| IX.
Miscellaneen.
1.
Seit dem man anfing, das Schulwesen zu verbessern, war man auch zugleich darauf bedacht, den Schullehrern ein größeres Ansehen zu verschaffen. Ungeachtet dessen herrschet doch noch in vielen Gegenden Frankens ein Gebrauch, der dem Ansehen und der Achtung, in welcher Schulleute stehen sollten, sehr nachtheilig, und selbst manchem ehrliebenden Schullehrer eine wahre Last ist. Dieser Gebrauch ist das sogenannte
Weihnachtssingen. Zur Weihnachtszeit nämlich geht der Schullehrer mit einigen Singknaben in dem Städtchen oder Dorfe von Haus zu Haus, und singet einige Lieder, wofür er von den Leuten mit einer Gabe an Geld beschenket wird. Dieser Gebrauch muß das Ansehen eines Schullehrers herunter setzen, denn er unterhält bey den Leuten die Vorstellung, als gehörte er mit unter die Classe ihrer sogenannten Gemeindediener. Zweytens, wo der Schullehrer hinkommt, wartet man ihm mit einem
| Gläschen Wein
[1] auf, wodurch es gar oft geschieht, daß Schullehrer sowohl, als Singknaben berauschet werden, auch wenn sie sich ziemlich mäßig halten, weil sie verschiedene Weine zu trinken bekommen. Wie förderlich nun es dem Ansehen des Schullehrers seyn müsse, wenn die Leute sehen, daß er, schwer vom Weine, mit seinem Gesange nicht mehr fortkann, ist leicht zu erachten. Nebst dem ist dieses Weihnachtssingen Schuld, daß bey manchen oft acht Tage das Schulhalten versäumet wird; auch kann der Schullehrer verleitet werden, seine Pflicht an manchem Kinde nicht zu erfüllen, aus Furcht, er möchte beym Weihnachtssingen kärglich von den Eltern beschenket werden. Es sollte mich freuen, wenn durch dieses Journal Schulcommissionen aufmerksam gemacht und ermuntert würden, auf Mittel zu denken, wie dieser üble Gebrauch abzustellen sey, ohne daß die Einkünfte der Schullehrer geschmälert würden, was bey ihren meistentheils geringen Salarien ganz und gar nicht geschehen darf.
2.
Ober-Schüpf den 2ten November 1791.
Vor einigen Tagen hat sich hier ein Selbstmord zugetragen, der bekannt gemacht zu werden verdient. Der Gehülfe des hiesigen fürstlich Hatzfeldischen
| Beamten,
Johann Jacob Lutz, war bereits über ein Jahr bey demselben, und hatte sich durch sein stilles friedfertiges Betragen sowohl, als durch Fleiß und Geschicklichkeit, die Liebe und das Zutrauen seines Principals und des ganzen Hauses, und die Achtung aller derer, die ihn kannten, erworben. Aber die ganze Zeit über bemerkte man eine ausserordentliche Düsterheit des Gemüths und tiefe Melancholie an dem Menschen. Man gab einem Vorfalle, der sich im J. 1787 zwischen ihm und einem seiner jüngern Brüder zugetragen hatte, die Schuld, und achtete wenig darauf. Allein in der vorigen Woche nahm der Unglückliche Gift, welches er, wie er vor seinem Hinscheiden selbst gestanden, schon über ein Jahr zu seiner eignen Ermordung bey sich getragen hatte. Die Stärke und Quantität des Giftes war indessen nicht so groß, daß es seinen Tod schnell befördert hätte, und die Wirkungen dauerten über 3 Stunden, und dieß hatte die Folge, daß man demselben beyspringen konnte. Er bereitete sich nach katholischer Religion zum Tode, und starb reuevoll. Vielleicht hätte man ihn noch retten können, wenn er sich eher entdeckt hätte, und ein kluger Arzt in der Nähe gewesen wäre. Der Unglückliche war von honetten und bemittelten Eltern aus Mergentheim gebohren, studirte daselbst bis in die sechste Schule, ward aber seines ausserordentlich gebrechlichen Körpers wegen (er hinkte an dem linken Beine, welches samt dem Fuße kürzer
| und kleiner, als das rechte war, weswegen er in seiner ersten Jugend beständig mit einer Krücke gehen, und bis in seinen Tod immer eine Stütze haben mußte) von dem
Professore Disciplinae in Wirzburg nicht aufgenommen. Er ging zurück nach Mergentheim, studirte die Philosophie bey den Capucinern, und half dabey seinen Eltern, welche Handelsleute sind, in ihrem Laden. Im Jahr 1787 trug sich eine traurige Begebenheit zwischen ihm und einem seiner jüngern Brüder zu; indem er denselben, man weiß nicht ob mit Absicht, ober aus Versehen, mit einer Kugelbüchse erschoß, worauf er bis auf das Jahr 1790 unsichtbar ward. Die Capuciner und besonders der damahlige Guardian zu Wirzburg wirkten ihm bey dem Teutschmeister die Erlaubniß aus, sich wieder in Mergentheim sehen zu lassen. Mittlerweile war er in Mainz gewesen, und hatte die Rechtsgelehrsamkeit mit grossem Vortheil studirt. Nach erhaltner Erlaubniß in seine Vaterstadt zurückzukehren, ging er in der Mainzischen Benedictiner Abtey Amorbach in eine Schreiberey, und hatte bald das Glück, selbst als Amtsschreiber angestellt zu werden. Allein wegen seiner damahls schon überhand nehmenden Melancholie, nahm er diese Stelle nicht an, als er bereits in Pflichten genommen werden sollte, und kam hieher, wo er sich den Tod selbst bereitete. – Mehrere Freunde von seinen Eltern riethen denselben öfters, ihren Sohn nicht studiren zu lassen: allein
| die guten Leute ließen sich nichts einreden, und was jene allenfalls ausgewirket hätten, hintertrieben die Dominicaner zu Mergentheim, indem sie den leichtgläubigen Eltern von ihrem Sohne große Dinge in den Kopf setzten. Ich halte wenigstens dafür, daß, wenn dieser Mensch nicht studirt hätte, er nach der fatalen Episode mit seinem Bruder weder in die große Melancholie, noch in die Verzweiflung, als die natürliche Folge derselben, gerathen wäre.
3.
Zu Anspach starben am 20 und 22 Januar dieses Jahrs zwey Personen von ganz gleichem Alter. Am 20 Januar starb nämlich Herr Leonhard Paulus Grundler, ehemahls Kaufmann zu Nürnberg, der aber in seinen Vermögensumständen herunter gekommen war, nachher hie und da im Französischen und Italiänischen Unterricht ertheilte und zuletzt zu Anspach als Sprachmeister mit gutem Erfolg lehrte. Am 22 Januar, in eben dieser Tagsstunde, in welcher Grundler sein Leben beschloß, starb Frau Anna Maria, Wittwe des ehemahligen Consistorial-Registrators, Joh. Wilh. Höppel. Beyde erreichten ein Alter von 71 Jahren, 9 Monaten, 27 Tagen.
4.
Königsberg in Franken, den 26 Jan. 1792.
Auf die jüngst in Ihrem Journal ergangene Frage: wo der Beichtpfenning abgeschafft sey? habe ich folgendes zu antworten. Es hat hier ein frommer Bürger, Herr Bothhof, der im Jahr 1750
| verstorben ist, sich um seinen Wohnort ein unsterbliches Verdienst gemacht, indem er nicht nur ein hinreichendes Capital zur Abschaffung des in allem Betrachte so lästigen Beichtpfennings legirte, sondern auch eine schöne neue Orgel, durch den Künstler Herrn J. Mich. Voit zu Schweinfurt verfertigen ließe. Diesem rühmlichen Vorgang folgte Herr Georg Möller, des Raths, gewesener Stadt-Lieutenant und Almosen-Pfleger, der im Jahr 1758 verstorben ist, und zur Abschaffung des Beichtpfennings ein Capital von 300 fl. Fr. hinzugethan hat.
5.
Jüchsen im Meiningischen, den 14 Febr.
Die edle Vorsorge unsers Herrn Herzogs
Georg, welche er im vorigen Jahre bey der Gelegenheit zeigte, als im Monat September die Ruhr in dem hiesigen ansehnlichen Dorfe Jüchsen grassirte, verdient einen Platz in Ihrem Journal. Kaum war die Anzeige davon an den menschenfreundlichen und für des Landes Beste unermüdet arbeitenden Amtshauptmann und geheimen Regierungsrath, Herrn
von Uttenhoven, geschehen; als sogleich die wirksamsten Anstalten zur Tilgung des Übels auf Befehl unsers Herzogs gemacht, und der junge und geschickte Arzt, Herr
Jawandt, mit der Weisung hieher geschickt wurde, so lange, als es nöthig wäre, hier zu bleiben und die Kranken zu besorgen. Die dazu erforderlichen Arzneyen
| wurden aus der landschaftlichen Casse bezahlt, und alle Tage mußte ein Verzeichniß der Kranken und ihres Zustandes nach Meiningen eingeschickt werden. Ja, da einige wieder auf dem Weg der Genesung waren, und der Arzt zu ihrer Erhohlung Pontak für dienlich hielt, so wurden mehrere Bouteillen aus dem herzoglichen Hofkeller dazu abgegeben. Dadurch ist denn der Schädlichkeit des Übels ziemlich Einhalt gethan worden, so, daß von mehr als 200 Ruhrkranken in allem nicht mehr als 20 Personen alt und jung gestorben sind. Die Gemeinde bezahlte bloß aus ihrem Mittel die Zehrungskosten des Arzts, und ein Honorarium von 50 Rthlr.
6.
Komburg den 19ten Febr.
Es ist leider! nur zu wahr, daß die Bettelmönche in manchen Gegenden nicht wenig zu dem Schneckengang der Aufklärung beytragen, und dem Wohl des Bürgers sehr entgegen arbeiten, besonders in kleinen Staaten, wie der unsrige ist, wo sie in großem Ansehen stehen, und bequemer ihre Grundsätze verbreiten können, als in manchen größern Ländern. Finden sie einige etwas helldenkende Bürger, die ihren Schleichwegen ausweichen, so wissen sie dieselben, besonders wenn es die geistlichen oder weltlichen Vorgesetzten sind, durch Cabalen und Wendungen ihrer Kanzelreden bey dem gemeinen Mann zu verläumden, und denselben dadurch alles Zutrauen zu entziehen und
| dasselbe sich zu erwerben. Nicht zum Beweise, sondern als Beyspiel hievon verdient der Stiftsprediger aus dem hiesigen Capuciner Kloster angeführt zu werden, ein Mann, an dem die Natur ein Meisterstück eines Capuciners gemacht zu haben scheint. Das einzige und eifrigste Geschäfft desselben ist, täglich neue Recruten zu seinem dritten Franciscus-Orden zu sammeln. Hiedurch macht er manchem Vater seine Tochter, und manchem Bürger seine rechtschaffene Dienstmagd zu einer nichtswürdigen Dirne, weil sie zu glauben verleitet werden, daß, wenn sie, bey allen ihren Ausschweifungen, nur die ihnen vorgeschriebenen Ordensgebete verrichten, sie ihre Pflichten genugsam erfüllet hätten. Um aber die heimlichen Unterredungen mit ihrem Ordensmann desto besser abwarten zu können, gehen sie aus dem Dienste, und nähren sich mit Nähen, Stricken, oder legen sich gar zur Last ihrer Mitbürger auf den Bettel. Es wird daher jedem Bürger bey uns sehr schwer, eine gute Dienstmagd zu bekommen, oder zu erhalten. Unser von seinen Untergebenen verehrter Herr Dechant würde schon längst diesem drückenden Übel vorgebeuget, und den Mönchen ihren Wirkungskreis eingeschränkt haben, wenn er nicht fürchtete, daß man dieß als einen Eingriff in die Gewissensfreyheit, und als einen unleidlichen Zwang ansehen möchte, welchen Verdacht er auf keine Weise auf sich laden will.
.
| 7.
Noch im vorigen Jahr ereigneten sich in Wirzburg folgende Veränderungen.
Herr Johann Baptist Schmid, der Übersetzer verschiedener Werke des Cicero, welcher bis ins 15te Jahr das Amt eines Privatlehrers am Juliusspitalischen Museum rühmlichst versehen hatte, wurde als Registrator beym fürstlichen Lehenamte befördert.
Herr Lorenz Schmidt erhielt die ansehnliche Stadtpfarre Schlüsselfeld zur Belohnung seiner zehnjährigen Dienste, welche er als Professor bey dem Gymnasium geleistet hatte. In seine Stelle trat Herr Andreas Schelhorn, vorher Präfect bey dem adelichen Seminarium. Herr Georg Bergold, Licentiat der Theologie, ward gleichfalls von der Präfectur am besagten Seminar zur Professur am Gymnasium befördert.
Herr D. Roßhirt wurde mit Beybehaltung seiner theologischen Professur wirklicher Vicariats- und Consistorialrath.
Herr Canonicus
Holler, der bisher dem Schullehrer-Seminar als Director vorstand, legte diese Stelle nieder, und ward fürstlicher Hofcaplan. Sein Nachfolger ist Herr
Anton Mayer, bisheriger Pfarrer zu Oberschwarzach und zugleich Canonicus in Neumünster. Um alle an dem Schulwesen theilhabende Personen in gehöriger Aufmerksamkeit zu erhalten, begleiten beyde abwechselnd den Herrn
| Weihbischoff Fahrmann auf seinen bischöfflichen Visitationen.
8.
An die Stelle des verstorbenen Dechants und Stadtpfarrers Mack zu Gunzenhausen ist zu Anfang dieses Jahrs Herr Joh. Christ. Zenker, bisheriger Pfarrer zu Dornhausen, eine Stunde von Gunzenhausen befördert worden, der vorher daselbst schon verschiedene Jahre als Obercaplan gestanden war. Ein Mann, der mit seiner ungewöhnlichen Körpermasse[2] eine ächte und hinreißende Canzelberedsamkeit und ein vorzügliches Dichtertalent verbindet, und durch seinen untadelhaften Wandel sich die Achtung aller, die ihn kennen, erworben hat.
9.
Herr Johann Christian Friedrich Meister, bisher Königl. Preußischer Criminalrath und Justizcommissar zu Neisse in Schlesien, ein geborner Hohenloher, ist als vierter ordentlicher Professor der Rechte und Beysitzer der Juristenfacultät zu Frankfurt an der Oder angestellt worden.
10.
In dem im
II. Hefte des III. Bandes gelieferten Verzeichniß der Papiermühlen in Franken ist zu berichtigen, daß in
Heidenheim keine Papiermühle existirt, sondern wahrscheinlich die auch angeführte
| zu
Wolfsbronn gemeint ist, die eine Stunde davon liegt, und in das Kastenamt Heidenheim oder Hohentrüdingen gehört. Ihr jetziger Besitzer heißt
Volkert.
11.
Im dritten Band S. 309. in der Note muß wegen der Zuschreib-Gebühren gelesen werden:
Vor Zeiten für 1 Hube 2 Reichsthaler. Jetzt muß bisweilen der einzige Morgen also bezahlt werden, da für ein jedes Stückchen eines Morgens, der oft in 8, 12, 16 vertheilt ist, 2 Batzen Zuschreib-Gebühr entrichtet werden müssen.
- ↑ Diese Nachricht ist aus einer Gegend Frankens, wo Weinwachs ist.
- ↑ In den Reisenden für Länder- und Völkerkunde III Th. wird seine Schwere auf 4 Centner taxirt.