Pomologische Monatshefte:1. Band:8. Heft:Erfahrungen und Rathschläge bei Anfertigung von Probe- und Sortenbäumen

Pomologische Monatshefte
Band 1, Heft 8, Seite 372–385
Karl Hörlin
fortgesetzt von:
Pomologische Monatshefte:1. Band:7. Heft:Erfahrungen und Rathschläge bei Anfertigung von Probe- und Sortenbäumen
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Sollen wir unsere Obstbäume durch Aussäen von Kernen vorzüglicher Früchte, ohne Veredlung heranzuziehen suchen …?
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Verfahren zur Vertilgung der Ohrwürmer
[372]
Erfahrungen und Rathschläge bei Anfertigung von Probe- und Sortenbäumen, nebst Excursionen in andere Gebiete der Pomologie, welche damit zusammenhängen.
Mitgetheilt von K. Hörlin, in Sindringen.
(Schluß.)

Es kann aber auch der andere Fall eintreten, daß Jemand Interesse findet an pomologischen Studien und hat vielleicht nur über einen kleinen Hausgarten zu gebieten, in welchem er nicht einmal ein paar [373] taugliche Bäume vorfindet, um ein Sortiment darauf unterzubringen. Läßt sich nicht ein kleines Baumgut ankaufen (¼ Morgen regelmäßig bepflanzt, reicht hin 15–1600 Sorten unterzubringen, was für einen Dilettanten schon eine hübsche Anzahl ist), so wird man darauf Verzicht leisten müssen, Probebäume auf Hochstämmen anzufertigen, weil ihre Anzucht zu lange Zeit fordern würde. Der kürzeste Weg zum Ziele zu gelangen, ist: wenn man sich aus guten Baumschulen 6–8jährige Pyramiden acquirirt (wie solche die Gebrüder Simon Louis in Metz, Lorberg in Berlin, Baumann in Bollweiler ausbieten,[1] dieselben sorgfältig fest und gut pflegt, wo sie sodann im 2ten Jahre der Pflanzung gepfropft oder copulirt werden können. Will man sich aber seine Kinder von der Wiege selbst erziehen, so muß man sich eben mit Geduld waffnen und man kommt dann am schnellsten zum Ziele, wenn man sich kräftige Hochstämme verschafft und solche 1½–2 Fuß[WS 1] über dem Wurzelstock sogleich mit 4 Edelreisern von starkem Triebe veredelt, daraus 4 Aeste erzieht und einen Kesselbaum bildet. Ist dieser in 4–5 Jahren gehörig erstarkt, so kann er schon ein Sortiment von etwa 25 Sorten aufnehmen.

Ferner kommt in Betracht ob man Probe- und Sortenbäume nur für Kernobst oder Steinobst und Schaalenobst anfertigen will, und beim ersten,[WS 2] ob man vorzugsweise Wirthschafts- oder Tafelobst im Auge habe. Kann man seinen Probebäumen eine größere Ausdehnung einräumen, so sind für Kernobstsorten Hochstämme, Halbhochstämme, Pyramiden und Spaliere zu empfehlen, je nach dem man einen jener Zwecke verfolgt. Wem es nur darum zu thun ist, die Obstvarietäten kennen zu lernen, der muß suchen, solche in ihrem normalen Zustande zu gewinnen; in diesem Falle nehme man zu Unterlagen zwar keine Wildstämme aus dem Walde, aber auch, wenn es die Umstände erlauben, keine schon veredelten Bäume, denn es ist eine Thatsache, welche vielfach bestätigt ist, daß die Obstfrüchte zwar hinsichtlich des Geschmacks und Zuckergehalts keine wesentliche Veränderung erleiden, wenn sie von Bäumen gewonnen werden, die zum zweitenmale veredelt wurden, daß dadurch aber Veränderungen in der Größe, Gestalt, Färbung eintreten, wodurch das Erkennen einer Sorte oft sehr erschwert wird, namentlich wenn die Bäume in üppigem Boden stehen und noch durch Düngung unterstützt werden. Man vermag einen Apfel von einem Paradiesstamme in einem Kübel in sonniger, geschützter Lage, erzogen bei reichlicher Pflege und Düngung, wenn eine Doppelveredlung vorgenommen wurde, oft kaum mehr als dieselbe Sorte zu erkennen, wenn dieselbe Frucht von einem alten Baume, dessen Aeste verwildert und dessen Boden ausgemergelt ist, gepflückt wurde; wie ja auch vergleichungsweise ein Botaniker irgend eine wildwachsende Pflanze, wenn sie aus dem üppigen Boden eines botanischen Gartens ihm vorgelegt wird, oft kaum mehr zu erkennen vermag. Man nehme also, wo man nur pomologische Zwecke im Auge hat, einen aus Samen einer edlen Sorte aufgewachsenen Baum; auf diesem werden sich bei gehöriger Pflege die Früchte in normaler Größe und Zeichnung mit allen eigenthümlichen Charakteren des Aromas, des Fleisches u. s. w. ausbilden.

Reflektirt Jemand auf ein Sortiment ausgezeichnet schönen und guten Tafelobstes, [374] zum Zwecke des Genusses oder des Verkaufens, der sollte seine Sorten-Bäume alle in einer niedern Form erziehen; denn nicht nur kostet die Veredlung von Hochstämmen weit mehr Mühe und ist mit weit größeren Schwierigkeiten verknüpft, als die Veredlung von Spalieren und Pyramiden oder Kunkelbäumen; sondern es entwickeln sich auch die Früchte auf letzteren üppiger und in größerer Fülle, Güte und Schönheit, da hier die Kunst das ihrige mehr dazu beitragen kann, Blüthen, Früchteansatz und Wachsthum zu befördern.

Reflektirt aber Jemand auf Wirthschaftsobst, welches dem Hochstamme angehört, so bediene er sich auch eines solchen zur Unterlage. Wenn das Wirthschaftsobst nicht ohne künstliche Nachhülfe reiche Erndten gewährt, wenn es in der Blüthe ungünstiger Witterung nicht widersteht, nicht mit einem minder günstigen Standpunkt vorlieb nimmt, wenn es durch Schönheit die Begierde reizt, wenn die Sorte nur unter günstigen Bodenbedingnissen gedeiht, zu früh oder zu spät reift u. s. w.; so sind das lauter Eigenschaften, die, ehe man sich zur Anpflanzung von Wirthschaftsobst in größerem Umfange entschließt, neben etwaigen anderen Eigenschaften wohl erwogen werden müssen. Diese Eigenthümlichkeiten können nur dann recht erkannt werden, wenn der Probefrucht derjenige Standpunkt angewiesen wurde, welchen sie naturgemäß später in der Obstpflanzung einnehmen soll. Man wird mir freilich einwenden, man müßte die Probebäume in allen Lagen haben, mit nassem und trockenem Grunde, leichtem und schwerem Boden, offener und geschlossener Lage, gedüngt und ungedüngt, denn alle diese Dinge modificiren die Tragbarkeit des Baumes etc. Wenn man recht rationell und genau zu Werke gehen will, so sollte man freilich allen diesen Rücksichten Rechnung tragen können, und wer den Beruf hat, von Amtswegen der Obstcultur seine Thätigkeit zu widmen oder im Interesse der Nationalökonomie seine Beobachtungen anzustellen; oder wer den individuellen Beruf erkennt, auf diesem Felde einem größeren Kreise nützlich zu werden, der wird in seinen Rahmen allerdings alle jene Einzelnheiten aufnehmen müssen; in der Regel aber werden die Pomologen sich in einem engern Kreise bewegen und zunächst sich nur darum kümmern, was für ihr Klima, ihre Bodenverhältnisse, ihre Lage, ihren Boden und Gedeihen verspricht; und dieses zu erproben, dazu bieten Bäume am Orte der Obstpflanzung die beste Gelegenheit. Während die Hochstämme für Wirthschaftsobst (bei Pflaumen wähle man Hochstämme von Prunus domestica nicht über 12–15 Jahre alt, bei Süßkirschen Prunus Avium, bei Sauerkirschen und Weichseln die wildwachsenden Weichselbäume,) zu Probebäumen den Vorzug verdienen, verhält es sich anders beim Tafelobst; für dieses sind Probebäume in niederen Formen erzogen, vorzuziehen und zwar aus Unterlagen, bei welchen die Früchte so normal als möglich bleiben, wozu bei Kernobst Apfel- und Birnwildlinge, für Pflaumen und Kirschen die schon genannten Grundstämme am meisten zu empfehlen sind. Probebäume von Weinreben, Pfirschen, Aprikosen werden auch bei einer gewandten Hand selten ersprießliche Resultate gewähren, wenigstens sind mir noch keine gelungenen Probebäume jener Arten zu Gesicht gekommen. Ich empfehle aber nicht allein deßhalb die Erziehung der Probebäume zu Tafelobst in Zwergformen, weil die Anfertigung solcher Bäume weit leichter auszuführen ist, als das Umpfropfen von Hochstämmen; sondern weil ein Hauptmoment, nämlich nach wenigen Jahren Früchte zu erlangen und sie erproben [375] zu können, in niedern Formen weit sicherer erreicht wird, da hier alle künstlichen Mittel den Früchteansatz zu bewirken in Anwendung gebracht werden, als da sind, das Beschneiden und Verzwicken im Frühjahr, das Brechen und Einkneipen der jungen Triebe im August, das Biegen der Zweige, Ringeln, das Zurückscheiden bis in die Ringelwulste u. s. w. Noch kräftiger als durch Ringeln kann man mittelst des Drahtes an den Etiquetten auf Fruchtbarkeit einwirken, wenn nämlich der Draht so stark angezogen wird, daß die Säftebewegung gehemmt wird; es ist dieses von sehr großem Erfolg, erfordert aber freilich ein fleißiges Nachsehen, (was bei Hochstämmen erschwert ist,) ob der Draht nicht bei der Ausdehnung der Zweige zu tief einschneide, wodurch ein Abbrechen des nach außen stehenden Theiles herbeigeführt werden kann. Kernobstsorten geben oft schon im zweiten Jahre Früchte, wenn man im Besitze ist von Spalieren oder Pyramiden, auf Wildlinge veredelt, welche um sie wieder zur Fruchtbarkeit zu reizen, ein paar Jahre sich selbst überlassen wurden, so daß man die Holzzweige nicht beschnitt, sondern nur das störende und überflüssige Holz hinwegnahm. Werden solche Zwergbäume nun zu Probebäumen verwendet, so kommt man am schnellsten zu Früchten, wenn man nur einen Theil ihrer Aeste mit Probesorten veredelt.

Bei Steinobst hat nun freilich die Erziehung von passenden Unterlagen in Zwergform ihre Schwierigkeiten, die Prunus domestica will sich nicht recht in den Schnitt einer Pyramide fügen, weil die Augen sich nicht gerne bequemen wollen, regelmäßig hervorzubrechen und ich finde, daß hiezu der Stamm der kleinen gelben Mirabelle und der Reineclauden sich besser schicke; doch wenn man nicht gerade darauf versessen ist, eine ganz regelmäßige Pyramide zu besitzen so läßt sich die Prunus domestica immerhin gebrauchen. Für Steinobst ziehe ich Halb-Hochstämme, in der Höhe von 4–5′ bis zur Krone, den Pyramiden vor, da sich jene leichter erziehen lassen und das Beschneiden etc. nicht erschwert ist; nur darf man natürlich bei Steinobst das dem Harzfluß unterworfen ist, weder ringeln noch den Draht anziehen. Noch schwerer läßt sich die Prunus Avium für Süßkirschen zu einer hübschen Pyramide erziehen, da besonders in gutem Grunde der Trieb zu stark ist. Man kommt nun zwar bei der Mahalebkirsche schneller zu schönen Pyramiden als bei Prunus avium; allein obwohl ich nicht die Erfahrung gemacht habe, daß aus Mahaleb-Unterlagen Weichseln und Amarellen nicht angehen, sondern Kirschen aller Art leicht darauf zu erziehen sind, wenn man nur die Veredlung mit frühe gebrochenen Edelzweigen und erst Ausgangs April vornimmt (denn wenn nach der Frühveredlung Anfangs März noch ein Frost kommt, so ist alle Mühe umsonst) so rathe ich doch nicht auf Mahaleb zu veredeln, weil nach meiner Erfahrung manche Sorten fast gar keine Früchte auf dieser Unterlage ansetzen wollen. Ob die in den Frauendorfer Blättern gerühmte Erfahrung sich bestätigt, daß wenn man am Edelreise der Kirsche das oberste Auge des Zweiges stehen lasse, den Zweig also nicht beschneide, derselbe jeder Kälte widerstehe, habe ich noch nicht erprobt, aber ich habe Gründe daran zu zweifeln.

Für Sauerkirschen und Süßweichseln lassen sich aus der wildwachsenden Amarelle sehr hübsche Pyramiden bilden wenn man eine stark treibende Sorte zuerst aufpfropft, wie z. B. die Kirchheimer Weichsel und diese sodann als Pyramide bis zu der Größe erzieht daß sie eine große Anzahl Sorten aufnehmen [376] kann; bei allen Kirschensorten bewirkt der Sommerschnitt größere Fruchtbarkeit.

Von besonders hohem Werthe sind Probebäume für solche, welche sich mit Saatschulen befassen. Wenn ein Wildling durch großes Laub, glatte Rinde sich auszeichnet, wenn die Augen gedrungen an den Zweigen sitzen oder in sehr großer Entfernung und es zeichnet sich das Stämmchen durch seinen ganzen Habitus aus, so darf man auf etwas Edles schließen, aber man ist noch in seiner Hoffnung auf ein langes Warten hingewiesen, bis endlich die junge Pfianze Früchte ansetzt. Aber schon im zweiten Jahre können wir von einem solchen Sämmling Früchte erlangen, wenn wir einen Zweig desselben auf einen erstarkten Probebaum setzen. Zeigt sich die Frucht nach 2–3maliger Probe nicht würdig, beibehalten zu werden, so ist nicht viel Zeit und Mühe verloren und der veredelte Ast kann eine andere Sorte aufnehmen. Nun weiß man freilich wohl, daß es der Eigenliebe sehr schmeichelt, eine Frucht erzogen zu haben, welche den Namen des Erziehers an der Stirne trägt und es stünde wohl besser um die Pomologie, wenn viele Hunderte solcher selbsterzogener Kinder am Krebse oder Bleichsucht vor ihrer Taufe wieder gestorben wären; auf der andern Seite aber wollen wir auch nicht übersehen, daß die Natur welche in fortschreitender Vervollkommnung ihre Erzeugnisse giebt, täglich Besseres schafft, als wir schon besitzen, und daß der Gewinn neuer ausgezeichneter Obstsorten, besonders für die Gegend hochanzuschlagen, wo sie erzeugt wurden, da solche Erzeugnisse in ihrer Heimath in der Regel besonders kräftig vegetiren und gedeihen.

Es ist ferner Thatsache, daß in den zerstreuten Obstpflanzungen noch manche vortreffliche Sorte im Verborgenen lebt, welche gelegentlich da und dort aufgefunden oder einem Obstfreunde angepriesen wird; der gewissenhafte Pomolog wird sie aber unter einem neuen Namen nicht verbreiten bis er die vollste Ueberzeugung gewonnen hat, daß die Sorte wirklich eine neue und bessere ist, als ähnliche vorher schon bekannte Sorten. Hievon sich eine zuverläßige Ueberzeugung zu verschaffen und vor der Uebereilung sich zu bewahren, etwas bloß relativ Gutes zu verbreiten, dazu sind Probebäume ein treffliches Mittel.

Ob sich vielleicht auch Schaalenobst zu Probebäumen eigne, habe ich keine Erfahrung, ich zweifle aber daran wegen der Schwierigkeit dasselbe durch Pfropfen etc. zu vermehren.

II. Sortenbäume.

Jenen Freunden Pomona’s, bei welchen das Verlangen vorherrscht, ein möglichst großes Sortiment des schönsten und edelsten Obstes in der höchsten Vollkommenheit zu erziehen, die aber auf einen beschränkten Raum angewiesen sind, rathen wir Sortenbäume anzufertigen, da es sich hier nicht darum handelt, die Früchte in ihrem normalen Zustande zu erhalten, sondern so groß und schön, als sie durch alle zu Gebot stehenden Mittel erlangt werden können; so muß man schon bei der Auswahl der Unterlagen auf solche Sorten Rücksicht nehmen, welche erfahrungsmäßig nicht nur reichen Fruchtansatz liefern, sondern auch auf Größe und Schönheit der Früchte einwirken. Für diese Zwecke dienen für Aepfel vor allen andern der Paradiesstamm und der Johannisstamm, und bemerke ich, daß diese beiden nicht identisch sind, wie ich in einem andern Orte der Monatschrift darauf aufmerksam machte. Man hat zwar in neuer Zeit (Herr v. Biedenfeld) auf den englischen Paradise aufmerksam gemacht, [377] welcher besonders gute Eigenschaften zu Unterlagen haben solle und von dem bei uns bekannten Paradiesapfelstamme sich unterscheide; allein da der wissenschaftliche Namen nicht beigefügt ist und wir über diese gepriesene Sorte keine Erfahrung haben, so müssen wir die Vorzüge derselben dahin gestellt seyn lassen, fordern aber solche Baumschulen-Besitzer, welche mit englischen Baumschulen in Verbindung stehen, im Interesse des Obstbaues auf, Exemplare von dem English Paradise zur Probe herbei zu schaffen und die Resultate zu veröffentlichen.

Man sollte glauben, daß der Paradise- und Johannisstamm, welche mehr die Natur eines Strauches, als eines Baumes haben, da beide Schwächlinge sind, die nicht aus dem Samen gewonnen, sondern aus Stecklingen oder Ausläufern erzogen werden, die Fähigkeit schönere und größere Früchte, als Pyrus malus, zu erzeugen eben so wenig besitzen können, als ein schwächliches Thier ein kräftigeres Junges produciren kann, als ein starkes, und doch zeigt die Erfahrung daß diese Schwächlinge an Produktionskraft sowohl als an Schönheit der Früchte, sobald sie veredelt sind, im Verhältnisse zu ihrem Umfange die stärksten Exemplare des Pyrus malus übertreffen. Derjenigen Theorie (Thouin), welche annimmt, weil diese Schwächlinge ein geringeres Maaß von Säften aufnehmen und verarbeiten können, als gewöhnliche Wildstämme, so setzen sie auch mehr und größere Früchte an, kann ich nicht beistimmen, es mag sich meine Vernunft unter eine solche Anomalie nicht beugen. Die größere Fruchtbarkeit des Paradies- und Johannisstamms betreffend, so läßt sich diese allerdings daraus erklären, daß sie geschwächte, gleichsam nicht selbstständige, sondern abgeleitete Organismen sind und daher auch eine kürzere Lebensdauer haben. Man findet überall in der Natur das Gesetz, daß Thiere und Pflanzen, welche wegen ihres schwächlichen Organismus Störungen ihres Lebens leicht ausgesetzt sind, früher und zahlreicher sich reproduciren; ich erinnere nur an die einjährigen Pflanzen, Blattläuse und andere Insekten noch übleren Rufes. Ein höher organisirtes Erzeugniß der Natur, wie z. B. ein Baum, der immer wieder verstümmelt und in seiner naturgemäßen Ausbildung aufgehalten wird, wie es bei Zwergbäumen geschieht, wird durch das Gesetz der Natur dahin gereizt und getrieben, durch Reproducirung seiner Art, welche zunächst im Kerne der Frucht enthalten ist, sich zu erhalten, weil das Individuum selbst durch naturwidrige Behandlung zu Grunde gehen muß. Die Erklärung des reichlicheren und früheren Fruchtansatzes macht uns daher keine Schwierigkeit, sobald wir das genannte Naturgesetz anerkennen; aber nimmermehr werden wir zugeben können, daß der Paradiesstamm deßhalb, wenn er veredelt ist, so große und schöne Früchte hervorbringe, weil er ein Schwächling ist. Die Erfahrung giebt uns schon einiges an die Hand, daß wir auf anderem Wege die Erklärung jenes merkwürdigen Umstandes finden können. Es ist nämlich schon lange her bestätigt, daß gepfropfte Stämme eine nicht unbedeutende Vergrößerung der fleischigen Fruchtgehäuse hervorbringen im Vergleiche mit ungepfropften Exemplaren derselben Varietät, und auch (wie schon oben bemerkt worden ist), die Schönheit der Früchte erhöht sich erfahrungsmäßig in Folge der Veredlung, dagegen kann ich eine Geschmacksveränderung der Frucht durch das Veredeln nicht annehmen. Diese Erfahrung leitete zur Doppelveredlung zu jenen Exemplaren welche man Casseler nennt und in der That, ist auch diese Procedur nicht ohne Einfluß auf den Umfang [378] der Früchte. Aber wie kommt es, daß wenn der Pyrus malus veredelt, ja doppelt veredelt wird, daß sich seine Früchte an Größe und Schönheit doch nicht mit jenen messen können, welche von einem veredelten Paradiesstamme gewonnen werden, wenn auch beide gleich gut gepflegt wurden? Ich glaube die Ursachen hierin in 2 Umständen suchen zu müssen. 1) Der veredelte Paradies- und Johannisstamm erträgt ein viel stärkeres Beschneiden der Holztriebe, als der Pyrus malus, was zur Folge hat, daß alle übrig gebliebenen Holzaugen sich zu Zweigen ausbilden, welche nun eine stärkere Circulation der Säfte verursachen. Ehe aber diese Augen zu Zweigen ausgebildet sind, und den vollen Saftzufluß aufnehmen und verarbeiten können, fließt der Ueberfluß des circulirenden Saftes in größerem Maaße jenen Holzaugen, welche weiter unten stehen, zu und führt diese, da schon eine Neigung zur Fruchtknospe in ihnen liegt, schneller der Ausbildung der letzten entgegen, die Fruchtknospen aber können sich um so vollkommener ausbilden und die Anlage einer um so größeren Frucht werden, je mehr der Paradies- und Johannisstamm, vor dem Pyrus malus in seinem Wurzelvermögen so organisirt ist, daß er verhältnißmäßig eine größere Masse von Nahrungssäften aufnehmen kann und das ist der zweite Grund, woraus die Wahrnehmung erklärt werden kann, daß die Früchte des Paradiesstammes vor andern an Größe und Schönheit sich auszeichnen. Wer nämlich die Wurzeln des Johannis- und Paradiesstammes genau beobachtet, der findet, daß hier ein außerordentlich reiches Vermögen von Haarwurzeln vorhanden ist, welche sich mehr an der Oberfläche des Bodens ausbreiten, wo derselbe am fruchtbarsten ist. Durch diese Lage sind auch die Einflüsse der Sonne, der Luft etc. auf die Wurzeln mächtiger, als bei dem Pyrus malus, der seine Wurzeln tiefer und sparsamer treibt. Die große Menge von Haarwurzeln führt aber die Nahrungssäfte einem in seinem Umfange nur kleinen Baume zu, während ein geringeres Maaß von Haarwurzeln die Nahrungssäfte für einen Pyrus malus von ungeheurem Umfang liefern muß; dabei darf nicht übersehen werden, daß solche Zwergbäume in der Regel in einem weit fruchtbarern Erdreich als Hochstämme stehen und auch weit mehr Pflege genießen. Dieselben Mittel zur Vermehrung der Fruchtbarkeit, welche schon oben bei Probebäumen empfohlen wurden, sind auch hier am Orte und ich bemerke nur noch, daß Johannis- und Paradiesstämme eine Doppeldüngung ertragen und namentlich fleißige Düngung dankbar vergelten. Asche und Malzkeime sind von vorzüglicher Wirkung, übrigens muß man sich in Acht nehmen, daß man beim Unterbringen des Düngers, die zu Tage liegenden Wurzeln nicht beschädigt und den Dünger nicht unmittelbar auf dieselben trägt. Salzdüngungen fand ich nicht ersprießlich; nimmt man wenig und gießt nicht flüßig bei trockenem Wetter, so bleibt der Erfolg fast ganz aus; größere Quantitäten aber wirken immer verderblich.

Für Birnen ist bei Sortenbäumen die Erziehung in Spalieren, Kunkeln, oder Pyramiden noch weit mehr geboten, als bei Aepfeln, da wohl alle Aepfel auch auf Hochstämmen reifen und schmackhaft werden, die Herbst- und Wintersorten der Birnen aber fast alle eine Spalierwand oder wenigstens einen regelmäßigen Schnitt und Beförderung der Reife verlangen. Wie bei den Apfelbäumen in Zwergform der Paradies- und Johannisstamm verwendet wird, so bediente man sich früher für Birnen fast ausschließlich des Birnquittenstrauchs zu Unterlagen, der sich ebenfalls [379] durch ein reiches Haarwurzelvermögen auszeichnet; in neuester Zeit aber hat man unerbittlich den Stab über ihn gebrochen und doch haben wir wenn wir[WS 3] eine mäßig wachsende und gleichförmig sich bildende, nachhaltig fruchtbare Pyramide oder Spaliere erziehen wollen, noch keinen Ersatz für diese Unterlage, der ebenbürtig wäre. Weil ein paar Führer das „kreuzige, kreuzige“ über die Quitten-Unterlagen gerufen, so hat alles Volk alsbald nachgeschrieen. Es ist wahr, die Quitte will nicht in jedem Boden fortkommen; sie ist empfindlich gegen Kälte, eigensinnig hinsichtlich der Veredlungsarten, manche Sorten wollen nicht auf ihr gedeihen und verändern sogar geradezu ihre Eigenschaften u. s. w. das sind freilich schlimme Dinge; aber man darf nicht übersehen, daß auf der andern Seite die Quitte in manchem Boden sehr gut fortkommt, besonders wenn er nicht zu hitziger Natur ist und keine Grundwasser hat; wenn die Veredlungsstelle etwa 2–4″ über der Erde sich befindet und Winters angehäufelt und bedeckt wird, so erfriert der Stamm auch bei hohen Kältegraden nicht, manche Sorten z. B. Beurré blanc und Beurré Diel gedeihen vorzüglich auf dieser Unterlage; die Früchte werden ansehnlicher, und solche Sorten, welche auf der Quitte nicht angehen wollen, können doch auf ihr angebracht werden, wenn zuvor eine Sorte aufgesetzt wurde, welche der Unterlage homogener ist; darum sollte man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und die Quitte als Birnunterlage nicht ganz beseitigen wollen; vielmehr sich Mühe geben über ihre üblen Eigenschaften Herr zu werden. In angemessenerem Boden wird die Quitte durch frühzeitige Fruchtbarkeit und schönen Wuchs der Pyramide, immer vor allen anderen Unterlagen den Vorzug verdienen; hat man es doch in Amerika und England in neuester Zeit so weit getrieben, Hochstämme, welche man an der Veredlungsstelle selbstständig Wurzeln bilden läßt, sehr häufig auf Quittenunterlagen zu erziehen. Vielfach ist mir, namentlich von dem erfahrenen Garteninspektor Mezger in Heidelberg, als Unterlage für Birnpyramiden die Pyrus salicifolia empfohlen worden, und ich habe auch von ihm eine Anzahl Exemplare erhalten; da sie aber zu schwach in meinem schweren Lehmboden trieben, sie nicht beibehalten können.[2] Die andern Surrogate, wie Weißdorn etc. sind der Erwähnung nicht werth. Es lassen sich nun allerdings auch die Birnwildlinge (Pyrus communis) zu Unterlagen schöner Pyramiden benützen und zu einem frühen und reicheren Tragen, ja selbst zur Vergrößerung ihrer Früchte eben so durch die Kunst zwingen, wie Pyramiden und Spaliere auf Quittenunterlagen, wiewohl dazu ein ganzer Meister gehört. Das Einbiegen der Zweige ist bei den Birnen auf Wildlingen von ganz günstiger Wirkung. Man setze nur alle Mittel in Bewegung, die dem Baum nicht schaden und die Fruchtbarkeit nicht auf Kosten des Lebens eines Individuum fördern, von welchen schon oben die Rede war; nur einem der neuerdings von mancher Seite gepriesenen Mittel, des Abstoßens der Wurzeln, kann ich das Wort nicht reden und mich nicht entschließen bei den Birnspalieren auf Wildlingen diese gewaltsame Procedur in größerer Ausdehnung vorzunehmen, als zur Prüfung nöthig ist. Schon bei der Auswahl die Sämlinge zu kräftigen Unterlagen, sieht jeder rationelle [380] Obstgärtner auf reichlichste Bewurzelung und zwar mit Recht, und sucht durch Bodenbearbeitung und Beschneiden die Wurzelbildung zu unterstützen und zu mehren; stellt sich nun aber in Folge eines reichen Wurzelvermögens, das bei Birnwildlingen eine Seltenheit ist, ein Ueberfluß von Säften ein, wodurch bei dem in seiner natürlichen Ausbildung durch Beschneiden zurückgehaltenen Zwergbaume die Bildung von Tragknospen erschwert wird, indem dieser Baum nun alle seine Säfte auf die Bildung von Holztrieben verwendet, droht der Baum dadurch in einen Zustand der Verwilderung zu kommen, so giebt es Mittel genug den allzuheftigen Trieb zu mäßigen, ohne den Baum zu verstümmeln und ihm seine Lebensorgane abzustoßen. Die Einrede, der Baum werde ja durch das Abschneiden der Zweige auch verstümmelt, behielte man besser für sich; denn dieses ist eine absolute Nothwendigkeit, wenn man einen Zwergbaum erziehen will; die Holzzweige welche entfernt werden, ersetzen sich wieder nach wenigen Monaten, während eine starke Wurzel mit ihren Bündeln zarter Haar-Wurzeln sich nicht alsbald wieder ersetzt. Ja, rufen sie aus, die Heere Wurzelabstoßer, die abgestoßene Wurzel erneuert sich dadurch doppelt, daß sie an der Stelle, wo die Wurzel abgestoßen wurde, ganze Bündel Haarwurzeln bilden, welche doppelten Ersatz für den Verlust gewähren. Mit dieser Tirade sollte man doch ganz daheim bleiben. Man wird folgendem Dilemma nichts Vernünftiges entgegen halten können. Entweder hat der Baum nicht mehr Wurzeln, als er zu seiner Ernährung und Fruchtansatz bedarf, oder er hat zu viel Wurzeln. (Von dem Falle, daß der Baum zu wenig Wurzeln hätte, kann aus nahe liegenden Gründen hier gar nicht die Rede seyn). Hat der Baum nur so viel Wurzeln als er nöthig hat, so darf man ihm auch, ohne großen Nachtheil keine Wurzeln nehmen; hat er aber zu viel Wurzeln und es wird durch das Abstoßen einer Hauptwurzel eine Menge neuer Haarwurzeln erzeugt, so hat man ja das Uebel noch ärger gemacht.[3]

Bekanntlich ist es eine allgemeine Klage, daß wenn Birnzwergbäume auf Wildlingsunterlagen eine Zeit lang fruchtbar waren, sich solche dann erschöpfen und keine neuen Holztriebe mehr hervorbringen, was seinen Grund darin haben muß, daß die Wurzeln dem Baume nicht mehr die gehörige Menge Säfte zuführen; dieser Uebelstand muß aber in dem Maaße größer werden, als man dem Baume die Organe genommen hat, wodurch er seine Nahrungssäfte aufnimmt, und wenn er nun endlich aufs äußerste geschwächt, keine Holztriebe mehr macht, aber um die Art zu retten, noch auf Kosten des Individuums Früchte ansetzt, so sind das die letzten Anstrengungen vor dem Tode. Wenn also bei einem starktreibenden Baume, durch Abstoßen der Wurzeln, der Knospenansatz nur auf Kosten des Baumes, d. h. seiner Lebensdauer und anhaltender Fruchtbarkeit, hervorgerufen wird, ist eine solche Procedur zu rechtfertigen? Wenn aber Früchte für die nächsten Jahre durch das Abstoßen wirklich erzeugt werden, welche ohne dieses nicht [381] zum Vorschein gekommen wären, so wird auf diese Weise die Quantität auf Kosten der Qualität gewonnen und das Facit ist 0. Jedermann weiß, daß durch das Ausbrechen der Früchte, die hängen bleibenden an Größe und Schönheit gewinnen, oder: je mehr Säfte sich in die Frucht ergießen, um so mehr vergrößert sich dieselbe; nehme ich aber dem Baum diejenigen Organe, durch welche die Frucht ihre Säfte empfängt, so muß ihre Entwicklung ganz in demselben Verhältnisse zurückbleiben, als das minus der Säfte-Zuströmung beträgt. Was ist es anders als eine Illusion, wenn man in vorigem Herbste eine Wurzel abgestoßen hat und nun in diesem Frühjahre über die Masse der Tragknospen staunt und den Erfolg einzig der ausgeführten Operation beimessen will; denn einmal bilden sich, zumal bei Birnen, aus Holzaugen nie in einem Jahre Tragknospen, wenn nicht schon Fruchtspieße vorhanden, oder eine besondere Disposition zu Fruchtaugen präformirt war, und weiter sind ja auch noch andere Faktoren denkbar, welche den Fruchtknospenansatz begünstigten. Was zu viel beweist, beweist Nichts; das gilt besonders denen, welche aus dem Wurzelabstoßen mit einem Sprung auf den Schluß kommen: daher die Fruchtbarkeit. Es war dieses Wurzelabstoßen schon im vorigen Jahrhundert bei den Franzosen üblich, und daß diese Meister in der Erziehung von Zwergbäumen diese Procedur wieder verlassen haben, sollte uns ein Wink seyn, mit um so größerer Vorsicht bei der Anwendung derselben und der Empfehlung an Andere zu verfahren, als seit neuerer Zeit uns keine zuverläßigen Erfahrungen zur Seite stehen – (die Versuche seit ein paar Jahren her dürfen sich noch nicht als Erfahrungen geltend machen wollen) – auf welche man sich mit Sicherheit berufen könnte,[4] und ein schnelles Zufahren auf fremde Autoritäten hin schon so oft mit bitterer Reue gebüßt werden mußte. Es ist eine nicht seltene Erscheinung, daß man Dinge anpreist und behauptet, zu welchen man sich hinreißen ließ, weil man nicht besonnen genug war, vorher zu prüfen, wie es sich mit der Unfehlbarkeit derselben verhalte; nachher ist man so naiv, lieber etwas beharrlich zu verfechten, was man in sein System und seine Praxis als vermeintlich gut aufgenommen hat, als daß man eingestehen möchte, man habe sich übereilt, oder auf fremde Autorität zu viel gebaut.

Bei Anfertigung der Sortenbäume für Steinobst ist dasselbe zu beobachten, was schon oben bei den Probebäumen davon gesagt wurde; nur bemerke ich noch, daß häufige flüssige Düngung während des Wachsthumes der Früchte, auf die Größe und Schönheit derselben von großem Einfluß ist und daß Steinobstbäume weniger empfindlich sind, wenn ihnen thierische Excremente in größerem Maaße und in frischem Zustande reichlich gespendet werden, als Kernobstbäume.

Zum Schluße empfehle ich auch noch einige Sortenbäume für den Blumengarten anzufertigen, um das Schöne mit dem Nützlichen zu paaren. In der That, weiß ich auch kein lieblicheres Bild in einem Garten als ein paar hübsch gezogene Pyramiden von Kirschen, Pflaumen und Aepfeln von den schönsten Früchten in den mannigfaltigsten Farben. Birnen entsprechen diesem Zwecke weniger, doch lassen sich auch aus [382] einem gut ausgestatteten Sortimente eine Anzahl Früchte auswählen, welche hübsch in das Auge fallen und entweder durch Colorit oder Größe sich auszeichnen. Man kann durch Zusammenstellung von 3–4 Pyramiden auf einem Raum von einigen  Ruthen auf einem Rasenplatze eine Scenerie schaffen, welcher weniges an die Seite gesetzt werden kann, indem sie vom ersten Frühlinge, der Zeit der Obstbaumblüthe, bis zum Spätherbst das Auge entzückt. Doch behalte ich mir vor, darauf in einer besondern Abhandlung näher einzugehen; ich fürchte die verehrten Leser der Monatsschrift schon lange ermüdet zu haben und bitte nur noch: lassen Sie sich nicht abschrecken, auch in einem kleinen Raume Probe- oder Sortenbäume anzulegen; sie sind nicht nur die besten Mittel, das Interesse für Obstkunde zu erwecken und zu beleben; sondern belohnen auch durch Genuß und Ertrag reichlich die auf sie verwendete Mühe.


Nachschrift der Redaktion zu vorstehendem Aufsatze: Der vorstehende Aufsatz kann der Redaction der Monatschrift und namentlich auch dem unterzeichneten Verfasser der besprochenen Brochüre über Probebäume, nur willkommen seyn. Nicht nur wird die Wichtigkeit der Probebäume für Erlangung pomologischer Kenntniße nimmer mehr erkannt, sondern es ist die Sache auch noch viel zu neu, als daß nicht noch mancherlei weitere Beobachtungen und Erfahrungen über die zweckmäßigste Anfertigung und Behandlung von Probebäumen nöthig und wünschenswerth seyn sollten. Was die zweckmäßigste Art des Aufsetzens der Probereiser betrifft, ob durch Copulation oder Einschieben in die Rinde, so hängt das wie ich glaube, theils von der Beschaffenheit des Baumes selbst, theils von der Gewandtheit der Arbeiter, die man anwenden kann, ab. Im Allgemeinen habe ich gefunden, daß noch ungeübte Arbeiter immer den geraden Schnitt der Copulation rascher erlernten, als das Einschieben der Reiser hinter der Rinde, und noch voriges Jahr sind die meisten so aufgesetzten Reiser, obgleich ich mehrmals deutlich das rechte Verfahren gezeigt hatte, nicht angegangen. Wo die mit einem Probereise zu versehenden Zweige daumensdick oder dicker waren, habe auch ich mich des Einschiebens hinter der Rinde bedient, das ich dann gewöhnlich selbst that, machte aber dann später auch mehrmals die Erfahrung, daß die stark wachsenden Probezweige durch Wind abbrachen, wenn sie nicht bis zum Herbste durch einen angebundenen Stock befestigt wurden, während durch Copulation aufgesetzte Reiser, so rasch sie auch wuchsen, mir auch von starken Winden niemals abgebrochen sind, wenn der Verband nur weggenommen oder durchgeschnitten wurde, sobald die Reiser 2–3 Zoll lang getrieben hatten. Meistentheils waren die Nebenzweige der Aeste von den Bäumen, die ich in Probebäume umwandelte, nur fingersdick oder dünner, oft neu entstandene schlanke Triebe des letzten Sommers, oder es ließen, neben dickeren Zweigen, sich auch dünnere finden, die dann vorzugsweise zum Aufsetzen der Probereiser durch[WS 5] Copulation gewählt wurden; und da doch meistentheils die Arbeiter die Leiter so setzen konnten, daß sie den Schnitt am Zweige des Baumes ziemlich zu sich ein machen konnten, so gerieth diese Art der Veredlung durchschnittlich immer gut, und wurden die Probezweige stark genug, wenn die Aeste des Baumes gehörig zurückgeschnitten und von zu viel Zweigen gelüftet waren. Will [383] Jemand verhältnißmäßig wenig Reiser auf einem Probebaume anbringen, um mehr Probeäste von 3–5 Fuß Länge zu haben, so wird fast stets das Einschieben der Reiser hinter die Rinde der dickeren Aeste zweckmäßig seyn.

Ob es für die Größe und Güte der Probefrüchte Nachtheil bringe, wenn man ganze Zweige mit möglichst zugleich reifenden Sorten besetzt, darüber habe ich selbst noch keine hinreichende Erfahrungen. Meistentheils mußte ich meine Probebäume mit Sorten besetzen, deren Reifezeit ich noch nicht einmal kannte, oder so wie ich eben wieder ein paar hundert neue Sorten erhalten hatte, und kamen daher früh und spät reifende Sorten fast stets durch einander. Nur in Bardowick hatte ich mir mit den von Diel erhaltenen Reisern einen Probebirnbaum gemacht, wo die im September oder October etc. reifenden Birnen immer auf demselben Aste möglichst beisammen saßen, und wie dieß das Beobachten der rechten Pflückezeit der Frucht sehr erleichterte, was sehr mühsam wird, wenn man alle Aeste eines Baumes wöchentlich zweimal durchsteigen muß, so habe ich damals wenigstens nicht bemerkt, daß die Früchte späterer Reife, an den andern Zweigen kleiner als gewöhnlich, oder wie ich sie später auf gewöhnlichen Hochstämmen, als Standbäumen hatte, geblieben wären. Die früh reifenden Aepfel brachte ich gewöhnlich auf unteren Zweigen rund um den Baum herum an, zu denen man leicht kommen konnte, oder auf Pyramiden. Es ist aber sehr wohl möglich, daß doch größere Vollkommenheit der Früchte erzielt wird, wenn früher oder später reifende Früchte an demselben Aste durch einander sitzen, und wäre es der Mühe werth, dieß durch absichtliche Versuche zu erforschen.

Die von mir angewendeten Namenhölzer wie sie in der Monatsschrift Heft 5 pag. 190 abgebildet sind, die ich geschrieben hatte, ehe ich das Heft kannte, wo sie würden abgebildet werden, halte ich für zweckmäßiger, als die von dem Amtsbruder Hörlin angewandten.

Bei dieser Gelegenheit sey es mir erlaubt, auf Anlaß eines eben erhaltenen Schreibens des Herrn Medicinal-Assessors Jahn, noch kurz meine bisherigen Erfahrungen über die Frage mitzutheilen, ob das Aufsitzen sehr vieler Sorten auf demselben Baume den Baum nach und nach krank machen, und ein Absterben der Probezweige veranlassen könne. Herr Medicinal-Assessor Jahn ist geneigt, sich der Ansicht hinzugeben, daß der verschiedene Trieb und Saftgang einen Baum doch wohl krank machen könne, und klagt daß er genöthigt sey, die schon absterbenden Probezweige von einem Birnbaume wieder wegzunehmen, und auf einem andern anzubringen. Es ist dieselbe Erscheinung an einzelnen Bäumen auch bei mir vorgekommen; aber wie ich im Ganzen noch immer der Ansicht bin, daß ein verschiedener Saftgang in dem Grundstamme durch die Probezweige gar nicht bewirkt werde, und der in die Probezweige hinaufsteigende oder aus ihnen herabtretende Saft schon durch die nächsten Zellenwände so umgewandelt werde, daß er zu dem eigenthümlichen Safte resp. des Probezweiges oder der Unterlage geworden ist, so lag auch das vorgekommene Absterben der Probezweige, das, wenn es von dem Aufsitzen vieler Sorten auf demselben Baume herrührte, an allen Probebäumen sich finden müßte, – sichtbar immer an dem Unterstamme oder wohl noch öfter der Stelle, wo der Probebaum stand, und dem untern oder entfernteren Boden, in welchen die Wurzeln des [384] Grundstamms allmählig hineindrangen. In Bardowick hatte ich 3 große Probebäume von Kernobst, und beobachtete von 1823 an bis 1831 nie ein Absterben eines Probezweiges, selbst unter denen, die im Wuchse sehr zurückblieben. In Sulingen hatte ich 2 große Probeapfelbäume und mehrere dergleichen Pyramiden und blieben bis 1839 alle aufgesetzten Zweige gesund; mehrmals aber starben Zweige an den schlechten und theils im Wuchse ganz zurückgebliebenen Probebirnbäumen ab, für die der Boden zu naß war. In Nienburg trug mein schönster Probebirnbaum von der Roussette von Bretagne 260 Probezweige und ist auf diesem Baum von 1840 an bis jetzt mir nie das Absterben eines Probezweiges vorgekommen; die ich nicht, als werthlosen Früchten angehörend, abschnitt, sind noch jetzt gesund. Dagegen starben im Gipfel eines schon recht alten Birnbaums, an dem die Rinde nach und nach herabstarb, die Probezweige öfter ab, blieben dagegen gesund an einem untern seitlichen, mit 30 Sorten besetzten Aste desselben Baumes, der auch tragbar war, und sichtbar noch Kommunikation mit gesunden Wurzeln des Stammes hatte. Ebenso zeigte sich ein fast jährlich an mehreren Probezweigen vorkommendes Absterben an einem großen, aber im kräftigsten Alter stehenden Probebaume der Guten Grauen, dessen Gipfeläste ich unberührt ließ, und nur rund herum, so weit die Doppelleiter gereicht hatte, Probezweige hatte anbringen lassen. Nachdem die Zweige einige Jahre gesund gewesen waren, und auch schon getragen hatten, zeigte sich ein Absterben von Zweigen zuerst nach einem strengen Winter, und fand sich meistens die Rinde am Zweige des Grundstammes unter einem oder mehreren Probezweigen todt. Es starben nach und nach auch mehrere, mit Probereisern nicht besetzte Zweige des Baumes, und habe ich wieder wohl ein Dutzend verdorbene, dürre Zweige in diesem Frühlinge, als ich dem Baume Reiser von hier nicht angegangenen Sorten entnahm, gefunden, vielleicht größtentheils wieder in Folge des strengen Winters abgestorben. Ueberhaupt sind auch mehrere in dieser Gegend des Gartens stehende Pyramiden seit einigen Jahren so wie ihre Wurzeln tiefer gehen, auffallend krank geworden, während in einem andern Theile des Gartens, der 1 Fuß höher liegt (ohne daß ich jedoch in der mehrern Höhe des Bodens die Ursache suchte) alle schon sehr großen und kräftigen Pyramiden gesund sind, mit Ausnahme allein der Pyramide der Grauen Dechantsbirn, die jährlich mehr abstirbt. Auch ein noch jüngerer, etwa 7 Zoll im Durchmesser haltender Probebirnbaum, gleichfalls von der Guten Grauen, und im niedrigen Theile des Gartens unweit von den, nach Norden und Osten gelegenen Gebäuden stehend, so wie ein ähnlicher von der Grauen, runden Winterbergamotte, die etwa seit acht Jahren Probebäume sind, haben bisher keinen Zweig verloren. Sehr oft starben mir dagegen wieder Zweige ab an drei Probeapfelbäumen in dem Garten in der Stadt (einer davon starb durch Alter nach und nach ab) gewöhnlich durch den in diesem Garten so sehr herrschenden Krebs; ein Theil der Probezweige dagegen, wie ich annehme von Sorten, die zu Krebs weniger geneigt sind, ist 14 Jahre hindurch gesund geblieben. Dagegen hatte ich vor der Stadt, so wie auf dem Schäferhofe und zu Finkalenheide 3 sehr gesunde Probeapfelbäume (2 davon wahrhaft königliche Bäume, besetzt mit mehr als 300 Sorten), an denen bisher, seit etwa 9 Jahren, wo sie angesetzt wurden, [385] kein Zweig abstarb, was wieder auf dem Schäferhofe an einem älteren schlechten Apfelbaume öfter vorkam.

Läge das Absterben der Zweige in einem ungleichartigen Saftgange, so müßte es sich auch wohl mehr im Sommer als zur Winterzeit zeigen.

Wie vielen Einfluß oft der Boden und die Stelle auf Krankwerden eines Baumes haben, davon hatte ich in Nienburg mehrere auffallende Beispiele. Im Garten in der Stadt wurde mir eine in Sulingen kräftige, schöne Pyramide der Engl. Sommerbutterbirn bald krank und litt am Verdorren der Spitzen der Sommertriebe, woran die nur 12 Fuß davon stehenden herrlichen Pyramiden der Salisbury und Amalia von Brabant nicht litten. Ich nahm sie heraus, und pflanzte sie auf dem Schäferhofe, wo der Boden etwas mehr Feuchtigkeit hat, und dort wächst sie seit 10 Jahren gesund und ist jetzt sehr groß. An die Stelle setzte ich eine Pyramide der Roussette von Bretagne deren Hochstamm im Garten (wie obgedacht) so gesund ist. Dieselbe Erscheinung zeigte sich wieder, und ist noch jetzt da, nachdem ich vor einigen Jahren den Baum, weil ich seither den geringern Werth der Frucht für unsere Gegend erkannt hatte, in den Zweigen mit der gleichfalls in allen Probezweigen (einer davon ist ein großer Probeast) in dem Garten so gesunden und tragbaren Kopert’schen fürstlicher Tafelbirn überpfropft hatte.

O.

  1. Auch in der Hohenheimer Baumschule werden solche Pyramiden und zwar zu den gewöhnlichen Preisen für diese Baumform von Aepfeln und Birnen abgegeben.
  2. Eine Gaishirtlebirn die auf P. salicifolia gepfropft wurde, veränderte sich in Form und Geschmack so, daß sie beinahe unkenntlich wurde.
    Ls.
  3. Ich hoffe, es wird mir, einem großen Freund des Wurzelabstoßens bei Pyramiden auf Wildlingen, gelingen, meinen hochgeehrten Freund Hörlin bei seinem nächsten Besuch in Hohenheim durch viele deutliche Erfolge vollkommen zu überzeugen daß er Unrecht habe, dieses Verfahren, welches das sicherste und gefahrloseste ist, freiwachsende Bäume zur Fruchtbarkeit zu bringen, zu verdammen.
    Ls.
  4. Vergl. Puvis, de la taille des arbres. Chap. X. [WS 4] und andere Schriften, sowie eine besondere Arbeit hierüber in der Thüringer Gartenzeitung von einem französischen Pomologen.
    Ls.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 1½–2′ Fuß
  2. Vorlage: statt des Kommas steht nach ersten ein rundes R
  3. Vorlage: mir
  4. A. Puvis: De la taille des arbres fruitiers, de leur mise a fruit et de la marche de la vegétation. Librairie agricole de la Maison rustique, Paris [1850] Gallica
  5. Vorlage: durch durch