Pfingstgedanken (Lavant)
Wie waren sie so froh erschrocken,
Die Männer einfach und gering,
Wie fühlten sie die Pulse stocken,
Als Windesbrausen sie umfing
Auf ihre Häupter niederging!
Da fühlte Jeder Kraft und Werth,
Da sprachen plötzlich sie in Zungen,
Da ist ihr Wort beredt erklungen
Und hat die Lauschenden bekehrt.
Die Menge sah es tief betroffen,
Von ehrfurchtsvoller Scheu bewegt;
Die wenig Träumer nur gehegt,
Und schüchtern hat ein frohes Hoffen
In ihrer Seele sich geregt:
Das Hoffen, daß auf neuen Pfaden
Das allen denen, die beladen,
Noch stets in graue Nebel fiel,
Daß in der Fluth sich dürfe baden
Des festgefahrnen Schiffes Kiel.
Vor diesem Schauspiel tief verstimmt.
Wenn Andre eine Lösung fanden,
Die ihrem trüben Blick verschwimmt
Zu aller Zeit, in allen Landen
Sie mieden klüglich all’ und jede
Begegnung, dämmend ihren Groll;
Erklärten sie das Volk für toll
„Sie sind des süßen Weines voll!“
Der alte Text, die alte Weise,
So lang’ der Erde Vesten stehn!
Sie müssen eben, laut und leise,
Sie wollen stets im alten Kreise
Sich ehrfurchtsvoll beräuchert sehn.
Und wer die Hände keck und schnöde
Legt in die Wunden seiner Zeit,
Im Wege der Gerechtigkeit;
Von da zum wilden: „Tödte! Tödte!“
Ist es bekanntlich auch nicht weit.
Doch stimmten solche alten Bilder,
Den rechten Menschen merklich milder –
Man tödtet ja die Wahrheit nicht, –
Und wenn noch giftiger und wilder
Die alte Satzung man verficht.
Schwillt immer wieder mir die Brust,
Wenn ins Gewirr von Laub und Ranken
Ich flüchte aus der Gassen Wust;
Im Hochgefühl der Frei’n und Franken
Auf denen Halmgewoge sprießt,
Im Thau der milden Frühe schreiten,
Wo sie der Blumen Duft umfließt,
Das Pfingsten in die Brust mir gießt!
Anmerkungen (Wikisource)
Ebenfalls abgedruckt in:
- Der Wahre Jacob, Nr. 75 (1889), S. 593. Gedicht signiert mit "Jacob".