Textdaten
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Autor: J. C. Maurer
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Titel: Nach der Taufe
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 369, 371–372
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[369]

Nach der Taufe.
Nach dem Oelgemälde von Ad. Lüben.

[371] Nach der Taufe. (Mit Illustration S. 369.) Wir stehen vor der Kirche eines Dorfes im bayrischen Hochland nahe der Tiroler Grenze. Dort ist ja die malerische Tracht daheim, die uns der Künstler auf diesem Bilde vorführt. Wie hübsch kleidet nicht diese „Berglerinnen“ der grüne kleine Spitzhut, der ihnen so keck auf den üppigen Haarflechten sitzt, dazu das knappe Mieder mit silbernen Kettchen verschnürt, die werthvolle Halskette und das seidene Brusttuch; und die Reckengestalt des stämmigen Bauern, wird sie nicht durch die einfache Lodenjoppe und die kurzen Kniehosen äußerst vorteilhaft hervorgehoben?

So kommt die kleine Gesellschaft aus dem Kirchhof hervor, an dessen Eingang ein altes Madonnenbild von dem verwitterten Pfeiler herabschaut. Das neugeborene Kind, das die junge Pathin, die „Godel“, auf den Armen trägt, ist soeben da drinnen in der Kirche getauft worden. Sicherlich erhielt es den Namen seines Vaters oder Großvaters, wenn es nicht etwa dem angestammten Regentenhaus zu Ehren Max oder Ludwig heißen mußte; denn wir werden kaum irren, daß es ein „Bub“ sei. Dafür spricht ja die helle Freude, die dem Vater aus dem wetterharten Gesicht strahlt, indem er auf seinen Sprößling herabschaut und sich behaglich wieder das Pfeifchen stopft, das er nur ungern in der Kirche ausgehen ließ. Und wie er dabei auf die „Godel“ hineinredet, die, durchdrungen von ihrer heutigen Wichtigkeit, im Festtagsgewand neben ihm herschreitet und voll zärtlicher Sorgfalt die Blicke auf ihr „Godelkind“ niedersenkt! Hinter ihr folgen zwei junge Mädchen, die wahrscheinlich zur Verwandtschaft gehören. Ohne Zweifel haben auch sie mit einander gar wichtige Dinge zu reden, vielleicht von Brautstand und Hochzeit; aber während die eine munter zu plaudern scheint, steht die andere in Sinnen versunken und steckt sich tändelnd ein Blümlein hinter die Hutschnur. Was sie wohl bei sich denken mag?

Ganz zuletzt in diesem kleinen Zuge sehen wir noch ein altes Weib nachhumpeln; es hat nothwendigerweise auch bei der Taufe sein müssen; [372] denn wie könnte es sonst im Dorfe davon erzählen! So eine Kindstaufe ist ja immer ein Ereigniß! Darum mustert auch der frische Hirtenjunge, der im Vordergrunde auf einem Stein sitzt, die Gruppe so aufmerksam, und selbst der kluge Hund zu seinen Füßen hebt vorwitzig den zottigen Kopf in die Höhe.

Ueber der ganzen Scene, welche mit künstlerischem Blick dem Leben der Bergler abgelauscht ist, liegt die feierliche Ruhe eines klaren lichten Sommermorgens ausgebreitet. Hinter der alten Friedhofmauer schaut vom grünen Baumschlag halb versteckt das schlichte Kirchlein mit seinem Spitzthurm hervor; in der Ferne ragen, umflort von feuchtem Duft, die Berge des Hochlands, und darüber lacht der sonnige blaue Himmel. Möge er dem kleinen Erdenbürger eine sonnige Zukunft prophezeien!
J. C. Maurer.