Napier’s Geschichte des spanischen Krieges vom J. 1807 bis 1814

Textdaten
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Autor: London Weekly Review
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Titel: Napier’s Geschichte des spanischen Krieges vom J. 1807 bis 1814
Untertitel:
aus: Das Ausland, Nr. 142 S. 565-567
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
Auflage:
Entstehungsdatum: 1828
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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Originaltitel: History of the War in the Peninsula and in the South of France from the year 1807 to the year 1814 by W. F. P. Napier
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Napier’s Geschichte des spanischen Krieges vom Jahre 1807 bis 1814,.

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Der Krieg in der Halbinsel, sagt ein englisches Blatt, [2]auf welchen die Augen von ganz Europa so viele Jahre hindurch gerichtet waren, hat zahlreiche Schilderer gefunden, und darunter mehrere von nicht geringem Talent; aber noch fehlte ihm ein Geschichtschreiber, der mit tiefen Kenntnissen in der Kriegskunst die Gabe vereinigte, die charakteristischen Eigenthümlichkeiten der verschiedenen Nationen welche in denselben verwickelt waren, richtig aufzufassen und darzustellen, der unpartheiisch und scharfsichtig genug gewesen wäre, die Verdienste der Feinde, wie die Fehler der Freunde einzusehen und anzuerkennen, und der zugleich einen lebendigen, wohlgerundeten und kräftigen Styl in seiner Gewalt gehabt, und mit der wechselnden Natur eines so mannigfaltigen Gegenstandes in Einklang zu bringen verstanden hätte. Ein solcher Geschichtschreiber ist Obrist Napier. Er war ein Augenzeuge von vielen der Begebenheiten, welche er erzählt, und außer den gedruckten Materialien, welche jedermann zu Gebot stehen, hat er die umfassendsten und wichtigsten Berichte von Offizieren, sowohl französischen als englischen erhalten, welche in dem Kriege gefochten haben. Unter diesen nennt er selbst, mit gleichem Ruhme, den Marschall Soult und den Herzog von Wellington. Als Obrist Napier sich mit der Bitte um die Mittheilung von Materialien zu seinem Werke an den letzteren wandte, soll sich gerade ein vornehmer Herr bei dem Herzog befunden haben, der aber, wie es scheint, Wellington und Napier gleich wenig kannte, indem er die Hoffnung aussprach: Se. Herrlichkeit werde einen Mann nicht unterstützen, der des Liberalismus verdächtig sey. „Es ist wahr, antwortete der Herzog, Napier ist ein verdammter Radicaler, aber, Herr, er wird die Wahrheit sagen.“ Wenn diese Anecdote, wie wir Ursache haben zu glauben, gegründet ist, so ist sie gleich ehrenvoll für Obrist Napier wie für den Herzog.

In der That, wir meinen, daß Napier kühn allen Parteien, wenn auch vielleicht nicht immer von allen Parteien die Wahrheit gesagt hat; wir glauben dieß um so mehr, je weniger eine einzige es zugestehen wird. Zum Belege können folgende Bemerkungen über die spanische Insurrection dienen, die wir ausziehen, um unsern Lesern eine Vorstellung von dem Geist und von dem Styl zu geben, in welchem das Werk geschrieben ist.

„Die allgemeine und beinahe gleichzeitige Aufregung des spanischen Volkes wurde von dem übrigen Europa mit Erstaunen und Bewunderung betrachtet; mit Erstaunen über die Kraft, welche so plötzlich in einer Nation erwachte, die man bisher für entnervt und tief erniedrigt gehalten hatte, mit Bewunderung wegen der kühnen Hingebung von Thaten, die, in der Entfernung gesehen, wo ihre gehässigen Einzelheiten unbekannt blieben, in aller idealen Schönheit der Vaterlandsliebe von Numantia erschienen. In England war der Enthusiasmus grenzenlos; geblendet anfangs durch den Glanz eines so unerwarteten Schauspiels überließen sich alle Stände dem Eindrucke eines edlen Mitgefühles und vergaßen – oder verschmähten sie aufzusuchen – die wahren Ursachen dieser scheinbar großherzigen Anstrengungen. Aber ohne im Geringsten den Wunsch zu haben, das Verdienst des spanischen Volkes zu schmälern, so können wir doch mit Grund bezweifeln, daß uneigennützige Charakterstärke die wahre Quelle seines Widerstandes gewesen sey. Bei Verfassungen, wie unsere neuern Staaten sie haben – wo wenig oder nichts in ihren Verwaltungs- oder Erziehungssystemen herrscht, was ein tiefes Gefühl der Vaterlandsliebe nähren könnte – wäre es in der That ein Wunder, wenn solche Wirkungen aus der reinen Tugend einer Nation hervorgingen, welche zwei Jahrhunderte lang unter dem Drucke des bürgerlichen und religiösen Despotismus geschmachtet hatte. Auch waren sie in der That das Ergebniß von mehreren zusammentretenden Ursachen, von denen viele nichts weniger als preiswürdig waren.

Ein charakteristischer Zug des Spaniers, in Beziehung auf öffentliche Angelegenheiten, ist unmäßiger Stolz und Anmaßung. Saumselig und sorglos, das Individuum wie die Masse, zeigen alle das albernste Vertrauen, daß nichts unmöglich sey, was sich nur immer ihrer erhitzten Einbildungskraft darbietet; einmal in Bewegung, sehen sie keine Schwierigkeiten mehr in der Ausführung eines Planes, und die Hindernisse, die sie finden, werden dem Verrathe zugeschrieben; daher die Ermordungen so vieler ehrenwerthen Männer zu Anfange des Aufstandes. Warm und herzlich in seinen Neigungen, aber eben so bitter in seinem [566] Unmuth, ist der Spanier geduldig in Entbehrungen, fest in Leiden, ein Spiel der schnell erweckten Leidenschaft, rachsüchtig, blutdürstig, einer Beschimpfung länger eingedenk, als einer wahren Beleidigung, und unversöhnlich in seinem Haß. Von Natur begeistert für alles was edel ist, sind seine Versprechungen erhaben; da er aber unabweichlich seine Leidenschaften sich der Herrschaft über seine Vernunft bemeistern läßt, so wird das, was er hält, gering.

In dem Fortgang dieses Krieges ersetzte die der Nation eigenthümliche Hartnäckigkeit der Rachsucht den Mangel kaltblütiger, unverzagter Ausdauer, aber sie war eine dürftige Stellvertreterin für eine so wesentliche Eigenschaft und führte mehr zu Thaten der Hinterlist und der Grausamkeit, als zu kühnen Handlungen der Vaterlandsliebe. Die Entführung der königlichen Familie, und der unerwartete Anspruch auf die Krone, welchen Napoleon in so beleidigenden Formen erhob, erweckte den ganzen Stolz des Spaniers. Die Aufstände von Madrid und Aranjuez hatten den Geist des Volkes aufgeregt und zu einer heftigen Bewegung vorbereitet, und der Schutz, den die Franzosen dem verhaßten Godoy gewährten, vermehrte die allgemeine Gährung: die im innersten Busen gehegte Rachgierde verfehlte ihr Opfer in dem Moment, wo sie desselben gewiß zu seyn glaubte, und diese Täuschung erregte alle die Wuth des Unwillens, welche bei dem Spanier für den Augenblick unbezähmbar ist.

Während Godoys Verwaltung waren die stärksten Eingriffe in das Eigenthum der Kirche gemacht worden; und es war offenbar, durch das Beispiel von Frankreich und Italien, daß unter dem neuen System diese Maßregel wiederholt werden würde. Dieß war ein Gegenstand, der die Interessen von einer Menge von Mönchen und Priestern berührte, die es nicht schwer fanden, ein unwissendes und abergläubisches Volk zu überreden, daß der Fremde, welcher es angriff, zugleich ein Feind seiner Religion und von Gott verflucht sey; Processionen, Wunder, Prophezeiungen, Vertheilung von Reliquien und Ernennung von Heiligen zu Befehlshabern der Armee, nichts wurde gespart, um die Masse der Patrioten in Fanatismus zu versetzen. In allen Theilen der Halbinsel zeichnete die Geistlichkeit sich aus durch ihre eifrige Thätigkeit; Mönche oder Klosterbrüder waren die Anführer in den Aufständen, oder denen zur Seite, die zu den unmenschlichsten Handlungen aufreizten. Napoleon hatte auf seinen früheren Feldzügen in Italien dieselben Ursachen ähnliche Wirkungen hervorbringen sehen; und wenn die natürliche Beschaffenheit des Landes hier eben so günstig für einen in die Länge gezogenen Widerstand gewesen wäre, und Großbritannien eben so bereitwillig seine Hülfe geleistet hätte, so würden die neuern Römer mit den Helden von Spanien gewetteifert haben.

Das Continentalsystem der Handelsausschließung war eine andere Springfeder dieser verwickelten Maschine. Es drohte den ohnehin bereits verfallenen Handel der Seestädte noch mehr zu schwächen; zugleich war der Schleichhandel, der in Spanien in einer unglaublichen Ausdehnung getrieben wird, seiner Vernichtung gewiß, und in diese war das Schicksal von hunderttausend Zoll- und Accisebeamten verwickelt. Es erforderte nur einen geringen Grad von Umsicht, um zu begreifen, daß eine Armee von bewaffneten Douaniers, auf französische Art organisirt, und durch eine kräftige Administration in Thätigkeit erhalten, bald dem Schmuggeln ein Ende machen müsse, das überdieß nur eine Folge der Monopole und innern Beschränkungen des Handels einer Provinz mit der andern war – beides Plagen, die durch die Constitution von Bayonne abgestellt waren; dadurch wurde die ganze Thätigkeit und Einsicht der Kaufleute, welche Geschäfte mit dem Auslande trieben, und zugleich die ganze Menge und gesetzlose Wuth der Schmuggler für die Sache des Vaterlandes gewonnen, und vermehrte die Reihen der Insurgenten.

Ebenso war der Zustand der Civilisation in Spanien vollkommen geeignet für eine Insurrection; wenn das Volk nur um ein Geringes mehr aufgeklärt gewesen wäre, so hätte es die Partei der Franzosen ergriffen; wenn wahrhaft aufgeklärt, so hätte die ganze Invasion nicht statt finden können. Aber in einem Lande, wo die Bedürfnisse der gebildeten Gesellschaft weniger gefühlt, und daher auch weniger beachtet werden, als in irgend einem andern Theile von Europa; wo die Wärme und die Trockenheit des Klimas es zu keiner Beschwerde oder auch nur Unbequemlichkeit macht, den größten Theil des Jahre unter freiem Himmel zu schlafen, und wo es der allgemeine Gebrauch ist bewaffnet zu gehen, war es nicht schwer für einen Mann von einiger Energie, große Massen leichtgläubiger Bauern zusammenzubringen, und bei einander zu erhalten. Keine Neuigkeit war zu grob erdichtet, um bei ihnen Glauben zu finden, wenn sie mit ihren Wünschen übereinstimmte. „Es verdad, los dicen“ (es ist wahr, sie sagen es) ist die unabänderliche Antwort des Spaniers, wenn ein Zweifel über die Wahrheit einer widersinnigen Nachricht ausgesprochen wird. Von mäßiger Lebensart, mit geringem Hausrath versehen, und allgemein gewohnt, das Geld, was in seine Hände kommt, zu vergraben, ist der spanische Bauer gleichgültiger gegen den Verlust von Haus und Hof, als dieß der Bewohner irgend eines andern Landes seyn würde; und einmal in ein Abentheuer verwickelt, macht es die leichte Beweglichkeit seines Geistes, so wie der heitere Glanz seines Himmels zu einer Frage von geringer Wichtigkeit für ihn, wohin er wandert.

Die Unglücksfälle, welche das Land vor der französischen Dazwischenkunft getroffen hatten, waren eine weitere Ursache, welche die Spanier zu Gewaltthätigkeiten vorbereitete, und dazu beitrug, diese Gewalt gegen die fremden Eindringlinge zu kehren. Hunger und Unterdrückung, Armuth und Seuchen, der Verlust des Handels und ungleiche Besteurung hatten schwer auf ihnen gelastet; für ein solches System der Verwaltung konnte das Volk eben nicht enthusiastisch eingenommen seyn, aber es wurde ihm gesagt, Godoy sey die einzige Ursache des Elendes, welches sie litten, und Ferdinand werde ihren Beschwerden abhelfen; und da die Franzosen die mächtigen Beschützer des ersteren und Feinde des letztern waren, was war leichter, als durch diese bittere Empfindung den [567] natürlichen Haß gegen die Herrschaft eines Fremden noch zu verstärken? Und so geschah es.

Dieß waren die Hauptursachen, welche sich vereinigten, diese merkwürdige Revolution hervorzubringen, aus welcher so große Ereignisse sich entwickelten, ohne daß ein Mann von ausgezeichnetem Talent erstanden wäre, um den auf diese zufällige Art erweckten Geist zu zügeln oder zu leiten. Nichts beweist unwiderleglicher die verschienartige Natur der Gefühle und Interessen, welche sich hier vereinigt hatten, als diese Thatsache, welche auf keine Weise dem Mangel an natürlichem Talent zugeschrieben werden kann; denn der Geist des spanischen Volkes ist feurig, scharf und lebendig. Aber es war kein gemeinschaftliches Band der Gefühle vorhanden, dessen sich ein großer Mann hätte bemächtigen können, um Einfluß auf große Massen zu gewinnen. Früh bemerkten Männer von Scharfblick, daß die spanische Revolution, gleich einem blätterreichen Strauch in einem heftigen Windstoß, gewaltig bewegt, aber nur leicht verbundene Stämme enthüllend, keinen sichern Halt für den Ehrgeiz eines überlegenen Geistes darböte, wenn ein solcher vorhanden sey. Es war klar, daß die Sache untergehen müsse, wenn sie nicht von England unterstützt würde; und dann war es natürlich, daß England alles leitete und nicht zugab, daß seine Mittel für den Ruhm eines Individuums verwendet wurden, dessen Ansichten und Politik später den seinigen entgegengesetzt seyn konnten. Auch war es nicht schwer zu sehen, daß der Sturz Napoleons, nicht die Wiedergeburt Spaniens der Zweck des brittischen Cabinets war.
  1. History of the War in the Peninsula and in the South of France from the year 1807 to the year 1814 by W. F. P. Napier, Lt. Colonel, Vol. 1. London 1828. 8.
  2. London Weekly Review, April, 26.