Pomologische Monatshefte:1. Band:3. Heft:Ueber eine neue Methode der Stecklingsvermehrung aller strauch- und baumartigen Gewächse

Pomologische Monatshefte
Band 1, Heft 3, Seite 93–95
Hermann Haffner
Steckling
fertig
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Die Obstausstellung zu Stäfa am Zürcher See, und Bemerkungen über die Obstcultur in der Schweiz
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Ueber Fortpflanzung edler Kirschsorten durch Steckreiser
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Ueber eine neue Methode der Stecklingsvermehrung aller strauch- und baumartigen Gewächse.
Vom Herrn Herrmann Haffner in Cadolzburg in Bayern.

Nicht alle die neueren Erfindungen, wenn sie sich nicht auf eine langjährige Praxis stützen können, sondern oft nur eine augenblickliche Idee sind, verdienen wirkliche Verbreitung; denn die meisten, die sie in Anwendung bringen würden, dürften sich in ihren Erwartungen getäuscht sehen.

Vielleicht ist keine Erfindung weniger stichhaltig, als die, von der wir sprechen wollen; dieselbe hat zwar augenscheinlich sehr vieles für sich, was jedoch bei näherer Betrachtung in sich selbst zerfällt. Es leuchtet jedem Baumzüchter ein, daß die bogenförmig in den Boden gesteckten Stecklinge[1], durch das Biegen, leicht antreiben, da der Saft an der oberen Knospe des Bogens, [94] einen Ausweg sucht, denselben aber nur dann finden kann, wenn er durch die Knospe einen neuen Trieb erzeugt. Wir haben aber gefunden, daß dieser Trieb oft eine Länge von 2–6 Zoll erreichte, ohne daß sich eine einzige Wurzel erzeugt hatte. Es bildete sich zwar an dem unteren Ende der Bögen Callus, welcher aber keine Wurzeln hervorbrachte; es mußten demnach natürlicher Weise die Triebe wieder absterben.

Diejenigen Holzgewächse, welche bei der gewöhnlichen Stecklingsvermehrung gedeihen, haben allerdings auf diese Weise (bogenförmig gesteckt) ein thätigeres Wachsthum gezeigt, mit Ausnahme der Quitten, welche bei der gewöhnlichen schiefen Einlegung besser antreiben und weniger ausbleiben.

Wir erlauben uns, die Resultate unserer Versuche hier aufzuführen. Dieselben waren folgende:

Im Jahr 1852: der wilde Holzapfel, der Johannisapfel, der holländische und französische Doucin wuchsen sehr gut; die Gemeine Holzbirne, und einige Reiser von Napoleon’s und Diel’s Butterbirne gingen, nachdem sie fast einen halben Schuh getrieben hatten, wieder zurück, obgleich sie schon anfingen Faserwurzeln zu erzeugen. Es dürfte hieran große Hitze und Trockenheit, nach unserer Ansicht, die Schuld tragen, sowie auch, daß die feinen kleinen Würzelchen nicht Nahrung genug für den schon ziemlich starken Trieb, im Verhältniß zu jenen, heranziehen konnten.

Ostheimer Weichsel-, Pflaumen-, Buchen- und Eichen-Stecklinge sind gänzlich unthätig geblieben.

Die Resultate von 1853 waren besserer Art, als die des vorangegangenen Jahres. Es sind gewachsen:

Der wilde Holzapfel; Pomme de St Jean; Gemeine Kirsche; Ostheimer Weichsel; der große Gobet; die Mirabolane, (Kirschpflaume) dieselbe wächst aber auch außer dieser Methode, auf die gewöhnliche Stecklingsvermehrung; Quitten sind zwar gewachsen, gedeihen aber viel besser und sicherer auf die gewöhnliche Methode; Prunus Mahaleb; Berberizen; Eichen, von 36 Stück Einlegern 3 Stück; Buchen gar keine; Himbeeren desgleichen; Stachelbeeren sind wohl einige gekommen, stehen jedoch zu den Einlegern in gar keinem Verhältniß; Johannisbeeren desgleichen; die Johannisbeere verträgt das Biegen nicht und wächst viel leichter auf gewöhnliche Weise. Einige gemeine Haselnüsse haben zwar sehr schön angetrieben, jedoch nur Callus und keine Wurzeln erzeugt; Weiße Maulbeere desgleichen; Schwarze Maulbeere, sowie Mespilus canadensis trieben gar nicht. Syringa vulgaris, sowie Symphoricarpus racemosa sind nicht gewachsen; Taxus baccata ist zwar gewachsen, wächst aber auch auf die gewöhnliche Methode.

Wir sehen durch das Angeführte, wie wenig diese neue Vermehrung eine Einführung für das Allgemeine verdient, denn auch angenommen, es wüchse der dritte Theil der eingelegten Reiser, so sind doch zwei Drittheil verloren, mit denen man eine große Anzahl Stämme veredeln könnte, deren Wachsthum doch viel sicherer ist.

Offen gestanden, würden wir immer die veredelten Bäume, denen durch diese Stecklingsmethode vermehrten, vorziehen. Wir halten im Allgemeinen es für besser, wenn Aepfel und Birnen, hauptsächlich, wenn sie zum Anpflanzen für rauhere Lagen bestimmt sind, in die Krone von kräftigen Wildlingen veredelt werden; wir haben in [95] der Dauerhaftigkeit und Stärke derselben gewissermaßen eine Garantie für das Gedeihen der darauf gesetzten Edelreiser. Für Haselnüsse, Kirschen, Pflaumen würden wir diese Anzucht durch Stecklinge der Veredlung, sowie den Ablegern vorziehen, insofern mehr dabei erzielt werden würde, wenn die Resultate derselben so gewesen wären, daß die Anwendung dieser Methode einen Vortheil für die Praxis verspräche. Neuerdings haben wir uns mit einigen Versuchen durch Einlegen der Aeste, wurzelächte Pflanzen zu erzeugen beschäftigt, und geben hier die Resultate, welche wir erzielten; bitten jedoch solche vorläufig nur als Experimente betrachten zu wollen. Sind die späteren Erfolge der Art, daß sie zur allgemeinen Kenntniß gebracht werden können, so werden wir nicht verabsäumen solches zu thun.

Die Art dieser Einlegung besteht darin, daß wir um die dem Boden nächsten Aeste, hart an dem Stamm einen Bleidraht anlegten, denselben so stark anzogen, daß er einschnitt, und die ganze Stelle mit Erde bedeckten. Diese eingeschnittenen Aeste erzeugten an der wunden Stelle Callus und sehr schöne Wurzeln. Sie wurden nun gänzlich von dem Stamme abgelöst und bilden sehr schöne, kräftig treibende Bäumchen. Diese Versuche sind an der Frauendorfer Weichsel vollzogen worden.

Es sollte uns freuen, wenn auch andere Gartenfreunde sich veranlaßt sähen, derartige Versuche zu machen und ersuchen wir dieselben, seiner Zeit in dieser Zeitschrift ihre Erfolge veröffentlichen zu wollen.

Anmerkung zu vorstehendem Aufsatze. Der Unterzeichnete muß ganz der in diesem Aufsatze vorgetragenen Ansicht beistimmen, daß die in demselben beregte Vermehrung der Obstbäume durch bogenförmig eingelegte Stecklinge allgemeinere Anwendung zur Erziehung von Obstbäumen nie finden werde, und Veredlung auf aus Kernen erzogene Wildlinge immer rascher und leichter zum Ziele führen werde. Er kann aus früheren eigenen Versuchen mit mehreren hundert Obstreisern, in verschiedenen Jahren angestellt, (nach damaliger Methode nur unter schräges Einstecken der Reiser in fettes Erdreich, jedoch mit Verklebung der oberen Schnittwunde durch Baumwachs, auch gehörigem Begießen bei trockener Witterung), bestätigen, daß die Stecklinge mit und ohne Glasbedeckung weiter nicht kamen, als daß ein kleiner Theil der Reiser an der unteren Schnittwunde Callus bildete, während die Mehrzahl zuletzt in der Erde faulende Rinde hatte. Könnte man die Stecklinge bis zu einem nächsten Frühlinge lebendig erhalten, so würde wahrscheinlich bei erwachendem neuen Safttriebe der gebildete Callus Wurzeln austreiben, doch würde, wenn dies gelänge, Mühe und Arbeit wieder vermehrt und bleibt abermals die gewöhnliche Vermehrungsmethode leichter. Bemerken muß man noch, ob das leichtere Anschlagen bogenförmig in die Erde eingelegter Stecklinge im Verhältnisse zu schräg eingelegten vielleicht darauf beruht, daß statt Einer Schnittwunde nur am untern Ende des Stecklings deren zwei Saft einsaugen und dem oben auf dem Bogen stehenden Auge reichlichere Nahrung zuführen. Ist bei gewöhnlichen Stecklingen die obere Schnittwunde mit Baumwachs bestrichen, so erleidet der Saft bei dem obersten Auge ebensowohl eine Hemmung und müßte daher Triebe erzeugen. Weitere Versuche über Anziehung von Obstbäumen durch Stecklinge behalten indeß immer Interesse, und Anzucht wurzelächter Stämme, auf die am Schlusse des vorstehenden Aufsatzes angegebene Weise, bei welcher die Bewurzelung sicher erfolgt, behalten jedenfalls Werth zu Versuchen, wie eine Obstsorte ohne fremde Unterlage sich erhält.



  1. Diese neue Erfindung wurde zuerst bei der Versammlung deutscher Land- und Forstwirthe in Nürnberg in der Sektion für Obst- und Gartenbau bekannt gemacht, und findet sich in dem gedruckten Bericht ausführlich beschrieben.
    D. Red.