Pomologische Monatshefte:1. Band:7. Heft:Erfahrungen und Rathschläge bei Anfertigung von Probe- und Sortenbäumen

Pomologische Monatshefte
Band 1, Heft 7, Seite 328–337
Karl Hörlin
fortgesetzt als:
Pomologische Monatshefte:1. Band:8. Heft:Erfahrungen und Rathschläge bei Anfertigung von Probe- und Sortenbäumen
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Sollen wir unsere Obstbäume durch Aussäen von Kernen vorzüglicher Früchte, ohne Veredlung heranzuziehen suchen …?
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Ueber Obstwerth und Obstverwendung
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Erfahrungen und Rathschläge bei Anfertigung von Probe- und Sortenbäumen, nebst Excursionen in andere Gebiete der Pomologie, welche damit zusammenhängen.
Mitgetheilt von K. Hörlin in Sindringen.
Mit einer Abbildung.

Als ich vor etwa 20 Jahren den Garten eines Collegen besuchte, der sich viele Verdienste um den Obstbau bei uns erworben hatte und dort einige Apfelpyramiden bewunderte, welche durch reichen Knospenansatz sich auszeichneten, fand ich bei näherer Untersuchung, daß sämmtliche Aeste seit ein paar Jahren neu veredelt waren. Die Mittheilung, daß dieser Obstfreund mehrere hundert Sorten auf diesen Probebäumen, ohne Bezeichnung derselben, untergebracht hatte, um die richtigen Namen durch eigenes Raisonnement aufzufinden, zwang mir ein Lächeln ab, denn ich hielt es für eitle Spielerei, seine Zeit und Studien an solche Dinge zu wenden; ich hielt es eines Pomologen würdiger, die entdeckten Obstsorten aufzusuchen und für ihre Verbreitung zu wirken, als seine Obstkenntniß an einer Masse von Früchten zu bereichern, deren Werth nur relativ ist. Allein ich mußte bald die Erfahrung machen, daß solche Obstsorten, welche hoch gepriesen wurden, den auf sie gehegten Hoffnungen nicht entsprachen; daß es ferner in den meisten Baumschulen hinsichtlich der Aechtheit des Sortiments schlecht bestellt war, daß es also, wenn man nicht über immer sich erneuernde Illusionen fortwährend sich ärgern will, nöthig sey, den einzig sicheren Weg einzuschlagen, ehe neu bezogene Sorten verbreitet werden, sie nämlich nach Dauerhaftigkeit, Fruchtbarkeit, Zuckergehalt etc. zu prüfen und zugleich der Aechtheit der Sorte sich zu vergewissern. Bei der Masse gepriesener Sorten älteren Ursprungs und der noch größeren Menge aus Saaten in den letzten Jahren gewonnenen Varietäten, fand ich bald, daß selbst ein Raum von vielen Morgen nicht zureichen würde, alle jene Varietäten in besondern Exemplaren zur Prüfung anzubauen; die Pflege so vieler einzelner Individuen würde in keinem Verhältnisse stehen zu den zu erwartenden Resultaten; eine Anpflanzung in Töpfen, wenn sie auch in so großem Maßstabe ausführbar wäre, würde auch nicht zum Ziele führen, denn es läßt sich aus dem [329] Gedeihen eine Obstsorte bei so reichlicher und guter Pflege, wie bei Topfbäumen, nicht auf ein allgemeines Gedeihen derselben schließen, und der Gewinn von ein paar Früchten stände nicht im Verhältnisse zu der aufgewandten Mühe und den Kosten; endlich würde auch durch die Pflanzung einzelner Individuen das Ziel, zumal bei solchen Sorten, welchen eine späte Fruchtbarkeit eigen ist, so weit hinausgerückt, daß unter dem langen Zuwarten, bis endlich ein paar Früchte gewonnen werden können, der Eifer zu prüfen und zu sichten, leicht ermatten dürfte. Daß aber die Selbstanzucht eines aufzunehmenden Sortimentes für den Pomologen Bedürfniß und Nothwendigkeit ist, muß von selbst einleuchten, denn so wenig ohne lebende Pflanzen das Studium der Botanik mit Erfolg betrieben werden kann, da hiezu Abbildungen nicht genügen; ebenso wenig läßt sich ein ersprießliches pomologisches Studium denken ohne unmittelbare Anschauung lebender Exemplare des Obstes, zumal hier Abbildungen noch weniger ausreichen, als bei der Botanik, da wesentliche Charaktere, wie z. B. Zuckergehalt, Geschmack, Aroma, ganz außerhalb des Bereiches der Darstellung auf dem Wege der Malerei und Plastik liegen. Wenn auch die Verhältnisse so günstig wären, daß eine große Anzahl von Früchten zum Zwecke der Untersuchung und Prüfung aus dem Besitzthum Dritter erlangt werden könnten; so reicht ja bekanntlich die Prüfung der Früchte allein noch nicht zu, über den Werth einer Sorte ein richtiges Urtheil aufzustellen, sondern es muß auch die ganze Structur des Baumes, der Standort, die Beschaffenheit der Unterlage, der Boden und Pflege, frühe oder späte Blüthe und anderes was in näherer Beziehung zur Frucht steht, in Berücksichtigung gezogen werden, und dann erst kann der Pomolog sein Urtheil feststellen. Zu diesem allen aber ist der Selbstbesitz eines Sortimentes nöthig. Man hat freilich in neuester Zeit erlebt, daß es Männer unternommen haben, sämmtliche Obstsorten zu beschreiben, welche keinen Baum besitzen, und vielleicht kein Dutzend Früchte aus eigener Anschauung kennen; es wird aber auch ein solches gewissenloses Verfahren, wenn das pomologische Publikum nicht ernstlichst vor solchen Schriften gewarnt wird, welche die Verwirrung noch verzehnfachen, welche in der Nomenclatur des Obstes so schmerzlich zu beklagen ist – unheilvolle Folgen nach sich ziehen. Für den Landwirth, welcher über ein großes Gut zu verfügen hat, würde die Anpflanzung großer Sortimente, hinsichtlich des Raumes, keine Schwierigkeit haben; aber gerade bei größeren Complexen haben die Landwirthe ihre Thätigkeit auf mancherlei Culturen zu richten, und doch verlangt eine sorgfältige Beobachtung und Prüfung eines Obstsortimentes eine ungetheilte Thätigkeit, wenn etwas Tüchtiges soll geleistet werden. Aber weil Landwirthe von größeren Gütern höchst selten in dem Falle sind, dem Obstbau eine überwiegende Aufmerksamkeit zu schenken, so finden wir auch so selten unter denselben Pomologen im engeren Sinne des Wortes. Wo soll aber der Besitzer eines kleinen Gutes, vielleicht nur eines Gartens, Raum finden, alle Obstsorten, welche er zu kennen oder zu besitzen wünscht, anzupflanzen? dieß kann nur geschehen, wenn er Probe- und Sortenbäume anpflanzt. Ich unterscheide zwischen Probe- und Sortenbäumen, die ersten sollen bloß wissenschaftlichen Zwecken, ferner der Untersuchung über Aechtheit oder Unächtheit einer bezogenen Sorte, der Identität mit andern Sorten, der besonderen Charaktere, sodann der Prüfung über den [330] Werth älterer und neu eingeführter Sorten, besonders auch von Sämlingen, dienen; während Sortenbäume angefertigt werden, um eine größere Anzahl auserwählter und schon geprüfter Früchte zu erziehen; Standbäume für die Fortpflanzung der Sorten in den Baumschulen zu besitzen und diese Bäume zur Verschönerung in Gärten zu benützen.

Zur Anfertigung solcher Bäume gibt uns ein Werkchen des Herrn Superintendenten Oberdieck treffliche Anleitung; da ich aber, bei der Anfertigung meiner zahlreichen Probe- und Sortenbäume, die Sache doch nicht so leicht, schnell und sicher abgethan fand, als sie der Hr. Verfasser obiger Abhandlung schildert (was freilich theilweise in subjectiven Ursachen seinen Grund hat), weil ich ferner in Einigem abweichend von der Oberdieck’schen Anweisung verfuhr; der Gegenstand selbst noch manche Beleuchtung zuläßt und vielleicht auch die Schrift des Hrn. Superintendenten nicht in den Händen Aller ist, welche zum Leserkreise der Monatschrift für Pomologie gehören; so sey es mir gestattet, diesen Gegenstand ausführlicher zu behandeln, theils vom allgemeinen Standpunkte ausgehend, die Vorbedingungen zu bezeichnen, welche bei einem zweckmäßigen Verfahren in’s Auge zu fassen sind; im Besondern aber bei den Zwecken, welche man im Auge hat, meine Rathschläge auseinander zu setzen, wobei ich freilich beim Gegenstand selbst nicht stricte stehen bleiben kann, sondern mir Excursionen auf verwandte, nahe liegende Gebiete erlauben werde.

Die verschiedenen Operationen, welche beim Veredeln der Obstbäume angewendet werden, als bekannt voraussetzend, bemerke ich nur, daß sich alle Veredlungsmethoden bei Probe- und Sortenbäumen anwenden lassen, daß man aber wohl thut, sich derjenigen Veredlungsart in der Regel zu bedienen, in welcher man die größte Fertigkeit besitzt, weil dann auch das Gelingen am wahrscheinlichsten ist. Indessen räume ich doch beim Umpfropfen von Hochstämmen dem Pfropfen in die Rinde den Vorzug vor allen andern Veredlungsweisen ein, weil es am leichtesten auszuführen ist und daher am besten gelingt. Pastor Apricola widerräth das Pfropfen der Probe- und Sortenbäume, weil die Wunden so schwer vernarben und die Edelreiser leicht abbrechen sollen, und empfiehlt das Oculiren, und Herr Superintendent Oberdieck redet vor allen Veredlungsarten dem Copuliren das Wort. Untersuchen wir die Sache näher. Beim Umpfropfen von Hochstämmen muß man entweder auf Leitern arbeiten, welche selten so fest gestellt werden können, daß sie ganz unbeweglich stehen, und je höher der Baum ist, eine um so höhere Stelle muß der Veredelnde auf der Leiter einnehmen, oder aber der Arbeiter stellt sich zu seinem Geschäfte auf geeignete Aeste des Baumes. Wie unsicher aber diese beiden Standpunkte für den Arbeiter sind, weiß jeder, der mit dem Geschäfte des Umpfropfens sich schon befaßte. Bei dem Veredeln kommt aber alles auf zweierlei an; a) daß die Veredlung so geschwind als möglich vollzogen werde, ehe der ausschwitzende Saft vertrocknet, und b) daß das Edelreis und der Wildstamm oder Ast so genau als möglich zusammengefügt werden. Beim Copuliren hängt das Gelingen davon ab, daß der Schnitt sowohl des Edelreises als des zu copulirenden Zweiges so egal als möglich geführt werde, daß Bast auf Bast, wenigstens auf einer Seite, so genau als möglich auf einander zu liegen komme, und daß beim Verbande nichts vom Baumwachs zwischen die auf einander gelegten [331] Flächen eindringe. Dieß hat nun bei einiger Fertigkeit, wenn man auf festem Boden steht, durchaus keine Schwierigkeit, denn hier hat man freie Bewegung; aber ganz anders verhält es sich, wenn man 25′ über der Erde auf einer schwankenden Leiter die Operation vornehmen muß, wobei man nicht einmal einen freien Gebrauch der Hände vollkommen hat. Ich habe zwar bei der Baumleiter zum Feststehen eine Vorrichtung, welche ich sonst noch nirgends sah; es wird nämlich an beliebigen Sprossen der Leiter, welche in Schienenform, von 2″ Breite, gefertigt sind und dadurch größere Festigkeit bieten, ein 1″ dickes und 5″ breites Brettstück mit 2 eisernen Trägern befestigt, worauf man, ohne zu ermüden, längere Zeit feststehen kann; bei niederen Leitern aber lasse ich zum bequemen Stehen die Sprossen dreikantig fertigen, wobei der obere Theil stark 2″ breit und zum Stehen bequemer wird; allein dessen ungeachtet erfordert die Operation des Copulirens auch auf solchen, besser construirten Leitern Anstrengung und ist schwer zu vollziehen, und das gleiche gilt, wenn auch in geringerem Maße, vom Oculiren, das noch den weiteren Uebelstand hat, daß, wenn in mehrjährigem Holze oculirt wird, die Augen nicht gut angehen, wenn man aber im vorjährigen Holze oculirt, die dort sitzenden Augen mit austreiben und das Edelauge in seiner Entwicklung aufhalten. Jedenfalls kommt man durch das Oculiren ein Jahr später zum Ziele, und die Erfahrung lehrt, daß copulirte und gepfropfte Stämme überhaupt sich früher zum Fruchttragen anschicken. Ein Hauptvortheil beim Pfropfen ist, daß zwei Personen zugleich arbeiten können. Ist der Probe- oder Sortenbaum gehörig vorbereitet, d. h. ausgeästet, und sind an den Veredlungsstellen die Aeste abgeschnitten, so wird die Arbeit außerordentlich gefördert, wenn die eine Person das Zuschneiden der Edelreiser und die Befestigung der Etiquetten besorgt, während die andere die Rinde öffnet und den Verband anlegt, und dem abgeschnittenen Ende des Zweiges einen neuen Anschnitt gibt; es bringen auf diese Weise zwei Personen in Einem Tage so viel zu Stande, als ein Einzelner in 3–4 Tagen.[1] Beim Copuliren aber können sich zwei Personen nicht unterstützen, weil dieselbe Hand, welche das Edelreis schneidet, auch die Fläche des zu veredelnden Zweiges schneiden muß, damit beide auf einander genau passen. Es läßt sich, wenn nur Eine Person die Operation verrichtet, nicht vermeiden, daß durch das Bedecken der Wunden mit Baumwachs und Befestigung der Edelreiser durch die Bänder, die Hand beschmutzt wird, wodurch die Unreinigkeit sich leicht dem Edelreise, während es mit der Hand beim Schneiden festgehalten wird, mittheilt, und das Gelingen dadurch erschwert wird. Je schneller die Operation vollzogen werden kann, um so mehr werden im Edelreise und in der Unterlage die Ausschwitzungen der Säfte verhütet, um so kürzere Zeit sind die Edelreiser den Einflüssen der austrocknenden Luft ausgesetzt, wodurch bei oft tagelangem Herumschleppen so manches Edelreis Schaden nimmt. Durch das Pfropfen in die Rinde ist man ferner darauf hingewiesen, die Aeste nicht an der äußersten Spitze zu veredeln, sondern weiter zurückzugehen. Hiedurch wird dem Uebelstande vorgebeugt, daß, wenn etwa das Edelreis, im Verhältnisse zur Unterlage, einen allzu [332] starken Trieb hat, jenes nicht leicht ein solches Uebergewicht erlangen wird, daß der veredelte Zweig das stark treibende Edelreis zu tragen nicht mehr im Stande ist, und dieser sich dann entweder zur Erde neigt, oder bei einer heftigen Erschütterung sich ganz von der Unterlage lostrennt. Zu welcher Veredlungsart man sich aber entschließe, so wähle man zum Verband kein anderes Material, als dünne Leinwand oder Baumwollenzeug, welche man mit einer Mischung im Verhältnisse von 24 Loth gelbem Harze und 6 Lothen Talg (gelinde über Feuer zerlassen, aber ja nicht zur Siedehitze gebracht, weil sonst die aufgestrichene Masse leicht durchschlägt, und an ihrer Klebrigkeit verliert), dünne mittelst eines Messers oder Pflasterstreichers überzieht. Man kann hiezu am besten alte benützte Leinwand oder Baumwollenzeuge gebrauchen, nur sehe man darauf, daß sie dunkel gefärbt seyen, weil solche Stoffe die Lichtstrahlen weniger durchlassen, als helle, und dadurch die Bildung des Cambiums befördert wird;[2] die überstrichenen Stoffe lassen sich leicht in beliebig breite Bänder mit der Hand reißen, und sie sind mit leichter Mühe und viel einfacher herzustellen, als jene Art von Bändern, welche Herr Superintendent Oberdieck in seinem Schriftchen über die Probebäume empfiehlt.[3] Weder Wolle noch Bast geben einen so gut anliegenden Verband, wodurch Luft und Wasser so sicher von der Veredlungsstelle abgehalten werden, als der hier empfohlene; auch hat man nicht zu fürchten, daß solche Bänder, zumal von altem Baumwollenstoffe, einschneiden, wenn die Zweige einmal anschwellen; sie lösen sich nach und nach von selbst ab und bedürfen nur selten einer weiteren Nachhülfe, als daß man auf der Seite einen Einschnitt anbringt.

Die Nummerhölzer oder Etiquetten erhalten bei mir, außer der Nummer, immer auch den Namen und die Quelle des Bezugs, und zwar auf beiden Seiten. Ich lasse die Etiquetten aus trockenem Fichtenholze 2‴ stark, 1″ breit und 5″ lang fertigen, und streiche sie mit einer Oelfarbe von Kremserweiß und 1/12 Schweinfurter Grün an, bediene mich aber nicht des Baumöls, sondern nehme Mohnöl und bringe keine Silberglätte dazu. Diese Farbe blättert sich nie ab, wie es oft bei Bleiweiß geschieht, und es wird auch das Vergelben ganz verhütet.

Das Aufschreiben des Namens etc. geschieht in frisch angestrichenem Zustande, nach dem zweiten Auftragen der Farbe, mit einem möglichst weichen und schwarzen Bleistifte und stark aufgetragen, und wenn das Ganze trocken ist, bringe ich noch über das Geschriebene einen Firniß von Damarrharz und Terpentinöl mit einem einzigen Pinselstrich. Hiedurch erhalten die Nummerhölzer Dauerhaftigkeit und Lesbarkeit auf viele Jahre. In die Etiquetten schneide ich zum Befestigen des Drahtes keine Kerben [333] ein, weil diese leicht ausbrechen und die Etiquetten sodann abfallen; ich bohre dagegen 1″ vom oberen Ende des Nummerholzes herab ein Loch, und befestige den Draht durch mehrfaches Umdrehen so, daß er nicht durch die Vorderseite des Nummerholzes, sondern an der Seite so gehalten wird, daß das Nummerholz sich nicht mehr losmachen kann. Dabei legt sich dann das Nummerholz in horizontaler Lage am Aste, daß es leicht gelesen werden kann. Den Draht überstreiche ich, behufs längerer Haltbarkeit, nicht mit Oelfarbe, sondern lösche ihn, rothglühend gemacht, in Leinöl ab. Da sich die Poren des Eisens durch Wärme erweitern, so ziehen sie von dem Oele an, und beim Erkalten, resp. Zusammenziehen, wird wieder so viel davon ausgestoßen, daß sich eine Lage Oel um den Draht bildet, welche, getrocknet, denselben lange Zeit vor Verrosten bewahrt; ich warne aber davor, den Draht bis zum Weißglühen zu erhitzen, weil er dann spröde und brüchig wird, während er, nur rothglühend gemacht, eine zähere Textur annimmt, dauerhafter wird und sich leichter fest anziehen läßt. Man verwende ja auf die Befestigung des Drahtes an dem Aste alle Sorgfalt, denn nichts ist ärgerlicher, als wenn die Etiquetten, weil sie nicht gehörig befestigt waren, abfallen, oder verloren gehen. Man wird freilich nicht jeden Unfall verhüten können, doch kann man auch hier durch die Vorsicht Schaden und Verdruß zuvor kommen, wenn man an jedem Hauptaste eine General-Etiquette anbringt, welche die aufgepfropften Sorten genau in der Reihenfolge aufzählt, wie solche auf einander am Aste folgen. Ich bediene mich zu diesem Zwecke solcher Etiquetten, welche 1′ lang, 2½″ breit sind, worauf 60 Nummern und Namen Raum finden, eine Zahl, welche an Einem Aste wohl selten überschritten werden kann. Fällt dann auch eine Etiquette einmal ab, so kann ihre Stelle in der General-Etiquette leicht nachgesucht und wieder ergänzt werden. Andere begnügen sich mit einer Aufzeichnung in einem Buche oder Gartenplane, welches freilich der Ordnung halber auch nöthig ist; Collectir-Etiquetten sind aber für den augenblicklichen Gebrauch passender, und für den Fall, daß das Buch verloren geht oder gestohlen wird, ersparen sie viele Mühe, und wenn das Gut in fremde Hände übergeht, sind sie dann dem neuen Käufer eine willkommene Beigabe.

Man hat in neuerer Zeit das Befestigen der Etiquetten mittelst Nägeln empfohlen, und ich habe auch solche vernagelte Probebäume in einer Pflanzung gesehen, aber mich nicht daran erbaut; abgesehen davon, daß einem Baum 100 und mehr Nägel einzuschlagen ein Verfahren ist, das dem Baume nicht zuträglich seyn kann; so gewähren Nägel keine Sicherheit, da sie in lebendem Holze keinen guten Halt finden und bei dünnen Aesten gar nicht gebraucht werden können, und haben noch die Unbequemlichkeit, daß bei Wachsen des Holzes die Nägel wieder herausgezogen werden müssen. Auch den von Hünel in Magdeburg erfundenen, auf galvanoplastischem Wege angefertigten kupfernen Etiquetten kann ich ebenso wenig das Wort reden, als den aus Zinkblech gemachten und mit chemischer Tinte beschriebenen, denn 1) hat man über ihre Dauerhaftigkeit noch keine Erfahrungen und sind wenigstens die letztern der Oxydation unterworfen; 2) sind sie weit theurer, als die aus gutem Tannenholz gefertigten und 3) habe ich nicht gefunden, daß die Schrift jener deutlicher in die Augen falle, als bei den [334] auf oben genannte Art beschriebenen Nummerhölzern.

Noch muß ich auch im Allgemeinen davor warnen, eine zu große Menge von Sorten auf Einen Baum zu bringen, wodurch nicht nur die Uebersicht erschwert wird, sondern auch einer Varietät oft nur Ein Edelreis eingeräumt werden kann, welches jedenfalls nicht mit der Sicherheit die Erndte von Früchten verspricht, als wenn mehrere Aeste mit derselben Sorte veredelt sind, und leicht durch irgend einen Zufall abgeworfen werden kann, wodurch, je nachdem dieses in eine Zeit fällt, die Sorte ganz verloren geht. Den größten Fehler aber machen namentlich Anfänger in der Fertigung von Probebäumen dadurch, daß sie eifrigst bemüht, so viele Sorten als möglich zusammenzubringen, ohne alle systematische Zusammenstellung, ohne alle Rücksicht auf die Vegetation der Sorten, auf Größe der Frucht, auf Verwendung für Wirthschaft oder Tafel: die Sorten der Reihe nach, wie sie eingehen, auf einen Probebaum setzen und sich dadurch ein Chaos schaffen, das sie später verwünschen.

Auch bei der Auswahl der umzupfropfenden Bäume ist große Sorgfalt zu empfehlen. In der Regel werden selbst Obstfreunde, welche Probebäume anlegen wollen, auch über eine Anzucht tauglicher Individuen zu diesem Zwecke zu gebieten haben. Man hat aber nicht allein darauf zu sehen, daß die Edelreiser von gesunder Beschaffenheit seyen, wovon das Gelingen abhängt, sondern man muß sein Augenmerk auch darauf richten, ob die zu pfropfenden Sorten schwache oder starke Triebe machen, ob die Früchte der Sorte groß, mittelmäßig oder klein sind, ob die Frucht früh oder spät zeitigt, voll oder sparsam trägt – was man alles in guten Beschreibungen, wie z. B. von Diel, Oberdieck, Lucas, Dittrich etc. finden kann, und alles dieses fordert seine Berücksichtigung bei der Entscheidung, wohin das Edelreis auf den Probebaum gebracht werden soll. Stark treibende Sorten setze man wo möglich nie auf schwachtreibende Unterlagen; man vermeide, daß ein Ast mit lauter großen und ein anderer nur mit kleinen Früchten besetzt werde, wodurch das Gleichgewicht zerstört würde, man bringe nicht Sorten, welche durchgehends sehr fruchtbar sind, zusammen auf einen Ast, sondern mische Sorten von geringerer Tragbarkeit darunter, damit der einzelne, mit Früchten überladene Ast, nicht auf Kosten der Anderen die Säfte an sich ziehe; man bringe nicht das Frühobst ausschließlich auf die unteren Aeste, wie Oberdieck anräth „wegen des leichteren Einsammelns“, dadurch würde dem später reifenden, an den oberen Aesten sich befindenden Obste, zur Zeit des Früchteansatzes, wo der Baum seine größte Thätigkeit enthalten muß, die Nahrung dadurch geschmälert werden, daß das schon angesetzte und weiter entwickelte Sommerobst den größten Theil der Säfte in die unteren Aeste an sich zöge; man bringe vielmehr das Früh- und Spätobst in möglichst gleicher Vertheilung auf alle Aeste, dadurch wird, wenn das Frühobst einmal abgenommen ist, das Wachsthum des Spätobstes außerordentlich gefördert, die größere Mühe aber, die das Einsammeln des Frühobstes von hochstehenden Aesten verursacht, wird reichlich durch diesen Gewinn vergütet.[4][335] Man bringe ferner die Hauptclassen, z. B. Calvillen, Reinetten, Streiflinge etc., runde und lange Damascenen, Pflaumen, Herzkirschen, Knorpelkirschen etc. je auf einen Ast zusammen; man sehe namentlich darauf, daß nahe verwandte Sorten so nahe als möglich ihre Stelle finden; hiedurch wird die Kenntniß und Unterscheidung der Varietäten, die Wahrnehmung ihrer besonderen Charaktere, der Vegetation, Reifzeit etc. außerordentlich erleichtert; namentlich aber versäume man nicht, an den Spitzen der Aeste, und besonders am Gipfel des Baumes, stark treibende Sorten anzubringen, wodurch der Baum nicht nur zur weiteren Ausbildung seiner Krone angeregt, sondern auch dem Uebelstande abgeholfen wird, daß, wie es der Fall ist, wo schwach treibende Sorten die Spitze der Aeste einnehmen, die untenstehenden Edelreiser die Säfte an sich ziehen, und nicht selten das Absterben des äußersten Zugastes zur Folge haben.

In erster Linie ist nun freilich vor Allem der Baum genau zu untersuchen, der den künftigen Probe- oder Sortenbaum bilden soll. In der Regel greift man bei der Auswahl zu solchen Individuen, welche entweder hinsichtlich der Sorten, welche sie tragen, nicht conveniren, oder nicht fruchtbar sind, oder überhaupt in einem Zustande sich befinden, wo es wenig Ueberwindung mehr kostet, den Baum aufzuopfern. Wenn die Gattungsverwandtschaft zwischen der Unterlage und den Probesorten einmal vorhanden ist, so ist es allerdings ziemlich gleichgültig, welche Varietät der Baum getragen hat, der zum Probebaum avanciren soll; aber man glaube ja nicht, daß dazu jeder alte Knorren gut genug sey, der schon seit Jahren kränkelt, man wähle ja nur gesunde und kräftige Exemplare, wenn man nicht unsägliche Mühe vergeblich gehabt haben will, was ganz besonders vom Steinobst gilt, bei welchen, wenn die Bäume einmal zu kränkeln anfangen, schnell ein Ast um den andern vertrocknet und alle Hoffnungen vereitelt werden. Der Grundstamm muß sich in Ausbildung aller seiner Organe kräftig zeigen, Kernobstbäume, welche durch feste Holzbildung, durch dünne Aeste und Zweige sich bemerklich machen, welche in der Regel von festerer Consistenz sind, als dicke Zweige, taugen nicht zu Unterlagen; denn weil die Kanäle, welche die Holzfasern durchziehen, hier von engerer Construction sind, als bei Bäumen mit reicherem und stärkerem Holze; so führen die engeren Gefässe nicht genug Nahrungssäfte dem mit weiteren Gefässen gebildeten Edelreise zu. Zwar ergießt sich bei solchen Bäumen mit fester gebildeter Holzunterlage, als der veredelten Sorte eigen ist, den Saft reichlich zwischen Splint und Bast in die Aeste, daher das Edelreis nicht abstirbt, sondern ernährt wird, ja, das Anwachsen des Edelreises wird dadurch begünstigt, daß sich leichter bei Unterlagen, deren Holz härter construirt ist, als das des aufgesetzten Edelreises, das Cambium bildet, indem die anomale Structur der Kanäle im Edelreise nicht sogleich die aus den Kanälen der Unterlage aufsteigenden Säfte aufnehmen kann, daher diese an der verwundeten Stelle überfließen und das Cambium reichlicher bilden. Dieses hat dann aber die Folge, daß die Edelreiser wegen der gehemmten Zuströmung der Säfte aus den Gefässen, [336] welche das Holz der Unterlagen durchziehen, nicht zur vollen Entwicklung gelangen können, und daher auch wenige Früchte bringen, oder nach einigen Jahren wieder zurückgehen. Ich will dabei nur kurz erwähnen, wie der Anblick eines Baumes, dessen Basis dünner ist als seine Fortsetzung, schon das Auge beleidigt. Zwar weiß ich wohl, daß es Pflanzenphysiologen gibt, welche behaupten, weil die Fibern des Unterstammes und des Edelreises sich nicht kreuzen, die im Holze der Unterlage sich befindenden Kanäle ihre Säfte nicht in die Holzkanäle des Edelreises ergießen können, daß daher auch das Edelreis seine Nahrung nur aus den Strömungen des Saftes zwischen Splint und Bast schöpfen könne. Allein, so richtig es ist, daß das Edelreis nur als ein Parasit auf seiner Unterlage lebt, und daß ihm seine Hauptnahrung durch die Säfte-Circulation in die Rinde zugeführt wird; so ist damit nicht erwiesen, daß die Säfte, welche durch die Kanäle im Holze aufsteigen, an der Verbindungsstelle mit dem Edelreise liegen bleiben, denn sonst müßten sie nothwendig die Gefässe zersprengen, und wenn sich schon die Kanäle der Unterlage in die Kanäle des Edelreises nicht verlängern, so daß die einen in die andern übergehen, was allerdings nicht der Fall ist, wie man leicht sehen kann, wenn man den aufgepfropften Theil von der Unterlage losmacht; so gibt es ja noch einen andern Weg, wie sich das Edelreis die ausströmenden Säfte aus der Unterlage assimiliren kann, nämlich mittelst des Ansaugens durch seine eigenen Kanäle. Je homogener die Holzbildung der Unterlagen und des Edelreises ist, um so leichter und vollständiger wird die Assimilirung der aufsteigenden Säfte stattfinden. Jene aber, welche immer noch der Ansicht sind, die ganze Säfte-Circulation des Baumes bewege sich nur zwischen Splint und Rinde, darf ich nur auf die Thatsache hinweisen, daß gefällte Bäume im geschälten Zustande ungeheure Quantitäten Flüssigkeiten aufzunehmen im Stande sind, und aus der Mitte des Körpers ganze Massen von Säften ausstömen lassen, wenn sie angebohrt werden.

Wer zu Unterlagen solche Exemplare wählt, welche den stark treibenden Sorten zugezählt werden können, wird aus den angeführten Gründen wohl thun. Auch die Auswahl solcher Bäume zu Unterlagen für Probebäume ist verwerflich, welche im Allgemeinen gesund, aber durch vieljährige große Fruchtbarkeit sich erschöpft haben, wenn sie schon einer Verjüngung bedürfen. Ich hatte vor 2 Jahren einen Hochstamm zu einem Sortenbaum ausgewählt, der den unübertrefflichen Engelberger trug, eine zwar kleine, aber herrliche Reinette, welche an strotzender Fruchtbarkeit alle mir bekannten Sorten hinter sich läßt und der allgemeinsten Verbreitung würdig ist, weil sie selbst rauher Witterung in der Blüthe widersteht; dieser Baum hatte sich durch alljährliches Tragen erschöpft; die Früchte wurden alle Jahre kleiner, die Zweige waren ganz mit Quirlholz überdeckt, und es bildeten sich kaum 1″ lange Holztriebe im Frühjahre. Ich hoffte durch Wegnahme des vielen kurzen Fruchtholzes und durch Aufsetzen einer großen Zahl Edelreiser von meist stark treibenden Wirthschaftssorten, also durch viele Holztriebe den sinkenden Kräften des Baumes wieder aufzuhelfen; aber von 161 veredelten Zweigen sind kaum 40 Edelreiser angewachsen, und jene zeigten, obschon ich nicht zu viele Zugäste stehen ließ, nur einen ganz schwachen Trieb. Ich zweifle nun gar nicht, daß dieser gesund scheinende Baum, nach Wegnahme seiner vielen Fruchtkuchen, in [337] ein paar Jahren sich erholt haben wird, aber gewiß hätte ich besser gethan, dem Baum erst aufzuhelfen und dann die Veredlung mit ihm vorzunehmen, und weil er zu den schwachtreibenden Sorten mit dünnem festen Holze von Natur gehört, ihm auch nur homogene Edelzweige aufzupfropfen. Ist aber ein Baum auch noch kränklich, krebsig, halbfaul, zeigen Steinobstbäume den Harzfluß, dann gebe man sich nur keine Mühe, daraus Probebäume herzustellen, alle Opfer an Zeit, Geld und Arbeit (und sie sind nicht klein) sind hinausgeworfen. Je lebenskräftiger ein Obstbaum ist, um so besser wird er zur Anfertigung eines Probebaums taugen. In größeren Obstplantagen findet man in der Regel mehrere Individuen, welche einen so frechen Wuchs zeigen, daß derselbe kaum zu zügeln ist, daher man bei solchen Exemplaren auch wenig Früchte zu erndten hat. Nach dem Gesetze: daß die Natur auf Kosten des Individuums die Art zu retten sucht, werden solche Bäume bei den gewaltsamen Operationen, die sie durch gänzliche Umpfropfung erleiden müssen, zur Fruchtbarkeit gleichsam gezwungen, und wenn nun die Auswahl auf solche Individuen fällt, so hat man den doppelten Gewinn, 1) einen unfruchtbaren Baum weniger pflegen zu müssen, und 2) sich einen nachhaltig fruchtbaren Probe- oder Sortenbaum geschaffen zu haben.

(Schluß folgt.)

  1. Dieß kann ich aus Erfahrung bestätigen.
  2. Diese Erfahrung Hörlin’s ist mir seither unbekannt gewesen; ich habe zum Befestigen der Reiser mit gutem Erfolge seither meistens guten Lindenbast genommen, und die ganze Veredlungsstelle mit flüssig gemachtem Harz überstrichen.
    Ls.
  3. Oberdieck hat in neuester Zeit auch dieser Art von Bändern, wie ich sie seit 12 Jahren erprobte, das Wort geredet.
    Der Verf.
  4. Frühreife Sorten auf die unteren Aeste zu bringen, empfehle ich auch, und zwar nicht bloß wegen des bequemen Einsammelns, was übrigens gar sehr zu berücksichtigen ist, sondern besonders wegen dem vorherrschend stärkeren Trieb beinahe aller im Sommer reifenden Obstsorten. Die unteren Aeste stehen aber bekanntlich den obern in Vezug auf Stärke des Wuchses in der Regel nach, und mir sind mehrfach schwachtriebige Sorten, die auf den, stärkerm Saftzufluß genießenden, oberen Aesten herrlich gediehen sind, auf untern Aesten bald ausgegangen, während die starkwüchsigen Frühsorten hier gemäßigter wachseir und bald und reichlich Früchte tragen.
    Lucas.