Pomologische Monatshefte:1. Band:3. Heft:Ueber Fortpflanzung edler Kirschsorten durch Steckreiser

Pomologische Monatshefte
Band 1, Heft 3, Seite 96–97
(unbekannter Autor)
fertig
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Ueber eine neue Methode der Stecklingsvermehrung aller strauch- und baumartigen Gewächse
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Einfache Methode Obstsorten in Umrissen zu zeichnen
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Ueber Fortpflanzung edler Kirschsorten durch Steckreiser.
Vom Herrn T. mitgetheilt in den Frauendorfer Blättern Nr. 38. vom 3. Oktober 1854.[WS 1]

Dem vorigen Artikel möge sich der Vollständigkeit und des Interesses halber, den dieser Gegenstand für den Baumzüchter hat, der hier genannte Aufsatz aus den Frauendorfer Blättern, etwas abgekürzt, anschließen.

Die Red.

„Wenn wir unsere edeln Kirschsorten durch Steckreiser fortpflanzen können, so haben wir, da der Kirschbaum zur Vermehrung durch Wurzelsprossen sehr geneigt ist, den großen Vortheil davon, daß wir die edeln Sorten nicht mehr durch Veredlung anzuziehen brauchen, sondern daß jene nun gleich gut aus der Wurzel erwachsen. Die Wichtigkeit davon ist sehr einleuchtend, aber Versuche sind damit noch wenig gemacht, oder diese wenigstens nicht allgemein bekannt geworden.

Seit mehreren Jahren habe ich diesem Ziele, wurzelechte edle Kirschbäume zu erziehen, nachgestrebt, und zu dem Ende alle Jahre Steckreiser auf verschiedene Art behandelt und zum Wurzelschlagen in die Erde gebracht; aber der Erfolg entsprach meinen Erwartungen nie, und ich hätte die Sache beinahe wieder aufgegeben, als mich folgender Zufall belehrte, wie man die Steckreiser zur Erziehung junger Kirschbäume am zweckmäßigsten behandeln muß. Ich hatte nämlich einige im vorigen Jahr veredelte Süßkirschenstämmchen ausgeputzt und die ziemlich starken und langen Zweige, die das Edelreis getrieben hatte, mit ihren untern Enden in ein Wasserfaß gestellt, um bei Gelegenheit mit selbigen die Wurzelkopulation vorzunehmen. Dies wurde vergessen und nach 10–14 Tagen fand ich, daß die Zweige schon stark getrieben hatten, zugleich aber auch, daß die Rinde, so weit sie im Wasser gestanden hatte, an einigen Stellen aufgesprungen und daß dies durch kleine weiße Erhabenheiten von der Gestalt und Größe eines Hirsenkorns, veranlaßt worden war.

Diese Erhabenheiten waren Ansätze zu Wurzeln und ich ließ nun die Zweige zu vollkommenerer Ausbildung derselben noch länger im Wasser, welches letztere in dieser ganzen Zeit nicht erneuert wurde. Nach abermaligen acht Tagen waren die Wurzeln schon einen Viertelszoll lang gewachsen. Ich stutzte nun die Zweige so ab, daß nur ein Auge über die Erde zu stehen kam, und verpflanzte sie mit der Behutsamkeit, daß ich die Erde an die zarten Wurzeln mit hinlänglichem Wasser anschwemmte. Jetzt haben alle auf diese Art behandelten Zweige vollkommen gesunde Schosse getrieben. Um mich zu überzeugen, ob auch das Wachsthum der Wurzeln verhältnißmäßig fortgeschritten sey, hob ich eins davon aus, und fand zu meinem Vergnügen die jungen Wurzeln bis 1½ Zoll verlängert.

Es ergibt sich also hieraus, daß es auf die beschriebene Art recht gut möglich ist, aus Steckreisern Bäume zu erziehen. Auch ist diese Art der Vermehrung nicht nur bei Kirschen, sondern auch bei Aepfeln und Birnen anwendbar; da aber letztere sich nicht leicht durch Wurzelschosse fortpflanzen, so gewinnt man auch weniger dabei, als bei den Kirschen, und die Veredlung auf gute Kernstämme ist hier billig vorzuziehen.

Außer den Kirschbäumen lassen sich auch Pfirsiche und Mandeln mit Vortheil durch Steckreiser vermehren. Denn unter der oben angegebenen Behandlung schlagen diese nicht nur leicht Wurzeln und wachsen [97] schnell, sondern ein solcher Naturbaum ist auch weit dauerhafter und gesunder, als ein anderer, der auf Pflaumen veredelt worden ist, indem letzterer eher als jener am Harzfluß leidet.

Bei der Behandlung der Steckreiser ist noch zu bemerken, daß sie nicht eher, als bis sie aus dem Wasser genommen werden, abgegipfelt werden dürfen; denn hier sind alle Augen nöthig, um die Bewegung des Saftes und dadurch das Austreiben der Wurzeln zu befördern. Haben sich letztere aber gezeigt und das Reis soll nun in die Erde versetzt werden, so läßt man ihm nicht mehr als Ein Auge über derselben; weil die noch schwachen Wurzeln desselben, die überdies auch an einen ungewohnten Ort verpflanzt worden sind, mehrere nicht ernähren können.“

Diese Art der Vermehrung der Obstbäume aus Stecklingen scheint jedenfalls einer größeren Beachtung werth, als die seither bekannt gemachten und es wäre recht zu wünschen, daß zahlreiche Versuche, die ja sehr einfach zu machen sind, damit angestellt würden. Ich werde sowohl mit jährigen Zweigen, als mit Sommertrieben von den verschiedenen Obstgattungen Versuche anstellen und später über deren Erfolge berichten, bitte aber auch andere Baumzüchter dasselbe zu thun. Was mich für diese Methode günstig stimmt, trotzdem daß sich sämmtliche früher und jüngst angerühmte Methoden der Stecklingserziehung nicht bewährten, und man eigentlich nur mit großem Mißtrauen noch an dergleichen Versuche gehen sollte, ist eine Erfahrung an einem Apfelreise, welches ich um das Ablactiren mit grünem Holz zu zeigen, mit dem untern Ende in ein Gläschen mit Wasser steckte (Anfang August), worin es sich nun noch befindet und einen sehr schönen Callus gebildet hat, während andere Apfel-Stecklinge, nach der vorher von H. Haffner erwähnten neuen Methode behandelt, längst in derselben Zeit verfault sind.

Nvbr. 54.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vereinigte Frauendorfer Blätter. Herausgegeben von der praktischen Gartenbau-Gesellschaft in Bayern. Jg. 1854, S. 301 MDZ München