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Autor: Philipp van Mökern
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Titel: Ostindisches Jagdleben
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 32–33, S. 446–448
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1857
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Mökern, Philipp van: Ostindien, seine Geschichte, Cultur und seine Bewohner, 1857, Band 1 MDZ München, Band 2 MDZ München
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Ostindisches Jagdleben.[1]

Es gibt gewiß keine angenehmere Lustpartieen, als diejenigen sind, welche von der gebildeten, englischen Gesellschaft in Bengalen zum Zwecke der Jagd veranstaltet werden. Namentlich war von jeher die angenehme Gegend, welche in einiger Entfernung vom Fort William liegt, besonders reich an Wild jeder Gattung, und es wurde deshalb vorzugsweise von Jagdliebhabern heimgesucht. Man pflegt dazu die Zeit zwischen den Monaten November und März zu wählen, denn gerade in dieser Jahreszeit ist das Klima am günstigsten, die Temperatur höchst angenehm, die Luft ruhig und klar, der Himmel fast ununterbrochen wolkenleer. Eine größere Jagdgesellschaft richtet sich aber zu einer Partie gehörig ein und hat die umständlichsten Vorbereitungen nöthig. –

Man bestimmt zunächst einen auserwählten, hübschen und einladenden grünen Platz, der im Schatten des Waldes und nahe bei einem Gewässer liegt, um hier das Jagdlager einzurichten. Zu diesem Zwecke borgt oder miethet sich die Gesellschaft Elephanten und Kameele, kleine Karren, Tragochsen und Coolie’s, d. h. Träger, welche man jeder Zeit für sehr mäßige Preise haben kann, um die Zelte, wie andere Jagd- und Bequemlichkeitsbedürfnisse nach dem ausgewählten Platze zu transportiren. Irgend einer der befehligenden Officiere dieser Gegend wird dann angesprochen, eine militairische Wache oder Escorte von Seapoy’s herzugeben, was immer mit Bereitwilligkeit erfüllt wird, da die Gesellschaft sich dieses bewaffneten Schutzes bedient, um im Falle des Hereinbrechens reißender Thiere gesichert zu sein, denn in allen Districten, wo der Wildstand bedeutend ist, findet man auch immer die Raubthiere zahlreicher versammelt. Vor fünfzig Jahren hatten die Jagdgesellschaften diese Seapoy’s namentlich auch zum Schutze gegen Räuberbanden nöthig, die in Bengalen umherstreiften und manche ungeschützte Jagdgesellschaft ausgeplündert haben.

Die Jagdgesellschaft bezieht förmlich ein Lager; die großen von derselben bewohnten Zelte werden gewöhnlich in einem Kreise aufgeschlagen, während diejenigen Zelte, welche für die Dienerschaft und die Bewachung bestimmt sind, rings um diesen Kreis gestellt werden und denselben einschließen. Jedes Zelt, das für eine Dame eingerichtet ist, hat drei Abtheilungen, einen Bettraum, einen Toilettenraum und ein Boudoir; der Boden wird mit Teppichen oder Rohrmatten belegt und, damit der Regen, der eintreten könnte, nicht in das Zelt dringen kann und die Sonnenstrahlen abgehalten werden und eine größere Kühlung erhalten wird, besteht jedes Zelt aus einer doppelten Bedeckung. Die Oeffnungen, welche demselben als Thüren und Fenster dienen, werden mit Matten behängt, die aus einem wohlriechenden Grase geflochten sind, und bei heißer Witterung beständig an ihrer Außenseite mit Wasser begossen werden. Es ist dieses Kühlungsmittel indessen selten erforderlich, da um diese Jahreszeit die Temperatur gewöhnlich eine gemäßigte, angenehme Wärme inne hält. – Mit dem Nutzen verbindet die englische vornehme Welt aber auch den Luxus, denn jedes Zelt ist in seinem Innern mit den schönsten Zitzstoffen, oft sehr kostbar gefüttert.

Für Lieferung der nöthigen Lebensmittel tragen die Mitglieder einer solchen Jagdgesellschaft nicht weniger Sorge. Ist der ausgewählte Lagerplatz gerade nicht in der Nähe eines Dorfes gelegen, so sorgen die einzelnen Familien, die zur Partie gehören, für ihren Bedarf; sie miethen zu diesem Zwecke „Banyanen,“ d. i. Haushofmeister, welche größtentheils Gemüsekrämer sind, und die Gesellschaft begleiten müssen. Diese Leute ergreifen gern eine solche Gelegenheit, um einen kleinen Nebengewinn zu verdienen, und liefern alle nöthigen Lebensmittel, während die Familien ihre Weine und verschiedenen Getränke selbst mitzubringen pflegen.

Bei solchen Jagdauszügen erscheinen die Herren zu Pferde, um in der galantesten Form die Damen nach dem Versammlungsorte zu begleiten. Die Damen nebst ihren Zofen reisen dabei gemächlich in zierlichen Palankeens (indischen Tragsesseln) und, wo der Weg es gestattet, in offenen englischen Wagen. Hat nun die Gesellschaft von ihren Zelten Besitz genommen, und ist die Jagdbelustigung eröffnet, so fängt sie mit Tagesanbruch an und vertreibt den Morgen damit, Eber, Wölfe, Antilopen, Moschusthiere, Damhirsche, rothe und andere Rehe, Hasen, Füchse und Schakals zu jagen. Außer dem gemeinen rothen, dem gefleckten und dem mäusefarbenen Rehe gibt es noch zehn bis zwölf andere Gattungen; wilde Schweine werden gewöhnlich in den neu angebauten Landstrichen und in den Zuckerrohrpflanzungen gefunden, und ihr Fleisch ist hier gerade am schmackhaftesten. Wölfe und Schakals sieht man bei Tagesanbruch um die einsamen oder entlegenen Dörfer herumschleichen, von wo sie sich dann in die Wälder, in ihre Höhlen oder in die Ebenen, in Gruben und Schluchten zurückziehen. Die Hasen lagern sich ebenso, wie in Europa. Das kleine Reh, das Moschus- oder Bisamthier und das gewöhnliche Reh verstecken sich in das dickste und höchste Gras, die Antilope und der Hirsch durchstreifen die Ebene.

Alle diese Thiere begeben sich jedoch in die „Jungle“ (so nennt man nämlich das sieben bis acht Fuß hohe, dicht verschlungene und fast undurchdringliche Gras, das überall auf unbebauten Landstrecken wächst), um zu weiden oder um Beute zu machen.

Aber einem so wildreichen Lande, wie Indien, kann es auch an reißenden Thieren nicht fehlen. Die hauptsächlichsten und gemeinsten Raubthiere, denen man hier begegnet, sind der große bengalische oder königliche Tiger, der Leopard, der in mehreren Gattungen vertreten ist, der Panther, die Tigerkatze, der Bär, der Wolf, der Schakal, der Fuchs, die Hyäne; außerdem gibt es hier das Rhinoceros, das aber nicht den Menschen gefährlich ist. – Wildpret und Raubthiere werden auf der Jagd vorgenommen; die Jäger schießen aber auch reichlich Geflügel, welches das Land in großer Auswahl darbietet; namentlich macht man Jagd auf Rebhühner, Felsen-Rebhühner, Hurrials oder grüne Tauben, Wachteln, Brachvögel, wilde Hähne und Hühner, Kibitze, schwarze, weiße und graue Pfauen, Florekins, Störche von verschiedenen Gattungen und Farben, Wasserhühner, braminische Gänse, Kraniche, wilde Gänse und Enten, Kriech-Enten, Pfeif-Enten, Wasserschnepfen und anderes Wassergeflügel in großer Zahl, von den seltsamsten Gestalten und glänzendsten Farben, wovon oft die Oberflächen des Wassers ganz bedeckt erscheinen und die im Auffliegen oft die Luft verfinstern.

Die Füchse sind klein, von zartem Gliederbau, mit feinen, braunen Haaren bedeckt, und haben keinen starken Geruch, da sie sich größtentheils von Getreide, Früchten, überhaupt Vegetabilien ernähren. Sie sind äußerst geschwind und gewandt, aber nicht stark und dauerhaft. Die Schakals sind etwas größer als die europäischen Füchse, aber von brauner Farbe und schwerfälligem Bau, auch ist ihre Nase stumpf; sie gleichen dem Wolfe mehr als dem Fuchse, und werden deshalb auch Goldwölfe genannt. Sie sind in großen Horden vorhanden.

Von den Rebhühnern gibt es verschiedene Gattungen, eine mit weißem Unterleibe, eine andere, die dem Haselhuhn gleicht, aber mehr gesprenkelt ist. Auch von den Kibitzen gibt es hier mehrere Arten. Wenn die Witterung recht warm ist, sieht man große Schwärme von Ortolanen über die Ebenen streichen. Fasanen findet man in Bengalens Wäldern fast nur an den Grenzen von Assam, bei Chittagong, so wie in den Bergen, welche Hindostan von Nepaul und Tibet trennen. Dort aber, besonders in der Umgebung von Moorung, sowie in Betiah sind sie groß und schön, man trifft dort den Gold- und den Silberfasan, den gefleckten, azurblauen, braunen und pfauenäugigen; dagegen gibt es Pfauen überall in vielen Arten und in erstaunlicher Menge.

Aus den Wäldern von Hindostan stammt sicherlich das gemeine, zahme Haushuhn her, das in Europa allgemein ist, denn man trifft sie hier in den indischen Wäldern und Landstrichen fast in jedem Gebüsche. Sie unterscheiden sich aber von ihrer zahmen Generation Europa’s dadurch, daß das Fleisch an ihrem Körper braun, das der Schenkel aber weiß ist, also umgekehrt wie beim zahmen Huhne. Die Hähne sind immer von einerlei Farbe, nämlich dunkelroth, sie haben einen sehr stolzen Gang und viel Kampflust; die Hühner sind alle braun. Es ist sehr unterhaltend, wenn man frühmorgens durch die Wälder reiset, die große Zahl Hähne krähen zu hören, ihren stolzen Spaziergang und ihre Gefechte anzusehen, während die Hennen mit ihren Küchlein zwischen Bäumen und Gebüschen umherschleichen. Sie werden aber wenig gejagt und gegessen, da ihr Fleisch weder so zart, noch schmackhaft ist, wie das [447] der zahmen Hühner. – Die Florekins halten sich in hohem Grase auf natürlichen Wiesen, am Rande von Seen und Teichen auf; deshalb hat ihr Fleisch Aehnlichkeit mit dem der wilden Ente und des Fasans; das Fleisch von Brust und Flügeln ist braun, das der Schenkel weiß, das gesammte Fleisch aber in hohem Grade zart, saftig und schmackhaft, wie man es selten bei anderem Geflügel findet, weshalb man auch gern Jagd darauf macht. Die Höhe des männlichen, bengalischen Florekin ist, wenn er steht, vom Boden bis auf den Rücken vierzehn Zoll und bis zum Kopfe, wenn er ihn aufrecht hält, siebenundzwanzig Zoll.

Waldschnepfen gibt es im südlichen Asien nirgends. Unter den Wasserschnepfen, von denen viele verschiedene Gattungen vorkommen, gibt es namentlich eine Art, welche man die „bemalte“ nennt und welche größer ist, als alle übrigen, und die Waldschnepfe völlig ersetzt. –

Derjenige Theil der Jagdgesellschaft, welcher nicht auf Wildpret schießen oder sich erholen will, vertreibt sich die Zeit mit Fischen, sowohl mit der Angel wie verschiedenen Arten von Netzen; viele Mitglieder der Partie begnügen sich aus Liebhaberei mit der Nachstellung von Hasen, Reihern, Kranichen, Störchen mittelst abgerichteter Falken. Für die Rebhühner und das kleinere Geflügel gebraucht man den Finkenfalken, oder andere kleinere Falkenarten. Einige Damen schließen sich immer der frühen Jagd an, und wenn es gilt, einer beabsichtigten Falkenjagd beizuwohnen, so besteigen sie kleine, äußerst gut abgerichtete Elephanten, die auf ihrem Rücken bequeme, mit Vorhängen und Dach versehene Sitze tragen; manche englische Damen besteigen auch selbst ein Pferd, die größere Zahl der Damen folgt in ihren Palankeen’s, unter deren Dachzelte und Vorhängen die aufgejagten Vögel und kleinen Füchse, gleichwie unter den Bäuchen der Elephanten und Pferde, Schutz und Rettung suchen, wenn sie von Falken oder Hunden gehetzt oder verfolgt werden. Im Allgemeinen aber stehen die Damen nicht so früh auf, um die Jäger schon bei Tagesanbruch zu begleiten, und sie zeigen sich in der Regel erst der Gesellschaft, wenn es Zeit zum Spazierenfahren oder Reiten ist.

Die Waffen, welche bei diesen Jagdpartien gewöhnlich gebraucht werden, sind mehr und mehr die der europäischen, namentlich englischen Jagd geworden. Während vor funfzig Jahren die Spieße und Flinten alter Construction, sowie Reiterpistolen gewöhnlich waren, bediente man sich allmählich der verbesserten Waffen. Man versieht sich mit Jagdflinten, Kugelbüchsen, Sattelpistolen, daneben aber auch noch mit leichten Lanzen, schweren Speeren und Wurfspießen. Jeder Jäger wird von einem Bedienten begleitet, der einen Säbel und einen Karabiner mit Bajonnett trägt, woraus vierlöthige Kugeln geschossen werden, für den Fall, daß man etwa Tigern, Hyänen, Bären oder wilden Büffeln begegnen sollte. Einige der Jagd beiwohnende Damen tragen wie Thalestris oder Hippolyta, im Dianenstyle Bögen und leichte Köcher, um damit kleines Wild zu erlegen.

Die Hunde, welche man zu der Jagd benutzt, sind Wachtel- oder Hühnerhunde, sowie persische und englische Windhunde und grimmige, starke Saufänger.

Die Treibjagd ist immer eine der hervorragendsten Vergnügungen solcher Jagdpartien. Alle Jäger zu Pferde, die Elephanten, die Bedienten, die militairischen Wachen (Seapoys), sowie alle möglichen Bauern, die man aufbieten oder miethen kann, werden in eine große, gerade Linie aufgestellt; in dieser Linie werden in abgemessenen Entfernungen weiße, auf sehr hohen Stangen flatternde Flaggen getragen, als Richt- und Gesichtspunkte, damit kein Theil der Jagdlinie rascher vorschreite, als der andere, und dadurch die gerade Richtung verloren gehe; alsdann rückt die ganze Linie in gleichmäßigem Schritte vorwärts und treibt alles Wild, das sich in diesem Bezirke befindet, vor sich her.

Wenn die Jungle (das hohe Gras) oder das Buschrevier, wodurch der Marsch geht, sich auf eine freie Ebene öffnet, wie es sein soll und vorher wohl ausgemittelt ist, dann gibt es ein äußerst interessantes und lebhaftes Schauspiel, indem man die Menge und die Verschiedenheit der Thiere beobachtet, die nun aufgescheucht aus ihren Verstecken hervorbrechen; einige werden wider ihren Willen herausgetrieben, andere kehren mit Gewalt in das Gebüsch zurück. Während dieser Scene von Unordnung, Flucht und Verwirrung des verschiedenen Wildes wird ein bedeutendes Gemetzel unter ihm durch Jäger und Falconiers gemacht, und die Bauern nebst ihren Kindern fangen die jungen Rebhühner, Hasen, Frischlinge und anderes junges Wild, das sich in das Gebüsch zurückgeflüchtet hat, entweder lebendig, oder schlagen sie mit Stöcken und Zaunpfählen todt.

Es ereignet sich auch wohl, daß die Einwohner eines Dorfes die Herren einer größeren Jagdgesellschaft dringend bitten, einen Tiger zu tödten, der vielleicht schon längere Zeit ihren Bezirk verheert, ihre Heerden und Hirten zerrissen und sie selbst in fortwährender Angst erhalten hat. Obgleich ein solches Unternehmen immer ein kühnes und gefährliches Wagestück ist, das die Zager bei ruhigem Blute ablehnen würden, so schlagen sie es doch bei solchen Gelegenheiten und in der muthigen Stimmung des einmal begonnenen Jagdlebens selten ab. Der Wunsch, sich in Gegenwart des schönen Geschlechts auszuzeichnen, war überhaupt den Engländern stets eigen; die Aufmunterung des Augenblicks und die Gefühle des Mitleids, welche die geängstigten Dorfbewohner anregen, bestimmen gewöhnlich den raschen Entschluß; man rüstet sich zum Kampfe gegen das blutgierige Raubthier, während die zitternden Dorfbewohner sich ferne von der Gefahr halten.

Wenn eine solche Tigerjagd mit Ueberlegung und Vorsicht geführt wird, namentlich von den Seapoy’s eine militairische Unterstützung findet, so wird dieselbe gewöhnlich schnell und glücklich beendigt und die Jäger bringen das erlegte Thier, unter dem Beifalle der Damen und den Dankäußerungen der befreieten Landleute, nach den Zelten, wo es als Trophäe dient; wenn die Jäger aber ihre Geistesgegenwart verlieren, den Kampf übereilen oder unnöthiger Weise verlängern, oder wenn sie mit Unvorsichtigkeit handeln, das erbitterte Thier in Unordnung oder mit Tnmult angreifen, so endet die Begebenheit nicht selten sehr unglücklich, indem der Tiger den Einen oder den Andern ergreift und zerfleischt, und seine Wuth an den Verfolgern nicht eher endigt, bis er entweder erlegt oder in die Flucht gejagt ist. Ich werde nachher noch einige Tigerjagden näher beschreiben. –

Es kommt auch vor, daß die Einwohner eines Dorfes eine in ihrer Nähe lagernde Jagdgesellschaft aufrufen, sie und die Gegend von wilden Büffeln zu befreien, die ihre Felder verwüsten, oder sie bitten, die großen Teiche und Landseen der Gegend von Krokodilen zu reinigen, die ihre Fische verschlingen und auch auf dem Lande Schaden und Schrecken anrichten. Solche Unternehmungen sind bei Weitem nicht so gefährlich, wie die Jagden auf Tiger und werden gewöhnlich von der Jagdgesellschaft gern und glücklich ausgeführt.

Auf solchen Jagdpartien gibt eine Trommel und eine über dem Speisezelte aufgezogene Flagge das Versammlungszeichen für die Gesellschaft, daß die Zeit des Speisens gekommen sei. Ein höchst angenehmes und fröhliches Mahl ist das Frühstück. Die Jäger kehren zurück, frisch, muthig und mit gutem Appetite. Der Anblick der Damen in einfachem und leichtem Morgenanzuge, im weißen, feinsten Mousselingewande mit fliegenden Bändern, und in leicht geordneten Haaren, erfreuet das Auge des heimkehrenden Jägers ebenso sehr, wie alle Arten kalter Speisen nach englischer, französischer, italienischer und holländischer Küche, Fleisch und Fisch, Salate und Früchte, Milch, Kaffee, Thee und Chocolade den Gaumen erfrischen, und eine allgemeine heitere Laune das Mahl und die Stunde angenehm würzt.

Nach eingenommenem Frühstücke werden Fuhrwerke jeder Art vorgeführt, um eine Spazierfahrt zu machen, aber das geschieht nicht nur allein in der Absicht, frische Luft zu genießen, sondern um gemeinschaftlich irgend eine nahe gelegene Natur- oder Kunstmerkwürdigkeit, oder eine Manufactur in Augenschein zu nehmen; gewöhnlich ist das Ziel solcher Lustfahrten eine merkwürdige Stadt in der Nachbarschaft, eine berühmte Pagode oder Moschee, oder Dirga, oder ein Mausoleum, oder irgend ein heiliger Wald, der Aufenthaltsort von Fakiren, oder die Spitze rauher Klippen, die über See oder Fluß hängen und eine reizende Aussicht gewähren.

Nach Beendigung solcher Lustfahrten werden die noch übrigen Stunden bis zu einem frühen Mittagessen auf verschiedene Weise, nach Laune und Belieben angewandt; Einige von der Gesellschaft spielen Fangball, Andere zielen nach Wurfscheiben, wieder Andere üben sich im Springen oder Fechten, lassen ihre Pferde wettrennen, schießen nach vorgesteckten Zielen, oder schwimmen in nahen, von Wald und Feld versteckten Gewässern. Wieder andere der Gesellschaft suchen eine große Freude darin, kleinere Thiere, namentlich Vögel, Fische, Schlangen etc. lebendig zu fangen, zu welchem Zwecke sie eine große Mannichfaltigkeit von Geräthschaften bei sich führen, [448] und an der Spitze der in Wäldern und Bergen umziehenden Thierfänger, die gern in der Nähe solcher Jagdgesellschaften erscheinen und sich von den Herren anführen lassen, ausziehen. Dazu führen sie dann, außer ihren Flinten, Speeren, Pfeilen etc. auch Blasrohre, aus denen mit Früchtchen und Lehmkugeln geschossen wird, Vögelsprenkel und dergleichen bekannte Geräthe zur kleinen Jagd mit sich.

Unterdessen lesen die Damen oder gehen im Schatten des Waldes spazieren, oder sie lassen sich schaukeln, üben sich im Bogenschießen, spielen Gesellschaftsspiele und treiben Musik in ihren Zelten, oder machen Handarbeiten, wobei vorgelesen wird. Später, gewöhnlich um ein Uhr, findet dann zum Beschluß eines fröhlichen Vormittags eine zweite Mahlzeit statt; darauf hält die Gesellschaft, wenn sie sehr ermüdet, oder das Wetter sehr warm ist, eine Siesta, die überhaupt in Indien allgemeine Sitte ist, und wenn dann gegen Spätnachmittag die Sonne zu sinken beginnt, werden wieder Pferde und Wagen bestiegen, um eine Lustfahrt oder einen Ritt zu machen, oder, wo ein Gewässer in der Nähe sich befindet, werden Kähne in Bereitschaft gehalten, um eine Wasserfahrt in kühler Abendluft zu unternehmen. Da die Dämmerung in den Wendekreisen sehr kurz ist, so folgt die Nacht sehr bald auf den Untergang der Sonne. Man eilt nun in das Jagdlager zurück, wo man sich mit Karten-, Würfel-, Schach- und Gesellschaftsspielen, Tanz, Possenspielen, sowie der Darstellung indischer Taschenspieler, Seiltänzer und Bajaderen, die sich gern bei solchen Gesellschaften einfinden, die Zeit angenehm vertreibt. Um neun Uhr wird dann das eigentliche Mittagsessen, das aber mit besserem Rechte Nachtessen heißt, eingenommen, das in Genuß und Heiterkeit den angenehmen Tag beschließt.

In solcher Weise und Abwechselung verlebt eine Jagdgesellschaft gewöhnlich fünfzehn bis zwanzig Tage, wonach sie dann das Lager verläßt und nach Hause zurückkehrt.

Es ist bereits der Tigerjagd erwähnt worden – die intessanten aber auch gefährlichen Umstände dabei dürften noch nähere Mittheilungen gestatten.

Ganz eigenthümlich ist es und von Niemandem, der je einmal Gelegenheit gehabt hat, Tiger in freiem Zustande zu beobachten, kann es bezweifelt werden, daß der Tiger, wie überhaupt alle zum Katzengeschlecht gehörigen Raubthiere, eine seltsam bannende Kraft über andere, namentlich Beutethiere, ausübt. Wenn zum Beispiel Rehe einen Tiger erblicken, so bleiben sie auf einmal still stehen, als würden sie von einem Zauber festgehalten, während der Tiger seine Blicke nicht von der Beute abwendet und, ehe die Rehe ihn gesehen haben, ruhig ihre Annäherung im Verstecke abwartet. Erst wenn sie ihm nahe genug gekommen sind, um sie mit einigen Sprüngen zu erreichen, dann bricht er auf die Festgebannten ein, denn der große, königliche Tiger vermag weder schnell noch anhaltend zu laufen und würde, wenn er der Beute den Weg durch größere Geschwindigkeit abgewinnen wollte, manches Thier schwerlich einholen können. Das Glänzen und Funkeln seiner feurigen Augen ist furchtbar und grimmig; ich sah einmal selbst in der Nacht, in einem Gehölze, durch welches ich reisete, einen königlichen Tiger, indem mir das Funkeln seiner Augen schon eine Strecke weit bemerklich wurde. Das Licht der Fackeln, die meine Leute trugen und die man Nachts immer bei sich führt, sowie der Lärm eines Tamtam (einer kleinen Trommel), die man in solcher Gefahr sogleich anschlägt, verhinderte den Tiger, sich uns zu nähern.

Da, wo sich ein Tiger aufhält, oder wo er vorübersteicht, versammeln sich immer eine Menge Vögel, die ihn umschwärmen, umhüpfen und über ihm seines Weges fliegen, und dabei so stark schreien und pfeifen, als wollten sie die ganze Gegend warnen. – Der Pfau scheint ganz besonders von ihm angezogen zu werden, denn sobald ein Tiger von einer Truppe Pfauen erblickt wird, so nähern sie sich ihm auf der Stelle, spazieren um ihn herum mit aufgerichteten Federn, ausgespanntem Schwanze und schlagenden Flügeln.

Es wurde einst gemeldet, daß in Seringapatam ein großer Tiger, der auf der Insel eingedrungen war, viel Vieh getödtet und sogar mehrere Einwohner zerfleischt habe. – Die anwesenden Engländer beschlossen, sogleich eine große Tigerjagd zu veranstalten, wozu die jagdlustigen Officiere und mehrere Fremde und Einheimische sich verbanden und zwanzig Soldaten nebst einem Unterofficier zur Hülfe mitbekamen. Ein Eingeborener der Insel führte die Jagdgenossen und ihr militairisches Detachement an, um den Platz anzugeben, wo der Tiger lagerte.

Nachdem wir uns ungefähr eine englische Meile weit von der Stadt entfernt hatten, gelangten wir in Zuckerrohrfelder, die von einander durch dicke und hohe Bambushecken getrennt waren, welche auf jeder Seite einen trockenen Graben hatten.

Der Führer erklärte, daß der Tiger unter dieser Hecke sein Lager habe, aber nicht angegeben werden könne, auf welcher Seite derselbe sich befinde. Die Jagdgesellschaft und das Militair trennte sich in zwei Abtheilungen, von denen jede eine Seite der Hecke vornahm und so mit Aufmerksamkeit dem wilden Feinde entgegenrückte.

Auf der linken Seite, wo sich das Thier wirklich befand, ging der Führer und neben ihm ein junger Mann, der mit mir gereiset war und als guter Jäger sich mit hervorragender Kampflust der Gesellschaft angeschlossen hatte, sowie ein junger Schweizer, welcher in englischen Diensten stand, – diese drei Muthigsten schritten der ganzen übrigen Gesellschaft voraus. Sie hatten ungefähr dreißig Schritte in tiefster Stille und gespanntester Erwartung vorwärts gemacht, als der Führer plötzlich seine beiden Begleiter zurückhielt und mit lautlosen, schwachen Geberden zu verstehen gab, daß das Thier etwa fünf Schritte von ihnen im Schatten der Hecke im Graben liege und schlafe.

Der junge Schweizer, welcher gern den ersten Schuß haben wollte, schlug sogleich auf den Tiger an, mein Reisegefährte, der auf diese Ehre eifersüchtig war, verhinderte ihn am Feuern und meinte, der Tiger müsse zuvor geweckt werden, um im ehrlichen Kampfe zu unterliegen, und ehe man diese Kühnheit des auf seine Jagdgeschicklichkeit trotzenden Jünglings abwenden konnte, hatte derselbe bereits einen Stein ergriffen und denselben auf den Tiger geschleudert.

So wie derselbe den Stein empfangen hatte, knurrte er, sprang auf, streckte sich, setzte sich in die Position des Sprunges, um sich auf seine vor ihm stehenden Gegner zu stürzen, zu gleicher Zeit hatte aber mein Reisegefährte angeschlagen und feuerte im Augenblicke, wo der Tiger den Angriffssprung machte, so glücklich seine nur gewöhnliche Musketenkugel ab, daß diese dem Tiger durch das linke Auge in das Gehirn eindrang und ihn auf der Stelle tödtete. –

Da schon Fälle vorgekommen sind, daß ein Tiger 50 Kugeln erhalten hatte, ohne zu fallen, so nahm dieser Meisterschuß zwar der Jagd die möglichen Abenteuer, aber er schützte vor vielen unberechenbaren Zufälligkeiten und Gefahren. Sowie der Tiger den Schuß bekam, stieß er einen einzigen, aber furchtbaren und weit durch die Gegend dröhnender Schrei aus und stürzte auf dieselbe Stelle nieder, die soeben der glückliche Schütze durch einen Seitensprung verlassen hatte, da der Tiger ihn zum Ziele ausersehen haben mußte. In dem Jubel der glücklichen That stürzte sich der junge Mann auf den in den heftigsten Todeszuckungen liegenden Tiger, dessen krampfhafte Bewegungen noch immer einen Menschen hätten umbringen können, schloß ihn in seine Arme und rief: „er ist mein, er ist meine rechtmäßige Beute!“ – dann stieß er ihm das Bajonnett einige Male in das Herz und tödtete ihn vollends.

Dieser Tiger war eins der schönsten Exemplare seiner Gattung; er war weiblichen Geschlechts, nicht völlig zwei Jahre alt, also noch nicht ganz ausgewachsen, und maß doch schon von der Spitze der Nase bis an das Schweifende zehn Fuß. Er war so schwer, daß zwölf Mann der militairischen Begleitung nöthig waren, um ihn nach der Stadt zu tragen. Die Behörde schenkte den Tiger meinem Reisegefährten, und wollte ihm auch noch ein Geldgeschenk machen, was er aber ablehnte. Er verkaufte denselben später an einen englischen Kaufmann für 10 Pfund Sterling.

  1. Mit Genehmigung des Herrn Verlegers aus dem erst vor einigen Tagen in Leipzig ausgegebenen interessanten Werke: Ostindien, seine Geschichte, Cultur und seine Bewohner von Ph. v. Mökern. 2 Bde., über den wir in einer der nächsten Nummern ein Näheres berichten werden. D. Red.