Noch einmal die „literarische Freibeuterei“
[20] Noch einmal die „literarische Freibeuterei“. Unsere Leser werden sich eines Artikel unter obiger Ueberschrift (Nr. 44, 1873 der Gartenlaube) erinnern, in welchem wir den Anspruch einer Pester Dame auf die Autorschaft der Werner’schen Novellen als einen unberechtigten zurückwiesen. Wir stellten in einem Nachtrage zu jenem Artikel die bisher aus schonender Rücksichtnahme unterlassene Namensnennung der Dame für den Fall in Aussicht, daß dieselbe das durch Herrn Aigner gegebene Versprechen, „uns die Antwort nicht schuldig bleiben zu wollen“, wider Erwarten unerfüllt lassen sollte. Auf diese Aufforderung hin ging nun eine Zuschrift der Dame vom 22. November an unsere Redaction ein, in welcher dieselbe bittet, ihr einige Tage Frist zu der ihr „selbst nothwendig erscheinenden Erwiderung auf den ihr gemachten Vorwurf“ zu gewähren. Nachdem nun seit der Absendung jenes Briefes mehr als ein Monat verflossen ist, ohne daß die Pseudo-Werner uns jene verheißene Erwiderung zugestellt, würden wir jetzt unbedenklich zu der in Aussicht genommenen Veröffentlichung des Namens schreiten, hätten nicht inzwischen eingetroffene Zuschriften von mehr oder weniger an der Sache betheiligten Personen auf die Dame ein Licht so greller Natur geworfen, daß wir nunmehr gezwungen sind, jede Beziehung zu derselben zurückzuweisen.
Der juristische Vertreter des Herrn Aigner, Herr Dr. Adolph Reinitz in Pest, schreibt uns unter dem 6. November Folgendes:
„Euer Wohlgeboren! Im Zusammenhange mit der in der letzten Nummer der ‚Gartenlaube‘ erschienenen auf die Affaire ‚T – Buerstenbinder‘ bezüglichen Erklärung erlaube ich mir Ihnen als Rechtsfreund des Herrn Ludwig Aigner folgende Mittheilung zu machen.
Fräulein –a von T– hat mit Herrn Ludwig Aigner einen Vertrag abgeschlossen, laut welchem sie meinem Clienten fünf Novellen um den Preis von zweihundert Gulden ö. W. verkaufte, ferner das Eigenthumsrecht ihrer unter dem Namen ‚Werner‘ in der ‚Gartenlaube‘ erschienenen Novellen auf denselben übertrug und schließlich sich verpflichtete, einen Roman, dessen Honorar auf zweihundert Gulden ö. W. festgesetzt wurde, zu liefern. Herr Aigner bezahlte auch an Fräulein –a von T– zweihundert Gulden; inzwischen erhielt er jedoch Ihren in der letzten Nummer der ‚Gartenlaube‘ veröffentlichten Brief, in Folge dessen er die weiteren Ratenzahlungen einstellte. Fräulein –a von T– fand es nun für gut, gegen meinen Clienten einen Proceß auf Bezahlung der rückständigen zweihundert Gulden anzustrengen, wurde aber mit ihrer Klage abgewiesen und in die Zurückerstattung des bereits erhaltenen Vorschusses von zweihundert Gulden verurtheilt. Die ganze Angelegenheit wurde seiner Zeit in Nummer 215 des ‚Ungarischen Lloyd‘ vom 19. September dieses Jahres mit voller Nennung der Namen der Betheiligten besprochen und ist daher Ihre Delicatesse, mit welcher Sie den Namen dieser literarischen Freibeuterin verschweigen, mindestens überflüssig. Hier wird Fräulein T– in Folge dieses Processes allgemein die ‚falsche Werner‘ genannt.“
Außer diesem eben reproducirten Briefe sind uns mehrere Zuschriften von anderer Seite zugegangen. Wenn der Reinitz’sche Brief die in Rede stehende Dame als des Betruges schuldig hinstellt und uns das gravirende Urtheil des Gerichts im Zeitungs-Ausschnitt mittheilt, so entwerfen die übrigen Zuschriften von der Dame ein Bild, welches sie uns auch in sittlicher Beziehung auf dem Wege völliger Corruption erscheinen läßt. Es würde das Gefühl der Wohlanständigkeit verletzen, eine nach jenen Nachrichten mit dem Makel der Entsittlichung behaftet erscheinende Person neben der allverehrten Werner-Bürstenbinder genannt zu sehen, wie es uns nunmehr auch als eine Pflicht gegen unser eigenes Blatt erscheint, dasselbe nicht mit einem derartig beleumundeten Namen weiter in Verbindung zu bringen.
Indem wir somit von einer näheren Bezeichnung der –a v. T– absehen, verweisen wir alle Diejenigen unter unseren Lesern, welche dennoch deren Namen zu erfahren wünschen, auf die in dem obigen Briefe des Herrn Dr. Reinitz erwähnte Nr. 215 des „Ungarischen Lloyd“ vom Freitag, den 19. September 1873 (Morgenausgabe: Gerichtszeitung) und wollen damit in dieser uns aufgedrungenen Angelegenheit das letzte Wort gesprochen haben.