationen hindurch constant und ohne eingetretene Abänderung aus Samen forterzeugt haben, und behauptet Wildenow auch vom Johannisstamm, daß er aus Samen sich constant reproducire, so wie Schreiber dasselbe vom Holzapfel schon vor fünfzig Jahren behauptete. Allein, wie es eines Theils noch kein Beweis für die Nichtabstammung unserer edleren Aepfel von dem Holzapfel ist, daß dieser selbst in vierter Generation noch keine Neigung zur Abänderung zeigte (die erste Abänderung konnte erst später, oder in einem südlicheren Klima erfolgt seyn), so will Hr. van Mons ebensowohl die Rothe wilde Süßkirsche durch mehrere Generationen ohne Abänderung erzogen haben, während es doch zu augenfällig ist, daß unsere Süßkirschen sämmtlich durch Kultur aus der wilden rothen und schwarzen Vogelkirsche entstanden sind, und man auch an andern Orten wenigstens Vergrößerung dieser Früchte durch Kultur bereits bemerkt hat. Daß zwischen dem größeren Apfelbaume und dem Johannisstamme die Mittelformen noch fehlen, mag nicht urgirt werden, da theils doch höchst wahrscheinlich der Doucain eine solche ist, theils wir den Johannisstamm fast nie zur Blüthe und Frucht kommen lassen, und aus den Kernen ihn nicht erziehen. Ich habe dieß in Nienburg einmal versucht, und erhielt sofort, ohne künstliche Befruchtung, Bäumchen, die weit triebiger waren, als der Johannisstamm und nach zehn Jahren noch keine Neigung zeigten, Wurzelsprossen zu machen. Einer davon steht noch im Pfarrgarten zu Nienburg, überpfropft mit der Wilkenburger weißen Sommerreinette. Daß alle unsere Kernfrüchte vom Holzapfel und Pyraster abstammen können, scheint mir nicht wohl in Abrede gestellt werden zu können, da wir theils zwischen beiden nicht einmal irgend bestimmte botanische Unterschiede angeben können, theils die Verschiedenheit zwischen unsern edleren Obsten und dem Holzapfel und Holzbirne nicht größer seyn kann, als solche unter Thieren und manchen Blumen erfahrungsmäßig durch den Einfluß der Cultur und eines fremden Klimas entstanden ist, (Hunderacen, angorische Ziegen, Schafe mit Fettschwänzen, Georginen, Tulpen etc., etc.) Selbst der blose Einfluß des gebauten Bodens wirkt nicht selten auf ein wild wachsendes Gewächs, wenn es aus der Wildniß in diesen verpflanzt wird, so abändernd, daß man es kaum wieder erkennt. Als ich noch Schüler war, lachte mich, an einem schönen Abend unter Büschen sitzend, einmal unweit Hannover eine kleine Heidenelke (Dianth. vulgaris) so freundlich an, daß ich sie mit dem Messer ausgrub und auf die gut gedüngten Rabatten in meines Vaters Garten pflanzte. Ein paar Jahre später kam ich als Student gerade einmal zurück, als das Blümchen blühete, das ich bereits wieder vergessen hatte und nicht kannte, und erhielt auf meine Frage, was das für eine hübsche Blume sey, und woher sie stamme, die Antwort, daß das meine Heidenelke sey, die ich selbst dahin gepflanzt habe. Sie hatte an Größe und Schönheit, auch Zahl der Blumen, für den Unkundigen bis zum Unkenntlichen zugenommen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Ferdinand Jühlke (1815–1893), war ein deutscher Gartenbau-Lehrer, Gartenbau-Autor und Gartengestalter.
  2. Das von dem britischen Botaniker John Lindley verfasste und von Ludolf Christian Treviranus übersetze Buch ist bei Google verfügbar.
  3. Carl Ludwig Willdenow (1765–1812) deutscher Botaniker.