Neues von dem „Schiff der Wüste“

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Titel: Neues von dem „Schiff der Wüste“
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 12, S. 388
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1899
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Erkenntnisse über das Leben von Kamelen in Innerarabien
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[388] Neues von dem „Schiff der Wüste“. Die Werke über das Tierleben, besonders das vorzügliche von Brehm, scheinen den Stoff erschöpft zu haben; doch fehlt es nicht an neuen Forschungen und Entdeckungen, welche manches, was allgemein anerkannt ist, erschüttern. Zu den Reisenden, welche der Tierwelt eine besondere Aufmerksamkeit widmeten, gehört der Kurländer Baron Eduard Nolde, der in seiner „Reise durch Innerarabien, Kurdistan und Armenien“ in zwei Kapiteln Beiträge zur Kenntnis des arabischen Pferdes und des Kamels giebt. Nolde, der vor einigen Jahren in London den Tod fand, war ein Weltfahrer mit einem gewissen abenteuerlichen Zug; [e]r hatte auch mit den Karlisten in Spanien gekämpft und 1877 in Südamerika mit den Chilenen gegen die Peruaner. Ins innerste Arabien sind wenige vorgedrungen so wie er, und da Pferde und Kamele zu seinen Passionen gehörten, so konnte er in jenem Wüstenlande die fruchtbarsten Studien machen; er selbst erwähnt, daß er hinsichtlich der Kamele selbst in gediegenen Büchern, Reisebeschreibungen und Naturgeschichten auf allerlei Irrtümer, falsche Darstellungen und Ungenauigkeiten gestoßen sei.

In einem Werke findet sich z. B. als ganz sicher festgestellt, „daß bei saftiger Grasnahrung Kamele wohl sehr lange ohne Wasser auszukommen vermöchten, daß dieselben aber bei Dürre fleißig getränkt werden müßten.“ Nolde erklärt dies für durchaus unrichtig. In der heißen Jahreszeit, bei Dürre, wird ein Kamel, wenn man es ihm ermöglicht, gern, oft und viel trinken, ja auch zweimal täglich, wenn es sich gerade so trifft, sich aufs Wasser stürzen, um sich vollzutrinken; das hindert indessen nicht, daß es fünfmal 24 Stunden bei großer Dürre vollständig ohne Wasser auszukommen und dabei schwere Arbeiten zu verrichten vermag. Die wirklichen Vollblut-Rennkamele kommen nur in Innerarabien vor, d. h. die Rasse, der man gelegentlich 200 km in 30 Stunden oder auch 150 km in 10 Stunden zumuten kann. Diese Tiere altern sehr schnell, sobald sie aus Innerarabien herausgebracht sind und nördlicher als im 30. Grade benutzt werden sollen. Auch herrscht fast überall bei der Ausbeutung der Kamele eine furchtbare Raubwirtschaft. Wirklich gut umgegangen wird mit den Kamelen nur in Innerarabien; daher ist es dort auch ein ganz anderes Tier, ohne Schwielen, durchweg wohlbehaart, durchaus nicht störrisch, freundlich und auf den Ruf herkommend, für Liebkosungen empfänglich und dankbar. So bleiben dort die Kamele, darunter auch die Renntiere, bis in ihr 30. Lebensjahr vollkommen dienstfähig.

Nach Nolde sind die Kamele, entgegen den in Europa herrschenden Ansichten, auch in steilen und schwierigen Berggegenden sehr brauchbar und leiden trotz ihrer weichen Füße auffallend wenig durch anhaltendes Treten auf Geröll und sehr scharfen Steinen. Nur leiden sie außerordentlich an Schwindel und daher ist die Anzahl der in Abgründe hinabstürzenden und über hohe und mit niedrigen Geländern versehene Brücken fallenden Kamele sehr groß. Vollständig unbrauchbar sind sie auf feuchtem und glitschrigem Erdboden, so daß sogar hundert Meter aufgeweichten Erdreichs für sie ein unüberwindliches Hindernis werden können. †