Mein Bub’
„Mein Bub’.“
Ich soll „Mein Bub’!“ nicht zu dir sagen,
Weil du schon über zwanzig zählst,
Weil du des Königs Rock getragen
Und nächstens gar zum Reichstag wählst?
Ich weiß, du bist nicht so gesinnt;
Doch wenn ich hundert Jahre lebe,
Bleibst du mein Bub’, bleibst du mein Kind!
Wohl bist du groß, und doch! – ich sehe
Als dich nach langem, bitt’rem Wehe
Beschien der erste Sonnenstrahl.
Dein Vater stand von Glanz umflossen,
Als er dich in die Höhe hob,
Und selig rief: „Ein Bub’! Gott Lob!“
Und unsre Anverwandten kamen,
Um dich zu sehn, der Reihe nach.
Ich weiß noch all’ die zarten Namen,
Und deine lieben Aeuglein schauten
Verwundert in die Welt hinein.
Und rings erklang’s in Himmelslauten:
„Der liebste, schönste Bub’ ist dein!“
Du warst ein Kind noch, winzig klein:
Da lag auf schwarzbehängter Bahre
Dein holdes, ältstes Schwesterlein.
Entsetzlich war des Vaters Jammer,
Doch ich schlich still in meine Kammer –
Und weinte leis’ bei meinem Bub’.
Und zwanzig lange Jahre flogen
Vorbei seit jener schlimmen Nacht.
Hab’ dich zum braven Mann gemacht. –
Stets warst du gut; doch auch nicht selten
Bei einem wilden Bubenstreich –
Ach, deines Vaters Zornesschelten
Und wenn man bös und schlecht dich nannte,
Dann sah ich schmerzlich himmelwärts.
Ich war die Einz’ge, die dich kannte:
„Mein Bub’ hat doch ein gutes Herz!“ –
An eine kaum vergang’ne Zeit;
Da zog mit seines Königs Fahnen
Mein lieber Bub’ zum blut’gen Streit.
Dann war’s in einer Mittagsstunde;
Es lag mit schwerer Todeswunde
Mein lieber Bub’ im fernen Land. –
Ich fand ihn in dem Lazarethe,
Mit Wunden seine Brust bedeckt,
Starr, wie ein Todter hingestreckt.
Ich kann es keinem Menschen sagen,
Was ich gelitten und durchlebt,
Als er die Augen aufgeschlagen,
Dann stürzt ich hin und weinte leise
Und wachte, weinte nächtelang,
Bis mich nach altgewohnter Weise
Ein lieber, theurer Arm umschlang.
Ich schrie hinaus in Nacht und Wind:
„Barmherz’ger, guter Gott, erbarme
Dich meiner, lasse nur mein Kind!“
Du bist gerettet durch ein Wunder,
Daß dich ein Mund noch, ein gesunder:
„Mein Kind, mein Bube“ nennen kann!
Ludwig Lantz.