Noch einmal unsere Schiller-Stiftung

Textdaten
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Autor: R. Waldmüller
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Titel: Noch einmal unsere Schiller-Stiftung
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aus: Die Gartenlaube, Heft 19, S. 309–312
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1880
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[309]
Noch einmal unsere Schiller-Stiftung.
Zur Feier ihres fünfundzwanzigjährigen Bestehens.


Von Zeit zu Zeit pflegt im Leben der Völker das ruhige Vegetiren einem Zustande gesteigerten Kräfte-Anspannens zu weichen. Eine Knospe entfaltet sich zur Blüthe, und wenn Wind und Wetter günstig sind, so gedeiht aus der Blüthe eine Frucht – die Frucht idealer Begeisterung.

Es sind nunmehr fünfundzwanzig Jahre, daß in Bezug auf ein seitdem segensreich zur That gewordenes Vorhaben ein solches Kräfte-Anspannen durch Deutschland ging. In der Heimath Lessing ’s und Theodor Körner’s, in Sachsen hatte ein volksthümlicher Dichter – Julius Hammer aus Dresden – den glücklichen Gedanken gehabt, die fünfzigste Wiederkehr des Sterbetages unseres Schiller am 9. Mai 1855 zum Ausgangspunkte eines Vorschlages zu machen, der eine locale Reliquie, das Loschwitzer Schiller-Häuschen, der Vergessenheit zu entreißen bestimmt war. Wie man weiß, hat Schiller in dem gastlichen Hause seines Freundes Körner schöne, genußreiche Tage verlebt. Bei dem Vorschlage Hammer’s, das zu Körner’s Besitzthum gehörige Schiller-Häuschen mit einer Gedenktafel zu schmücken, konnte er sich auf Schiller’s Brief vom 13. September 1785 berufen, der ausdrücklich dem stillen Glück dieser Loschwitzer Erholungstage gilt. „Was meine heißesten Wünsche erzielten, habe ich endlich erlangt; ich bin hier wie im Himmel aufgehoben, und in der jetzigen Fassung meines Gemüths kenne ich keine andere Besorgniß mehr, als die Furcht vor dem allgemeinen Loos der zerstörenden Zeit.“

Diese Stätte war solcher Art in der That geweiht, wie wenige andere. Kein Wunder, daß sich in Folge jener Anregung alle Hände rührten, um das so lange Versäumte nachzuholen und zugleich durch eine würdige Feier des erinnerungsreichen Tages Zeugniß abzulegen von der Liebe, mit der wir Alle ja das Gedächtniß unseres Schiller in Treue pflegen.

Und hier zeigte sich, wie naturwüchsig der Trieb war, dessen Knospe zur Entfaltung drängte. Ein schlichter Dresdener Steinmetzmeister, C. Uhlmann mit Namen, erbot sich „eine Marmorplatte unentgeltlich anzufertigen und an Ort und Stelle zu schaffen“; er knüpfte daran nur die Bedingung, daß sein Name nicht in der Leute Mund komme, eine Forderung, der, gewiß zur Freude und Ehre des braven Mannes, auf die Dauer der Zeit nicht genügt werden konnte.

[310] Man hat, da von Hammer die Idee einer deutschen Schiller-Stiftung zuerst in Verbindung mit dem Dank für das Uhlmann'sche Anerbieten ausgesprochen worden ist, jene Gedenktafel als den Grund- oder Eckstein des ganzen Gebäudes bezeichnet, und sie symbolisirt als solcher in der That auf wohlthuende Weise den volksthümlichen Gedanken, der jene Stiftung entstehen ließ. Aus so kleinem Samenkorn ist der seitdem in die Höhe gewachsene Baum hervorgegangen. Da weite Kreise der Nation einst mit – leider nicht eben nachhaltiger – Begeisterung das Werk schaffen halfen und die Nation wohl auch einmal das Gedächtniß einer guten That, wie so oft das einer tapferen, feiern mag –

„Brave freuen sich der That“ –

so soll das seit der Loschwitzer Feier nahezu verstrichene Vierteljahrhundert nicht zu Ende gehen, ohne daß, wie es in nachstehender Skizze geschieht, die stufenweise Entwickelung des großartigen Werks weiteren Kreisen anschaulich gemacht wird.

Wie dachte sich Hammer die Ziele desselben? In seinem schon erwähnten Aufruf vom 24. April 1855 wünscht er, „daß sich eine Anzahl Freunde des großen Dichters und Menschen vereinigen möge, um durch eine ‚Schiller-Stiftung‘ einen Fonds zur Unterstützung für die Hinterbliebenen armer Schriftsteller zu begründen.“ Und einige Zeilen weiter sagt er, es werde hoffentlich an Schiller’s hundertstem Geburtstage (10. November 1859) das Capital bereits soweit angewachsen sein, „daß es hinreicht, mehr als einer hinterbliebenen Familie würdiger Schriftsteller, insbesondere Dichter, materielle Sicherung und Förderung, z. B. auch hinsichtlich der Erziehung, zu bieten.“

Eine damals in Dresden anwesende, seitdem verstorbene Hamburgerin, Frau Johanna Helmcke, war die Erste, welche im großen Sinn den Reigen der Spendenden eröffnete. Sie schenkte tausend Thaler. Später hat sie nochmals tausend Thaler gezeichnet.

Mit jener ersten Gabe war dem geplanten Vorhaben ein stattliches Pfand des Vertrauens entgegengebracht, und die allgemeine Theilnahme wandte sich ihm nun mit Entschiedenheit zu. Noch vor dem Loschwitzer Gedenkfest hatte das für letzteres zusammengetretene Comité – Geheimer Medicinalrath Dr. Carus, Hofrath Dr. Klemm, Hofrath Winkler (Theodor Hell) und Dr. Julius Hammer – durch Hinzutritt Gutzkow’s, des Staatsministers a. D. von Wietersheim und des Majors Serre eine Vervollständigung erfahren. In dem von diesem Comité am 10. Mai erlassenen Aufrufe wurde, angesichts der wachsenden Bedeutung der Stiftung, der Zweck derselben dahin erweitert: „sie solle solchen Schriftstellern, welche, dichterischer Formen sich bedienend, dem Genius unseres Volkes in edler, die Mehrung der Bildung anstrebender Treue sich gewidmet haben, für den Fall über sie verhängter eigener schwerer Lebenssorge oder den Fall der Hülfslosigkeit ihrer nächsten, auf ihr Talent angewiesenen Hinterlassenen einen thatkräftigen Beistand leisten.“

Die anfänglich in’s Auge gefaßte ausschließliche Unterstützung der Hinterbliebenen war solcher Art in die zweite Linie gerückt, und es konnte nicht wohl ausbleiben, daß die weitere Ansicht laut wurde: es möge auch jene von Julius Hammer gleich anfangs festgestellte Bezugnahme auf den Dichter Schiller insoweit umgedeutet werden, daß die Stiftung nicht insbesondere dem Loos der Dichter eine Erleichterung bieten solle, vielmehr allen Schriftstellern, und unter ihnen auch den Männern der Wissenschaft.

Diesem Wunsche stand aber schon der Umstand entgegen, daß ansehnliche Gaben unter Hinweis auf jene Bezugnahme gespendet worden waren und daß fortwährend Beträge einliefen, die jenem an Schiller’s dichterische Thätigkeit anknüpfenden Zweck gewidmet waren. Nicht minder wurde mit Recht auf die Undenkbarkeit hingewiesen, daß eine einzige Stiftung jemals eine so in’s Ungemessene gesteigerte Aufgabe werde bewältigen können. Aber auch auf die mannigfachen, den Männern der Wissenschaft schon zu Gute kommenden staatlichen Veranstaltungen richtete sich im Laufe der Debatten das Augenmerk, und schließlich überwog die Ansicht, daß eine den Namen Schiller tragende Stiftung sich in der That von dem Gedanken, der im Gedicht „Die Theilung der Erde“ Ausdruck gefunden hat, nicht allzu weit entfernen dürfe. In solchem Sinne durfte Hammer an Schiller’s Worte erinnern: „Poeten sollten immer nur durch Geschenke belohnt, nicht besoldet werden; es ist eine Verwandtschaft zwischen den glücklichen Gedanken und den Gaben des Glückes: beide fallen vom Himmel.“

Im Uebrigen sagte man sich schon damals, daß, wenn es auch „bei jeder derartigen Vereinigung von höchster praktischer Wichtigkeit sei, den Zweck möglichst zu individualisiren“, und wenn sich’s vor Allem empfehle, nicht durch Meinungszwiespalt das kaum Begonnene zu gefährden, die engere oder weitere Auslegung des Stiftungszwecks doch vertrauensvoll der Zukunft überlassen werden müsse. Berlin wo Dr. Julius Pabst die erste Anregung zur Gründung einer Zweigstiftung gegeben hatte, trat in diesem Sinne zur rechten Zeit mit Nachdruck für die Dresdener Beschlüsse ein.

Die endlich als definitiv festgestellte Formulirung des Durchschnittsergebnisses der verschiedenen Meinungen bildet den § 2 der Stiftungssatzungen. Derselbe lautet:

„Der Zweck der deutschen Schiller-Stiftung besteht darin: deutsche Schriftsteller und Schriftstellerinnen, welche für die Nationalliteratur (mit Ausschluß der strengen Fachwissenschaften) verdienstlich gewirkt, vorzugsweise solche, die sich dichterischer Formen bedient haben, dadurch zu ehren, daß sie ihnen oder ihren nächst angehörigen Hinterlassenen in Fällen über sie verhängter schwerer Lebenssorge Hülfe und Beistand bietet. – Sollten es die Mittel der Stiftung erlauben und Schriftsteller und Schriftstellerinnen, auf welche obige Merkmale nicht sämmtlich passen, zu Hülfe und Beistand empfohlen werden, so bleibt deren Berücksichtigung dem Ermessen des Verwaltungsrathes überlassen.“

Kein Menschenwerk ist vollkommen, so auch nicht die Fassung dieses Nachsatzes. Aber wenigstens in Bezug auf die Voraussetzung der Hülfsbedürftigkeit ist er von wünschenswerther Deutlichkeit, und diese Deutlichkeit hat im Verlaufe der Zeit sich als keine überflüssige erwiesen.

Noch hatten die Mittel der Stiftung einen solchen Umfang nicht gewonnen, daß Julius Hammer und Major Serre jetzt schon, wie dies später geschah, in ihrer Freude über das mächtig emporwachsende Werk in dem schließlich doch als unausführbar erkannten Gedanken einer Akademie sich hätten begegnen können. Man muß nicht glauben, daß damals die Gründung einer Zweig-Stiftung Kinderspiel war und sich unter dem Einflusse der allgemeinen Schiller-Begeisterung halb von selbst machte. Wenn jetzt „die schlechten Zeiten und die schon so großen Mittel der Stiftung“ die landläufige Ausrede bilden, um deren willen die Gründung neuer Zweig-Stiftungen unterbleibt, so hatten damals die eifrigen Männer, welche für die gute Sache eintraten, außer jenen Einreden über den Stiftungszweck und die Worte „Dichter“ oder „Schriftsteller“ noch eine Menge Bedenken zu beseitigen, die heute nicht mehr aufgeworfen werden können. Hier wollte man zunächst abwarten, ob nicht doch Alles nur Strohfeuer sei; dort gab es politische Einwürfe – beispielsweise: ob denn die österreichischen Dichter zu Schiller ein gleich nationales Verhältniß hätten, wie die deutschen Dichter „draußen im Reich“?

In Wien, das mit seinen 65,800 Gulden gegenwärtig als zweitreichste Zweig-Stiftung dasteht, wurde zwar Einwendungen dieser Art, wo sie auftauchten, mit Nachdruck begegnet, aber ihr hemmender Einfluß führte immer neue Verzögerungen herbei, und so kam es, daß die steirische Hauptstadt sich die Ehre erwarb, die früheste Zweig-Stiftung Oesterreichs zu werden.

Wie gut der brave Holtei, der eigentliche Gründer der Grazer Zweig-Stiftung, den Ton zu treffen wußte, um für die Gründung einer Zweig-Stiftung zu interessiren, das mag hier durch einige Citate belegt werden; denn es kommt immer noch darauf an, die rechten Wege zum Erreichen solchen Zieles fest in’s Auge zu fassen, und dieser ganze Rückblick verfolgt ja den Zweck, zu ähnlichen Anstrengungen Jeden anzurufen, in dem die Liebe zur Literatur in Wahrheit eine Stätte hat.

Um den Sinn und Zweck der Stiftung und namentlich auch den Werth kleiner Gaben möglichst deutlich in's Licht zu setzen, erinnert Holtei an die früher einmal für den Luftschiffer Godart in Graz veranstaltete Sammlung, nachdem der Ballon desselben durch die Schuld eines „tabakrauchenden Müßiggängers“ in Flammen aufgegangen war. „Das war schön,“ sagt Holtei in Bezug auf jene Sammlung, „aber aufrichtig gesagt, sollte denn doch, was man aus rasch aufloderndem Mitgefühl für das Fortkommen eines ausländischen Aëronauten gern gethan, zehnmal lieber gethan werden, wo Geist, Seele und Gemüth, wo heilige Pflicht, wo das Bewußtsein so laut und vernehmlich reden: ‚Wir sind Deutsche, und deutsche Poesie und Literatur weben das Band, welches [311] ohne Unterschied von Farben und Grenzen alle Deutschen verbindet. Wer nur einigen Theil hat an den geistigen Genüssen, die ein gutes Buch gewährt, wem ernste, belehrende, erheiternde, rührende Schriften auch nur bisweilen eine trübe Stunde belebten, ihm höhere Freuden als die alltäglichen gewährend; ja, wer nur aus Anderer Munde, wenn er selbst nicht Zeit und Beruf hatte nach Büchern zu greifen, von den günstigen Einflüssen vernahm, die vielgelesene Werke auf Bildung und Sitte ausüben, der handelt sträflich, sobald er nicht ein Scherflein (seinen Mitteln entsprechend) zu diesem Monumente deutscher Eintracht, zu dieser Stiftung dankbarer Pietät liefert.“ – „Die Menge solch kleiner Gaben,“ heißt es weiter, „ist es, welche nach und nach große Massen bildet.“ Und endlich: „Wir Schlesier führen ein altes Sprüchwort: ‚Ist’s nicht mit Scheffeln so ist’s doch mit Löffeln.‘ Das findet hier vollkommene Anwendung.“

Von den hingebenden Mühen und Anstrengungen Derer, die allmählich in allen Theilen unseres Vaterlandes in edlem Wetteifer die Gründung von Zweig-Stiftungen erstrebten, kann hier nicht im Einzelnen die Rede sein. Die Geschichte der Schiller-Stiftung berichtet über schöne Erfolge, und die vierundzwanzig Zweig-Stiftungen,[1] aus welchen die Gesammt-Stiftung gegenwärtig besteht, sind ja die lebendigen Zeugen für das Gelingen eines wesentlichen Bruchtheils jener Mühen und Anstrengungen. Soweit diplomatische Vermittelung nöthig war, erwarb sich das sächsische Ministerium um die Stiftung große Verdienste. Hier und da mußte auch ein glückliches Ungefähr zu Hülfe kommen. So in Leipzig, wo Heinrich Brockhaus sich schon im Juli 1856 mit einer Tausend-Thaler-Spende als Freund der Stiftung bethätigte und auch der Buchhändler Veit in seinem Minoritäts-Votum vom Jahre 1857 sich mit schöner Wärme für eine vom Leipziger Börsenverein der deutschen Buchhändler zu bewilligende Tausend-Thaler-Spende verwendet hatte, und wo dennoch allerlei Bedenken die Gründung einer Leipziger Zweig-Stiftung verzögerten. Erst ein Schreibfehler in dem Zweitausend-Gulden-Vermächtniß des in München verstorbenen Literaturfreundes Freiherrn von Pflummern gab der Sache eine bessere Wendung. Die Summe war an die Dresdner Stiftung gekommen, aber die Adresse hatte „an die Schiller-Stiftung in Leipzig“ gelautet. Solcher Art standen unliebsame Verwickelungen in Aussicht, und daß sie vermieden wurden, dankt die Stiftung dem praktischen Rath des Major Serre, demgemäß das Geld wieder nach Leipzig ging, daselbst aber als erster Fonds für eine Leipziger Zweig-Stiftung angelegt werden mußte. Das Eis war nun gebrochen. Von allen Seiten flossen der Leipziger Stiftung Gaben zu, und gegenwärtig verfügt sie über mehr als 14,000 Mark, sodaß sie, dem Vermögensbestande nach, unter den Zweig-Stiftungen die siebente Stelle einnimmt – immer allerdings für die Bedeutung Leipzigs als Buchhändler-Metropole eine zu bescheidene Stelle.

Erwies sich hier der Zufall als ein freundlicher Bundesgenosse, so half an einigen anderen Orten die Energie eines Einzelnen die Schwierigkeiten überwinden, welche kleinstädtische Verhältnisse solchen Unternehmungen entgegen zu setzen pflegen. So ist das kleine Nienburg, Dank den rühmlichen Bemühungen einiger dortiger Männer, vor Allem Oppermann’s, des auch als Schriftsteller wohlbekannten, vor einigen Jahren verdorbenen Obergerichtsanwalts daselbst, zu der Ehre gelangt, allen anderen hannöverschen Städten voran eine Zweig-Stiftung zu gründen, ja die einzige Stadt in den hannöverischen Landen zu bleiben, die eine Zweig-Stiftung besitzt; denn selbst die Landeshauptstadt hat bis heute noch keine solche, gerade so wenig wie das benachbarte Bremen, dessen hochgebildete und allen deutschen Interessen so warm zugethane Bewohnerschaft doch gewiß, sobald aus ihrer Mitte der rechte Mahner erstände, mit Freuden zur Mitarbeit an dem guten Werke herantreten würde.

Unter den Fürsten, welche durch werthvolle Geschenke das Zustandekommen der National-Lotterie förderten, eröffnete König Johann von Sachsen den Reigen, und sein Sohn, König Albert, hat während der unlängst zu Ende gegangenen Dresdener Vororts-Periode die Stiftung nicht nur durch einen regelmäßigen Jahresbeitrag ausgezeichnet, er hat ihr auch in einem der königlichen Schlösser bereitwilligst Unterkunft gewährt und sein warmes Interesse für die Stiftung in jeder Weise bethätigt. Durch regelmäßige Spenden stehen ferner das deutsche Kaiserpaar, der Kaiser von Oesterreich, der Großherzog von Baden und der Großherzog von Sachsen-Weimar mit der Stiftung in fortdauerndem engem Zusammenhang; der letztere literatur- und kunstfreundliche Fürst hat sich die Stiftung überdies zu dauernder Erkenntlichkeit verpflichtet sowohl durch sein Protectorat über die National-Lotterie und durch die ansehnlichen Geschenke, welche er diesem Glücksspiel überwies, wie auch namentlich durch die schöne und zwanglose Gastlichkeit, welche – um mit den Worten des dritten Jahresberichts zu reden – „den Stiftungsgenossen bei jeder Gelegenheit an dem geweihten Musenhofe Weimars zu Theil wird.“

Im Zusammenhang mit der erwähnten, auf eine Akademie abzielenden Anregung war die Oeffentlichkeitsfrage schon bald nach dem Entstehen der Stiftung bei allen Betheiligten in ernste Erwägung gezogen worden. Der Umstand, daß sowohl die in England wie die in Frankreich bestehenden großartigen Stiftungen verwandter Art die Veröffentlichung der Namen ausschlossen, bewirkte auch für die Schiller-Stiftung eine ähnliche Fassung der betreffenden Bestimmung des Statuts. Dieselbe hat sich jedoch im Laufe der Zeit als unhaltbar erwiesen; die Jahresberichte haben seit dem 1. Januar 1871 von dem ihnen durch Beschluß der vorhergegangenen Generalversammlung eingeräumten Rechte, die Namen zu veröffentlichen, Gebrauch gemacht, und es hat sich nach dieser delicaten Seite hin dadurch nicht nur erschöpfendes Material zur Beurtheilung der Verwaltung und ihrer Unparteilichkeit ergeben, sondern auch die Hoffnung Derer bestätigt, welche voraussagten, der Bezug einer Pension aus unserer nationalen Stiftung werde in der allgemeinen Auffassung nicht als eine Verunehrung aufgefaßt werden, ganz ebenso wenig wie dies bei einer von irgend einem Fürst verliehenen Dotation oder Pension der Fall ist. Wie wäre es auch anders möglich gewesen, nachdem der nun gewährte Einblick in die Listen der Empfänger unter Denen, die für ihre Hinterbliebenen nicht in auskömmlicher Weise zu sorgen vermocht hatten, eine Menge Namen erkennen ließ, welche durch Leistungen bedeutender Art der Nation lieb und werth geworden waren! Gewiß, die Bestätigung, daß literarisches und dichterisches Schaffen in Deutschland nur ganz ausnahmsweise die Flamme des häuslichen Heerdes ergiebig nährt, ja nichts Erfreuliches, und das Bewußtsein, daß selbst Reiche bei uns ein gutes Buch lieber borgen als kaufen, ist nicht geeignet, unserm Nationalgefühl zu schmeicheln. In dieser Beziehung uns mit Engländern und Franzosen zu vergleichen, haben wir auch wohl nie für eine absonderlich erquickliche Beschäftigung erachtet. Um so tröstlicher aber ist das Wirken einer Genossenschaft, welche den Hinterlassenen von Männern wie Otto Ludwig, Julius Mosen, Hermann Kurz, Eduard Mörike, Karl Beck, Eduard Duller, Hoffmann von Fallersleben, Georg Herwegh, Georg Hesekiel, Venedey, de la Motte-Fouqué, Bürger, Herder, Musäus, Leopold Schefer, Eichendorff, Nikolaus Lenau und so vielen, vielen namhaften anderen Schriftstellern den schuldigen Ehrensold zahlt.

Mit diesem Wegfall jedweden demüthigenden Beigeschmacks für die Empfänger ist auch das aus zarter Rücksicht hervorgegangene Project einer Schiller-Akademie mit literarischen Graduirungen nach der Seite hin, durch welche allein es mit der Schiller-Stiftung als einer „milden Stiftung“ in Zusammenhang zu denken war, um seine eigentliche Basis gekommen. Eine Registrirung der endgültigen Ablehnung des Projects bildet ein Passus in dem Rescript des königlich sächsischen Cultus-Ministeriums vom 4. November 1862, welcher hier einen Platz finden möge. Er lautet: „Die Schiller-Stiftung, als eine milde Stiftung in Sachsen begründet, steht unter dem Schutze des § 60 der sächsischen Verfassung und ihr Vermögen darf solcher Art ‚zu anderen Zwecken als den durch die Stiftung vorgezeichneten niemals und unter keinerlei Umständen verwendet werden‘.“

Die Entwickelungsgeschichte der Schiller-Stiftung mag bei diesem ihrem Marksteine auch für gegenwärtige Skizze abschließen! Es geschieht mit dem herzlichen Wunsche, daß in weiten Kreisen das schöne, dem deutschen Namen zur Ehre gereichende Werk wieder [312] in verstärktem Maße als ein der allseitigen freudigen Pflege nicht nur würdiges – daran zweifelt Niemand – nein, auch bedürftiges erscheinen möge. Das ist es aber in jedem Sinne, nicht nur in dem engen Sinne des Geldbedürfnisses, obschon auch dieses nicht unterschätzt sein will.

Denn was sind 52,000 Mark, wie die Stiftung sie, nach Mittheilung ihres letzten Jahresberichts, an Unterstützungsbedürftige verausgabte? Mehr als 180 beträgt die Ziffer dieser Letzteren. Man rechne, was auf den Einzelnen kommt. Und sind es denn Einzelne? Die Mehrzahl hat doch eine ganze Reihe von Familiengliedern hinter sich. Wie viele ihres Versorgers beraubte Wittwen stehen auf der Liste! Wittwen mit noch unerzogenen Kindern! Wer nach dem allgemeinen Hörensagen immer von den „Reichthümern der Schiller-Stiftung“ spricht, würde bald andern Sinnes werden, wenn er der Verwaltung angehörte. Das Vermögen der Stiftung erwächst sehr langsam. Nur in ganz seltenen Fällen gedenkt man ihrer, wo Vermächtnisse gemacht werden – nicht aus Lauheit für die gute Sache überhaupt, aber wohl aus Unklarheit über die Verhältnisse der Stiftung, von deren Midasreichthümern man sich nun einmal die ungeheuerlichsten Vorstellungen gemacht hat.

Noch mehr als durch pecuniäre Zuwendungen jedoch würde sich das der Stiftung wieder in vermehrtem Maße zugewandte Interesse durch Gründung von neuen Zweig-Stiftungen bethätigen lassen. Wie wenige Städte haben sich bisher das Verdienst erworben, durch Gründung solcher Zweig-Stiftungen für die Invaliden und Veteranen der deutschen Literatur etwas zu thun! Vierundzwanzig erst giebt es, vierundzwanzig in fünfundzwanzig Jahren! Man schlage einmal nach, wie viele namhafte Städte Deutschland und Deutsch-Oesterreich zählt! Sollte es mehr als der Klarstellung all dieser Sachlagen bedürfen, um einflußreichen und national gesinnten Männern den Gedanken in's Herz zu geben, auch in ihrem Kreise, auch in ihrer Stadt muthig Hand an's Werk zu legen, wie es Oppermann und seine Freunde in dem kleinen Nienburg gethan haben?

Fast Alle, die vor nunmehr fünfundzwanzig Jahren mit Begeisterung unsere „Stiftung“ gründen halfen, deckt heute der grüne Rasen: Hammer, Gutzkow, Serre, Grün, Halm, Mosenthal, Oppermann, Brockhaus, Veit, Heller, Merck, Zabel, Kugler, Professor Blum, Cotta, Carus, Wietersheim, Pfotenhauer, Hackländer, Holtei und wie viele Andere, die damals Mühsale und Demüthigungen nicht scheuten, um das muthig Begonnene auch zu Ehren der Nation zu gutem Ende zu führen.

Von den Männern, welche die Nationallotterie durchführen halfen, lebt nur noch Einer: Hofrath Alexander Ziegler. Den unermüdlichen juristischen Berather des Major Serre, Bürgermeister Hertel in Dresden, haben wir vor wenigen Wochen zur letzten Ruhe bestattet. Nun denn, wohin dieses Blatt dringen mag, da sage man sich: auch ich habe Theil an jenen Ehren und was ich aus Unbekanntschaft mit dem wirkliche Sachverhalt bis heute zu thun unterließ, das will ich jetzt nachholen!

R. Waldmüller.
  1. Badische (Heidelberg, Karlsruhe, Mannheim), Berliner, Breslauer, Brünner, Danziger, Darmstädter, Dresdner, Frankfurter, Grazer, Hamburger, Hannöversche, Kölner, Königsberger, Leipziger, Linzer, Lübecker, Mainzer, Münchener, Nürnberger, Offenbacher, Salzburger, Stuttgarter, Weimarer, Wiener. In Augsburg besteht eine Schiller-Stiftung, doch kann das alphabetische Verzeichnis leider nicht mit Augsburg anheben, da jene Stiftung zu der deutschen Schiller-Stiftung bis jetzt nicht in den statutenmäßigen Verband getreten ist.