Brautleute im Sachsenlande
[19] Brautleute im Sachsenlande. (Mit Abbildung, Seite 5.) Es ist länger als siebenhundert Jahre her, daß der Ungarnkönig Geisa der Zweite in das Stück des alten Dacien, das heute von uns Siebenbürgen genannt wird, Deutsche einwandern ließ, zum kleinern Theil aus Flandern und vom Rheinlande, zum größern aus dem Harze, der besonders Bergleute liefern mußte, und aus Thüringen; nach beiden letzteren erhielten im Laufe der Zeit alle siebenbürgischen Deutschen den Namen Sachsen. Ueber Land und Leute im siebenbürgischen Sachsen bringt die Gartenlaube später einen ebenfalls illustrirten und eingehenderen Artikel. Jetzt bleiben wir bei unserm Bilde.
Diese Sachsen behielten nämlich mit vielen anderen guten Sitten der Väter in der alten deutschen Heimath auch die des Verliebens und Verlobens bei, und trotz her weiten räumlichen Entfernung von uns sind sie darin uns so durchaus gleich geblieben, daß gewiß sämmtliche verehrte Leserinnen der Gartenlaube an dem ihnen vorgestellten Brautpaare nicht das Geringste auszusetzen haben. Noch heutzutage wird auch bei uns kein Bräutigam seiner Braut den Trauring anders an den Finger stecken können, als es hier geschieht, und hübsch sind alle Beide; liebe gute deutsche Gesichter haben sich diese unsere Sachsen bewahrt seit siebenhundert Jahren.
Besser ist’s, wir treten selbst in die Stube, denn auch in ihrer Einrichtung finden wir Vieles, das uns anheimelt, wenn auch die durchgängige Wohlhabenheit diesem Sachsenvolkes die bäuerliche Einfachheit und Derbheit mit einem eigenthümlichen Luxus aufgeputzt hat. Vor Allem bemerken wir eine außerordentliche Reinlichkeit. In der linken Ecke der Stube sehen wir von dem bis an die Decke aufragenden Schrank (Schüsselramp) für die zahlreichen Schüsseln und Teller der sächsischen Hausfrau nur ein Stückchen hervorstehen; rechts davon findet häufig eine der landesüblichen großen Kisten (Truhen) ihren Platz. All dieser Hausrath ist mit den hellsten Farben, Blau, Weiß, Grün und Roth, bemalt, mit großen Blumen (Rosen und Lilien) und wunderlich geschnörkelten Figuren. Die Zimmerdecke entlang läuft ein hölzerner Rechen, der in der obern Abtheilung die bemalten irdenen Prunkschüsseln und an hölzernen Pflöcken eine stattliche Reihe irdener, ebenfalls bemalter Krüge trägt.
Steht der Schüsselschrank in der linken Ecke, so erblicken wir sicherlich in der rechten den reichgestickten, weißen Bettvorhang, der das bis an die Decke aufgethürmte Bett verhüllt, dessen Einzeltheile reichgestickte Linnenüberzüge zeigen. Schönheit und Zahl der Prunkschüsseln und -Krüge und das hohe Himmelbett, so wie ein reicher Vorrath des schönsten Linnen bilden den Stolz und Reichthum der sächsischen Hausfrau und die geschätzte Mitgift für ihre heirathsfähige Tochter. Wählten doch die Bauern eines sächsischen Dorfes Niemand zum Pfarrer, von dem sie wußten, daß er aus Mangel an Linnen mehr als einmal im Jahre waschen müsse. Zwischen Schrank und Bett zieht sich ziemlich in jeder Bauernstube eine Lehnbank hin bis zu dem Tische, auf dem die immer reine weiße, schwarz oder roch gestickte Tischdecke prangt.
Vor dem Tische befindet sich die Hauptgruppe unseres Bildes, der siebenbürgisch-sächsische Bursche (Knecht) und sein Mädchen (Maid). Bei dem ersten Schlage der Kirchenglocke ist der Bursche zu seiner Braut geeilt, um sie, wie es Sitte ist, zur Kirche zu geleiten und dafür den nie fehlenden großen Blumenstrauß (Rosmarin und Muskat dürfen darin nie fehlen) zu empfangen, den er stolz auf seine breite Hutkrämpe steckt oder ehrbar in der Hand trägt. Seine Braut ist offenbar zum Kirchgange schon gerüstet. [20] Dem blauen, bändergeschmückten Rocke hat sie die gestickte weiße Mousselinschürze vorgebunden und darüber den geschmackvoll und reich gestickten Pelz angezogen. Auf dem Haupte sitzt der die siebenbürgisch-sächsische Jungfrau kennzeichnende „Sammetborten“, unter dem die langen, blonden Zöpfe tief herabfallen. Wir überraschen das Paar in dem Augenblicke, wo er ihr den Ring ansteckt. Ist es nicht, als ob er mit dem altsächsischen Volksverse spräche:
„Hier geb’ ich Dir den Ring der Treu’,
Gott geb’, daß es Dich nie gereu’!“