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Titel: Maler auf der Studienreise
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aus: Die Gartenlaube, Heft 29, S. 478
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[467] 

Maler auf der Studienreise. Nach seinem Oelbild auf Holz gezeichnet von Konrad Grob.

[478] Maler auf der Studienreise. (Mit Abbildung, S. 467.) „Was ist denn eine Studienreise?“ So werden Viele fragen, und es wird nicht an Leuten fehlen, welche beim Anblick der Maler mit ihren langen Haaren und spitzigen und breitkrämpigen Hüten auf die Meinung verfallen, daß eine sogenannte Studienreise wohl nichts Anderes sei, als eine gut erfundene Ausrede zum Bummeln. Dieser Anschauung huldigte z. B. jener Bauersmann, der, einen Maler unter seinem Schirme sitzen und malen sehend, für sich murmelte: „Da sitzt auch so ein Tagedieb.“ Zum Trost der Welt können wir aber behaupten, daß das Bummeln nur eine Ausnahme ist von der ehrenwerthen Regel, nach welcher weitaus der größere Theil der Künstler es ernst meint mit seinen Studien.

Der Maler lebt fast das ganze Jahr in der Stadt innerhalb der vier Wände seines Ateliers; um seine Phantasie aufzufrischen, muß er einen oder zwei Monate hinaus in die Freiheit. Der Landschaftsmaler eilt nach dem Hochgebirge mit seinen Gletschern, Wasserfällen, Seen, Ahornbaumgruppen und Wettertannen; der Thiermaler sucht jene grünen Halden auf, wo prächtiges Vieh weidet und flinke Ziegen gleich Gemsen herumklettern; der Genremaler richtet seinen Weg dahin, wo er noch die gute alte Zeit findet, wo die Wirthe noch die einfache Kreide führen und nicht die Stahlfeder auf den langen Rechnungszetteln, wo nicht schon jeder Gartenzaun schweinfurtergrün angestrichen ist. Wo er ein Bauernhaus mit mächtigem Strohdache entdeckt, da tritt er ein, da findet er eine heimelige Stube mit Gupfenofen, wo die Sonne freundlich durch runde Fensterscheiben lächelt, wo der Großätti mit kurzen Hosen und Zipfelkappe sein Pfeifchen schmaucht, wo Frauen mit großen Spitzhauben und Mädchen mit Schwefelhütchen ihr Spinnrad drehen; da kann er auch eine rußige Küche finden oder eine trauliche Sommerlaube, wo zwischen Weinranken hindurch die blauen Berge herüberwinken.

Auf einer solchen Studienreise hat der Kunstbeflissene viel von Strapazen und von Unbilden der Witterung zu leiden. Da kann es ihm geschehen, daß, wenn er auf Wochen sich in einer hochgelegenen Sennhütte einlogirt hat, der Wind durch alle Fugen dringt und das Innere mit Rauch anfüllt, daß dem Ungewohnten die Augen übergehen, die Regengüsse ihn nicht vor die Thür lassen, weil die Umgebung der Hütte zur Pfütze geworden, und er am Ende gar noch eingeschneit wird. Da muß der gute Humor helfen, bis die Wolken sich zertheilen und das langersehnte Himmelblau sich wieder zeigt.

Der junge Maler auf unserm Bilde scheint auf eine der oben erwähnten Sommerlauben gerathen zu sein; die darf er nicht auslassen, die kann er vielleicht einmal trefflich verwerthen und rasch macht er sich an seine Arbeit. Er ist ja da ungestört, ungestörter wenigstens als sein College, der den alten Brunnen malt und der von der halben Dorfjugend belagert ist. Und auch er kriegt sein Publicum; doch es ist das Hausgesinde, und da braucht’s Nachsicht. Wie das Ueberwinden der Strapazen lernt sich auch die Geduld, derlei Störungen nicht zu beachten. Als Entschädigung dafür erscheint ihm, o welch Glück! eine neue Studie, eine willkommene Staffage, nein, sogar der Stoff zu einem Bilde.

Dieses Maidli, gewiß des Hauses Töchterlein, hat soeben die auf dem Vordache stehenden Blumen getränkt. Ob sie dieses Geschäft sonst immer zu dieser Zeit verrichtet, weiß ich nicht; aber es hilft nichts, sie muß dem Maler Modell stehen, bis er sie, wie wir sie da erblicken, mit der Gießkanne und halb beschattet von der Weinranke, in seine Mappe skizzirt hat. Aus Freude über das geglückte Tagewerk wird dann im Wirthshause ein Schoppen guter Waadtländer mehr getrunken, und im Qualme von Glimmstengeln und Pfeife stellt er sich das Bild zusammen, welches die Mitglieder des Kunstvereins in einigen Monaten zu sehen bekommen werden. Vielleicht verguckt sich da ein Engländer drein und nimmt es mit sich über’s Wasser.

Obigem Originalbilde, welches in der Schule des Professor von Ramberg gemalt wurde, ist letzteres Loos zu Theil geworden; es kam über Wasser, wenn auch nur über den Bodensee, indem es von der städtischen Galerie in Zürich angekauft wurde. Gegenwärtig befindet es sich im Ausstellungsgebäude in Wien.