LXXXVII. Palmyra (Thadmor) Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zweiter Band (1835) von Joseph Meyer
LXXXVIII. Oporto
LXXXIX. Der Ararat
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OPORTO
Ansicht vom Kay in Villa Nova

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LXXXVIII. Oporto.




Im romantischen Thale des Duero, unfern an dessen Ausmündung in den atlantischen Ozean, liegt Oporto, die Hauptstadt des nördlichen Portugals, die zweite des Königreichs. 15,000 Häuser, mehr als 100 Kirchen und Klöster und 80 Paläste bedecken die beiden Gestade des Flusses und krönen, in reizender Abwechselung, die nahen Hügel.

Vorzüglich schön von der Seeseite her ist die Ansicht. So wie man die Barre (ein mit Sandbänken umgebener, die Mündung des Duero bis auf ein enges Fahrwasser umlagernder Felsenriff) und ihre Gefahren passirt hat und in den Duero eingesegelt ist, bieten sich dem Auge rechts und links die lieblichsten und großartigsten Szenerien in großer Mannichfaltigkeit dar. Der majestätische Strom erweitert sich zu einem See, den niedrige Hügel einfassen, von denen Quinta’s (die Sommerwohnungen der Reichen Oporto’s), Dörfer und Flecken, Klöster und Kapellen herabschauen. Nach einer kurzen Fahrt ziehen sich beide Ufer des Flusses enger zusammen und die Hügel thürmen sich zu Bergen auf, deren Wände an vielen Stellen so schroff zu dem Flusse hinabsteigen, daß sie kaum Raum [103] für einen schmalen Fahrweg lassen. Den Weg in den Ozean zu bahnen mußte hier der Duero einen Damm niederstürzen, der seine Gewässer zu einem See stauete; ein Ereigniß der undenklichen Vorzeit.

Weiter stromaufwärts öffnet sich, fast kesselförmig, ein herrliches Thal, von Bergen amphitheatralisch umgeben und geschützt, und auf beiden Ufern des windungreichen Stroms liegen Oporto und Villanova, durch eine Schiffbrücke zusammengeknüpft. – Die berühmteste Totalansicht der beiden Städte ist die vom Monte d’Arabida; am schönsten aber nimmt sich Oporto aus von Villanova herüber. Zu den Füßen des Beschauers wälzt sich da der tiefe breite Duero und jenseits ranken sich üppig Oporto’s prächtige Häusermassen durch das Grün der Weingärten und Orangenhaine über die Hügel. Eine ununterbrochene Reihe stattlicher Wohnungen folgt auf die Länge von einer Stunde allen Biegungen des Stromes; schöne Kayen fassen ihn ein, vor welchen die Fahrzeuge ankern. Der Fluß selbst ist mit Schiffen und Schiffchen bedeckt, welche kommen und gehen; das Ensemble ist ein erquickendes Bild voller Leben und Regsamkeit.

Oporto hat außer dem erzbischöflichen Pallaste, (das hochliegende Gebäude links am Rande,) der Kathedrale, dem St. Claren- und dem Serrakloster (auf dem Berge rechts), wenige sich durch ihre Bauart auszeichnende Gebäude. Seine Palläste sind, obschon groß, doch selten schön. An Regelmäßigkeit der Straßen kann bei der großen Unebenheit des Bodens nicht gedacht werden; aber sie sind freundlich, sehr reinlich und was sie an Regelmäßigkeit verlieren, gewinnen sie wieder reichlich an malerischem Reiz. – In seiner blühendsten Epoche hatte Oporto 140,600 Einwohner; die heutige Bevölkerung übersteigt nicht 65,000. Als Handelsstadt rivalisirt es mit Lissabon. Die Ein- und Ausfuhr der nördlichen Hälfte Portugals ist ganz, die der angrenzenden spanischen Provinzen größtentheils in seinen Händen. – Die stärkste Triebfeder des hiesigen Verkehrs ist der berühmte Portwein, der in der Umgebung wächst. Das meiste geht nach England; alljährlich 30 bis 45,000 Stück. Die Hauptniederlagen davon sind in Villanova, in kühlen, niedrigen Steingebäuden, wo zuweilen 50,000 Stück aufgespeichert sind. Alle großen Geschäfte Oporto’s ruhen in den Händen englischer Häuser, welche sich sehr zahlreich hier niedergelassen haben. – Die Manufakturen waren ehedem von großer Bedeutung, und die Woll-, Leinen- und Seidenweberei beschäftigte vor 100 Jahren 25,000 Hände. Sie sind, wie überall, wo die englischen Fabrikate den Markt beherrschen, tief herabgekommen, und die von der Regierung zu ihrer Aufhülfe dekretirten hohen Schutzzölle werden hier, wo man die Kraft und den Muth nicht hat, drückende Zollgesetze geltend zu machen, nur zu Prämien für den Schleichhandel.