Panama in Mittelamerika

CCCXXXVI. Hobartstown Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band (1841) von Joseph Meyer
CCCXXXVII. Panama in Mittelamerika
CCCXXXVIII. Die Paulskirche in London
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PANAMA

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CCCXXXVII. Panama in Mittelamerika.




Der Handel ist ein Kind der Civilisation, und ein handelsgroßes Volk war jederzeit auch groß in der Bildung. Die wichtigsten und nützlichsten Erfindungen und Entdeckungen verdankt die Menschheit von jeher handeltreibenden Nationen; Gewerbe und Manufakturen, Künste und Ackerbau konnten von jeher erst dann recht gedeihen, wenn der Handel ihre Stütze war; wo der Handel blühte, war auch das Leben reich. Noch staunt man über das, was Carthago, Syrakus, die phönizischen Städte gewesen. So war Aegypten, von Sesostris an bis auf den letzten Ptolomäer, jedesmal groß, wenn der Sig des Handels dort war, und jedesmal stürzte es von seiner Höhe herab, wenn dieser wich. So Venedig; so Genua; so Portugal; so Spanien; so Holland; – und der Britannia Weltthron wäre längst eingestürzt, stützte ihn des Handels Hand nicht, die ihn aufgerichtet.

Das Streben nach Handelsgewinn führte zur Entdeckung der neuen Welt, und die Macht und Handelsgröße Spaniens fand in Amerika Jahrhunderte lang dort ihren Stützpunkt. Nachdem die vorgefundenen Bevölkerungen meist ausgetilgt worden waren, weniger durch das Schwert der fanatischen Eroberer, denn durch die Laster und Seuchen, welche, als neue, unbekannte Würgengel ihnen die Europäer zuführten, oder durch die harten Arbeiten, zu welchen diese die Ueberwundenen verdammten, wurde der Welttheil auf’s neue bevölkert durch die unzählichen Schaaren auswandernder Europäer, welche Golddurst nach dem Eldorado zog. In den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts wanderten aus Spanien jährlich an 100,000 Menschen hinüber, die das neu aufgefundene [24] Land nur eine kurze Zeit zu plündern nöthig glaubten, um dann auf Lebenszeit geborgen zu seyn. Die köstlichen Metalle, Gold und Silber, waren es, deren Aufsuchung die Europäer vorzugsweise beschäftigte; denn keine Arbeit lohnte so reichlich, als die in den Minen. Von den Feuerbergen Patagoniens an bis zu den Gebirgen Kaliforniens wurden der Erdrinde Rippen durchwühlt, und in den Regionen des ewigen Schnees, auf den Hoch-Anden, witterte die Habsucht verborgene Schätze auf und beutete sie aus. 19,000 Minen, wo Gold und Silber gegraben wurde, standen im 16. Jahrhundert in Amerika in Betrieb, und fast die ganze Bevölkerung des Welttheils, jene wilden Indianerstämme ausgenommen, welche die Undurchdringlichkeit ihrer Wälder oder die Metallarmuth ihres Gebiets vor der Hand der Europäer schützte, bestand aus Berg- und Hüttenleuten. Als der Bergbau abnahm an Ergiebigkeit, folglich die fort und fort zuströmende europäische Einwanderung auf andere Erwerbsquellen sinnen mußte, fand man, daß der Boden neben Gold und Silber köstliche Produkte hervorbringe, die mit denen Ostindiens an Werth wetteifern konnten. An die Bergbaubevölkerung schloß sich eine ackerbauende an; die Cochenille von Mexiko, der Indigo von Guatimala, der Tabak von Varinas und Cuba, die Chinarinde von Peru, der Cacao von Caraccas, die schönen Farbehölzer Brasiliens und von Honduras, die Kultur des Kaffees und Zuckerrohrs in Westindien und Südamerika wurden für die Einwanderer nicht minder reiche Goldgruben, als die Minen selbst. Es machte sich diese Produkte Europa nach und nach zum Bedürfniß und ihr Verbrauch nahm zu fort und fort. Hätte nicht die verkehrte, scheelsüchtige Politik des spanischen Hofes die Entwickelung Amerikas gewaltsam gehemmt, sie wäre das Zehnfache und für Spanien die Quelle einer Größe und eines Reichthums geworden, für deren Umfang selbst das heutige England keinen hinlänglichen Maaßstab abgibt. Bei der steigenden Wichtigkeit der Colonien aber hatte man angefangen, den Handel unter gewisse, leicht zu übersehende Regeln zu zwingen, welches man mit dem Namen des Colonialsystems belegte. Bei diesem System hatte man den Grundsatz vor Augen, daß die Colonisten nur Agenten für den Mutterstaat seyen; daß, weil die anfängliche Eroberung des Landes und die Ansiedelung vom Mutterstaate geschehen sey, jeder Nutzen, welcher aus ihnen erwachse, auch nur dem Mutterlande zufließen müsse. Nach diesem System nun mußten die amerikanischen Colonien ihre sämmtlichen Erzeugnisse nach Spanien senden; nicht einmal der Austausch der Bedürfnisse der amerikanischen Lander unter sich war gestattet: es war Grundsatz, daß jede Colonie, was sie brauchte und nicht selbst produzirte, ausschließlich aus Spanien empfangen mußte. Es betraf dies nicht bloß die Gegenstände der Fabriken und Manufakturen, sondern es wurde sogar auf alle solche Lebensbedürfnisse ausgedehnt, welche das Mutterland erzeugte. Solche durften die Colonien nicht selbst bauen, obschon sie dieselben zum fünften Theil des Preises bauen mochten, zu dem sie Spanien lieferte. So war, um ein Beispiel von hunderten zu nennen, der Wein- und Olivenbau im spanischen Amerika bei Todesstrafe untersagt.

[25] Um sich in Spanien die Controle über Ein- und Ausfuhr recht bequem zu machen, sandte man die Bedürfnisse für die Colonisten nur in 2 Geschwadern jährlich ab. Das eine, welches man die Gallionen nannte, segelte von Cadix nach Portobello, und von da wurden die sämmtlichen Güter, welche nicht auf der Westküste blieben, queer über den Isthmus auf Maulthieren nach Panama geschafft, von wo sie sich nach Peru und Chili weiter vertheilten. Gleichzeitig sammelten sich in Panama die Schätze des gold- und silberreichen Südamerika, um von da über die Landenge auf Maulthieren nach Portobello zur Einschiffung nach Europa gebracht zu werden. In Portobello und auch in Panama waren während der Anwesenheit der Gallionen Messen, und namentlich war die in erstgenannter Stadt, welche 40 Tage dauerte, die brillanteste, die zu irgend einer Zeit in der Welt gewesen. Das andere Geschwader, die Flota, ging von Cadix nach Veracruz, wo ein ähnlicher Handel statt fand. Sobald beide Flotten ihre Rückladungen eingenommen hatten, versammelten sie sich in der Havannah und kehrten vereint nach Europa zurück. Bei diesem Monopolhandel verdienten die spanischen Importeurs häufig 200 bis 300 Procent, und zwischen ihnen und den Consumenten stand noch eine lange Reihe von Mittelspersonen, welche mit den Käufern aus erster Hand in Panama und Portobello anfing. So konnte es wohl geschehen, daß in Quito (im 18. Jahrhundert) das Pfund Stabeisen über drei Gulden kostete, und viele reiche Silbergruben nur darum zum Erliegen kamen, weil die ungeheuern Preise der unentbehrlichsten Bedürfnisse mehr Kosten verursachten, als die Erzbeute betrug.

Panama blühete unter diesen Verhältnissen zu einer der schönsten und reichsten Städte Amerika’s empor. Sein größter Flor fällt in das 17. Jahrhundert. Die Stadt hatte damals 90,000 Einwohner. Als aber der Schmuggel der Niederländer und Britten mit den spanischen Colonieen den gesetzmäßigen Handel des Mutterlandes immer mehr schmälerte, nahm auch Panama’s Flor ab, und als man, bei vervollkommneter Schifffahrt, den langen Weg um das Cap Horn nach den amerikanischen Westküsten dem kürzeren, aber kostspieligeren Landtransport von Portobello queer über den Isthmus vorzog, verlor Panama die ausschließlichen Vortheile, die es bisher genossen hatte. Nach der Trennung der Colonieen vom Mutterlande sank es zur bloßen Landstadt herab, die jetzt 13,000 Einwohner hat. Keine Spur seiner ehemaligen Handelsgröße ist mehr übrig. Im Hafen vertreten ein paar armselige Piroguen die Kauffahrerflotten der Vorzeit, und die nach Portobello führende gepflasterte Straße, sonst jährlich von 3–400,000 Maulthieren begangen, auf die sich der Handel der halben neuen Welt hin und her bewegte, ist verlassen und mit Gestrüpp und Gras überwachsen. Die Schwesterstadt Portobello ist noch tiefer gesunken. Es ist dieser weltberühmte Hafen jetzt nichts weiter als ein elendes Dorf von Bambushütten, eingebaut den Ruinen der alten Prachtstadt. Der Ort, die Wohnung der äußersten Armuth, zählt kaum 1200 Seelen.

[26] Das 19. Jahrhundert, berufen, die Verbindungen der Völker zugleich zu vereinfachen und zu vervielfältigen, wird auch Panama wieder blühend machen; denn obschon man die Wichtigkeit seiner Lage an der Landenge, welche beide Hälften der neuen Welt zusammenknüpft, längst erkannt hat, so sind doch erst in der Neuzeit die Mittel gegeben, sie recht geltend zu machen.

Es gilt, die Landenge mittelst eines Kanals oder einer Eisenbahn zu durchschneiden, die von der Ostküste nach Panama führt. Vergeblich hat man seit 200 Jahren versucht, den langen und beschwerlichen Umweg um das Cap Horn dadurch zu vermeiden, daß man einen Pfad in den stillen Ozean durch die Hudsonsbai und um die Nordküste Amerika’s suchte. Alle diese Versuche blieben für den Zweck fruchtlos; man sah sich immer wieder auf die Durchschneidung der Landenge hingewiesen.

Die Schwierigkeiten aber, welche der Ausführung eines Kanals entgegenstehen, der den atlantischen und den stillen Ocean bei Panama verbinden soll, sind weit größer, als man anfänglich glaubte. Es sind schon viele Pläne dazu entworfen worden. Anfänglich gedachte man den Chagre zu benutzen, welcher Fluß in den Meerbusen von Darien mündet; allein unübersteigliche Hindernisse beseitigten diesen Plan nach langen, kostspieligen Untersuchungen. Dann entschloß man sich für den Punkt von Nicaragua. Binnen 8 Jahren entstanden drei atlantische Compagnien, um ihn auszuführen. Doch auch hier begegnete man Schwierigkeiten, die zu überwinden man sich nicht getrauete. Eine Eisenbahn wird jetzt allgemein als das vortheilhafteste anerkannt. Sie soll von Panama zwischen mäßigen Höhen hin nach der Spitze des Chagre geführt werden, im Flußthal hinab zur Mündung gehen und von da an der Küste weg bis Portobello verlängert werden, dessen trefflicher Hafen dem Unternehmen unentbehrlich seyn würde. Der höchste Punkt, den der Trakt zu übersteigen hat, erhebt sich kaum 2500 Fuß über der Meeresfläche, und die Bahn ist in der That viel praktikabler, als jene nordamerikanischen über das Alleghanygebirge. Das Haupthindernis der Anlage ist die Eifersucht der mittelamerikanischen Regierung selbst, welche die Consequenzen fürchtet, wenn sie die Anlage in die Hände auswärtiger Capitalisten gibt, während ihr doch selbst die Geldkraft abgeht, welche jene erfordert. Die Kosten des Bahnbaus sind auf 18 Millionen Piaster veranschlagt.