Noch etwas aus dem Storchleben

Textdaten
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Autor: C. K.
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Titel: Noch etwas aus dem Storchenleben
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 52, S. 724
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1857
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[724] Noch etwas aus dem Storchleben. Wer schon Gelegenheit hatte, das Leben der Störche und ihre Fehden zu beobachten, der hat den Aufsatz in Nr. 24. der Gartenlaube von diesem Jahre sicherlich mit großem Interesse gelesen. Daß die Eifersucht zweier Männchen wegen eines Weibchens in manchen Fällen den Grund des Kampfes bildet, wollen wir nicht bestreiten; es mag jedoch der Wahrheit näher liegen, wenn man annimmt, daß es sich bei den meisten Fehden um die Eroberung eines von einem andern Paare bereits occupirten Wohnsitzes handelt. Richtig ist, daß die Kämpfe oft mit großer Erbitterung geführt werden und oft blutig, ja sogar für das eine oder andere dieser Geschöpfe tödlich ausfallen. Es war an einem prächtigen Frühlingsnachmittag, als Einsender dieses einmal Zeuge eines erbitterten Kampfes war. Von dem Storchenpaare, welches das auf dem Rathhause befindliche, von alten Weinrebenbüscheln gebildete Nest wenige Tage zuvor in Besitz genommen hatte, war nur das Weibchen zu Hause. Sein Klappern ließ die Rückkunft des Männchens erwarten, und bald sah man dasselbe in weiten Kreisen hoch über dem Dorfe schweben. Die Kreise immer enger ziehend, ließ sich dasselbe endlich auf dem Neste nieder und alsbald stimmte das vereinigte Paar ein heftiges Klapperduett an, indem sie fortwährend die Hälse auf den Rücken und dann wieder nach vorne bogen. Das immer heftiger werdende Klappern ließ auf die Nähe eines andern, in feindlicher Absicht kommenden Storchenpaares schließen. Bald waren auch einige Störche wahrnehmbar, welche hoch über dem Dorfe kreisten. Nachdem sie näher gekommen, konnte man deutlich zwei Pärchen erkennen. Sie ließen sich immer tiefer herab und kamen endlich so nahe, daß ihre Flügelschläge das Nest berührten. Mehrmals wollte einer der Feinde auf das Nest eindringen, allein er wurde mit gut geführten Hieben zurückgeschlagen. Nun unternahmen die Feinde einen gemeinsamen Sturm auf das Nest, indem sie das angegriffene Paar aus dem Neste zu werfen versuchten. Aber das letztere hielt der Uebermacht muthig Stand; mit gewaltigen Flügelschlägen und scharfen Schnabelhieben warfen sie die Eindringlinge immer wieder zurück. Endlich fiel einer der Feinde mit gelähmter Schwungkraft auf das Dach, und da er sich mit den Füßen nicht zu halten vermochte, kollerte er zur Erde herab, wo er von der umstehenden Jugend gefangen genommen wurde. Man hätte glauben können, der Kampf werde nun beendigt sein; da die unblessirten Feinde aber auf den benachbarten Dächern sich niederließen, so durfte man erwarten, daß sie einen neuen Angriff versuchen würden. Der gefangene Storch zeigte unter einem Flügel eine bluttriefende Wunde, die offenbar von einem Schnabelhiebe herrührte. Er ward von einigen Knaben auf den Kirchthurm gebracht und in das geöffnete Schallloch gesetzt, um ihm dadurch den Rückzug zu erleichtern.

Indessen hatten die Feinde einen neuen Sturm unternommen; der Angriff war heftiger denn zuvor, ein Menge Federn und Flaum flog in der Luft herum. Zwei der Feinde zogen sich jedoch bald wieder geschlagen und ermüdet auf das Kamin eines benachbarten Hauses zurück, der vierte aber war nicht zum Weichen zu bringen, er kämpfte mit wildem Ungestüm gegen das Paar im Neste fort. Doch gelang es dem letztern einmal, den Wüthenden vom Neste zurück und auf die Seite des Dachs zu weisen; das Männchen vom Neste verfolgte ihn und nach wenigen Augenblicken kamen beide zur Erde, mitten unter die Zuschauermenge, wo der Kampf fortgesetzt wurde. Man glaubte einen regelrechten Zweikampf zu sehen: gab sich der eine eine Blöße, indem er allzuheftig mit den Flügeln ausholte: klapps! hatte er einen Hieb unter der Schwinge. Ein unter den Zuschauern stehender Metzgerknecht machte endlich dem Kampfe ein Ende, indem er seinen Knotenstock auf den noch immer tapfern Feind niedersausen ließ, doch erst beim zweiten Schlage brach er todt zusammen, worauf sein Gegner in’s Nest zurückkehrte. Bald zogen auch die beiden Störche, welche vom Kampfe abgelassen und auf ein Nachbarhaus sich begeben hatten, ruhig von dannen. Der auf den Kirchthurm gebrachte Storch starb aber während der Nacht; man fand ihn in der Frühe todt am Fuße des Thurmes liegen und die liebe Jugend ließ es sich nicht nehmen, die beiden im Kampfe Gefallenen unter nachgeahmten Feierlichkeiten zur Erde zu bestatten. – Ein andermal fiel mir ein Zug großer Grausamkeit an einer Storchmutter auf. Das Paar war reichlich mit Kindern gesegnet; es mochten sechs oder sieben Junge im Neste sein. Als dieselben so groß geworden waren, daß sie von unten leicht gesehen werden konnten, sah ich eines Nachmittags, während das Männchen abwesend war, wie die Mutter eines der Kinder mit dem Schnabel packte und über das Nest warf und diesem alsbald ein zweites nachsandte. Sie fielen todt zur Erde nieder. Vielleicht mochte die Unmöglichkeit, sämmtliche immer größer und gefräßiger werdende Junge mit Nahrung zu versorgen, die Veranlassung zu dem gedoppelten Kindesmorde gewesen sein.

C. K.