Textdaten
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Autor: R.
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Titel: Gastronomische Curiosität
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 52, S. 724
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1857
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[724] Gastronomische Curiosität. Als ich noch Besitzer einen hüttenmännischen Fabrikgeschäfts war, hatte ich für gewisse Branchen der Fabrikation stets einige Leute aus dem thüringer Walde in meiner Arbeit. Einst betrat ich das Hüttengebäude, ohne von einem Trupp meiner in dieser Zeit unbeschäftigten Arbeiter, unter welchen sich auch die Thüringer befanden, bemerkt zu werden. Sie waren in lebhaftem, jedoch ruhigem Gespräch begriffen, was nach Art dieser Leute so laut geführt wurde, daß ich, in ziemlicher Entfernung von ihnen, jedes Wort deutlich vernehmen konnte. Der interessante Gegenstand ihrer Discussion waren die in Waldgegenden wachsenden verschiedenen Arten Pilze und die Entscheidung der wichtigen Frage: welcher von diesen der wohlschmeckendste sei. Einige Nichtthüringer rühmten vorzugsweise die Steinpilze, andere die Reißige, noch andere die Stockschwämme u. s. w. Da erhob endlich ein Thüringer seine nachdrucksvolle Stimme und sprach in dictatorischer Weise die gewichtigen Worte: „Ach sagt mir doch nichts von allen euren Pilzen! – der beste ist und bleibt doch der Fliegenpilz“, worauf sogleich alle übrigen Thüringer fast unisono replicirten: „Ja wenn Du von Fliegenpilzen reden willst, da hast Du freilich Recht, denn über diese geht keiner.“ Im ersten Augenblicke hielt ich diese Aeußerungen für Scherz und erwartete, daß derselbe belacht werden würde; allein die Thüringer blieben ernst, die Nichtthüringer schwiegen – wahrscheinlich betroffen ob dieser seltsamen Behauptungen – und man war eben im Begriff, das Gespräch nach einer kleinen Pause fortzusetzen, als ich hinzutrat und – ich gestehe, nicht ganz ohne Scham meine Unwissenheit zu verrathen – die Bemerkung fallen ließ: daß ich doch einiges Bedenken tragen würde, mich an einer Mahlzeit Fliegenpilze zu betheiligen, indem solche doch bekanntlich giftig wären; worauf die Thüringer erwiderten, daß der Fliegenpilz allerdings giftig sei, allein das Gift sei nicht im ganzen Pilze, sondern nur in den auf seiner rothen Oberfläche befindlichen Buckeln (wie sie es nannten) enthalten; würden diese nicht nur ab-, sondern der Vorsicht wegen auch zugleich etwas tiefer als die Oberfläche des Pilzes ausgeschnitten, so könne der Pilz nicht nur ohne alle Gefahr genossen werden, sondern sei zugleich der delicateste von allen. Relata refero! Daß ich von meinen Arbeitern nicht mystificirt worden bin, dafür bürgt mir die Achtung, in welcher ich bei ihnen stand, und die Unbefangenheit, mit welcher meine Bemerkung beantwortet wurde; ich bin daher völlig überzeugt, daß es mit der Sache seine vollkommene Richtigkeit hat, und überlasse es Kunstköchen und Feinschmeckern, ob sie den Versuch, dergleichen Pilze (über deren Zubereitung ich leider keine Auskunft geben kann) zuzurichten und zu genießen, wagen wollen. Vielleicht theilt einer der Leser der Gartenlaube etwas Näheres darüber mit.

R.