Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Wolken“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 732733
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Wolken. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 732–733. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Wolken (Version vom 15.04.2024)

[732] Wolken, Anhäufung von Wasserbläschen oder Eisnadeln, welche wie der Nebel (s. d.) entstehen und sich von diesem nur dadurch unterscheiden, daß sie sich in höhern Luftschichten befinden. So erscheinen die Gipfel der Berge oft von W. verhüllt, während ein Wanderer auf diesen Bergspitzen sich von Nebel umgeben sieht. Die gewöhnliche Veranlassung zur Wolkenbildung, durch welche die Himmelsbedeckung (s. d.) verursacht wird, besteht in einem aufsteigenden Luftstrom, welcher viele Wasserdämpfe mit sich führt, die in den obern kältern Luftschichten wieder ausgeschieden werden. Die unterste Grenze der Wolkenregion ist durch die Höhe bestimmt, in welcher sich die aufsteigende Luft bis zu ihrem Taupunkt (s. d.) abkühlt. Das Schweben der W. in der Luft erklärt sich zum [733] Teil aus der großen Leichtigkeit der Wasserbläschen, welche nur mit sehr geringer Geschwindigkeit niedersinken können und hieran außerdem auch durch den aufsteigenden Luftstrom gehindert werden, zum Teil ist es auch nur scheinbar. Senken sich nämlich die W. hernieder, so werden die Wasserbläschen in den untern wärmern Luftschichten wieder in Dampf verwandelt, während sich oben durch einströmenden kalten Wind fortwährend neue Bläschen bilden. Eine Bergspitze erscheint oft tagelang von einer Wolke eingehüllt, welche unbeweglich dieselbe Stelle zu behaupten scheint. In Wirklichkeit ist diese Wolke aber in steter Neubildung begriffen. An dem kalten Berggipfel kühlt sich ein warmer Luftstrom ab und scheidet Wasserbläschen aus, die, indem sie von demselben Luftstrom fortgetrieben werden, herabsinken und sich wieder auflösen, während an dem kalten Berggipfel immer neue Nebelbildungen erfolgen. Wo also Ruhe zu sein scheint, herrscht unaufhörlich Bewegung, und mit Recht sagt daher Dove, die W. sind nicht ein Produkt, sondern ein Prozeß, und vergleicht sie in der Art, wie sie dauernd vergehen und von neuem entstehen, mit einer Schaumstelle eines Gebirgsbachs, die unverändert stehen zu bleiben scheint. Wenn die Verdichtung der Wasserdämpfe längere Zeit anhält und die einzelnen Dunstbläschen größer und schwerer werden, so fließen sie zusammen und bilden wirkliche Wassertropfen, welche als Regen sowie bei hoher Kälte als Schnee und unter besondern umständen als Hagel niederfallen. Die Einteilung der einzelnen Wolkengebilde versuchte zuerst Howard, und zwar unterschied derselbe sieben Formen, nämlich drei Hauptformen: Cirrus, Cumulus und Stratus mit den drei Zwischenformen: Cirrocumulus, Cirrostratus, Stratocumulus oder Cumulostratus und den Nimbus. Die Federwolke (cirrus) besteht aus sehr zarten, bald mehr streifigen, bald mehr locken- oder federartigen Fasern, welche in Höhen von 7–8000 m schweben und wohl immer aus Eisnadeln zusammengesetzt sind. Sie erscheint zuerst nach anhaltend schönem Wetter und ist dann in trockner Luft mehr streifig, in feuchter mehr verwaschen. Oft setzen sich Streifchen an Streifchen, krümmen sich an den Enden und bilden die sogen. Windbäume. Streifen von bedeutender Ausdehnung bilden die federige Schichtwolke (cirrostratus), welche sich wie ein durchsichtiger Schleier über den Himmel zieht. Fließen die Streifchen endlich zusammen zu einem weißlichen Überzug des Himmels, so verkünden sie den in der Höhe bereits eindringenden West- oder Südwind, der uns im Sommer Regen, im Winter aber Schnee- und Tauwetter zu bringen pflegt. Da diese W. vorzugsweise Veranlassung zu den Ringen um Sonne und Mond, den Nebensonnen und Nebenmonden, geben, so ist daraus zu schließen, daß sie auch aus Eiskristallen bestehen. Die Schäfchen (federige Haufenwolke, cirrocumulus) sind ein leichtes Gewölk, das aus einer Menge einzelner, abgerundeter, oft in Reihen geordneter Wölkchen besteht. Sie erscheinen nur bei schönem Wetter am Himmel und gelten als Zeichen seiner Beständigkeit. In ihrer Form bilden die Schäfchen den Übergang zur Haufenwolke (cumulus), welche sich mit gewölbten, mehr oder minder kugelförmigen, im Sonnenschein stark glänzenden Gipfeln auftürmt und auf einer horizontalen, ebenen, etwas dunkeln Grundfläche zu ruhen scheint. Diese W. werden durch den aufsteigenden Luftstrom in den tiefern Schichten der Atmosphäre gebildet. Die horizontale Grundfläche bezeichnet die Luftschicht, in welcher der aufsteigende Luftstrom bis zum Taupunkt abgekühlt ist. Beim Nachlassen dieses Stroms senken sich die W. und lösen sich in den untern, wärmern Schichten wieder auf, so daß sie gegen Abend oft vollständig verschwinden. Die Haufenwolke tritt besonders bei hoher Temperatur auf, weshalb sie in den Tropen die gewöhnlichste Wolkenform und bei uns die gewöhnliche Sommerwolke ist. Die Schichtwolke (stratus) besteht aus horizontalen Wolkenstreifen und bildet sich häufig nach Tagen, deren Temperatur gegen die der Nacht stark absticht. Eine besondere Form der Schichtwolken bildet die Wolkenbank, welche sich namentlich zur Zeit des Sonnenuntergangs meistens in westlicher Richtung bildet und sich als schwere, in horizontalen Schichten gelagerte Wolkenmassen darstellt. Die dichter werdenden Haufenwolken gehen in die streifige Haufenwolke (cumulostratus und stratocumulus) über, welche in unsern Breiten die gewöhnlichste Wolkenform bildet und den untern Luftschichten angehört. Ihre Form ist unbestimmt, oft unregelmäßig und zerrissen. Bei zunehmender Wolkenbildung überziehen sie oft den ganzen Himmel mit einem blauschwarzen Farbenton und verwandeln sich dann in die eigentliche Regenwolke (nimbus), aus der das verdichtete Wasser herabstürzt. Daß die von Howard herrührende Einteilung der W. nicht ausreichend ist, weil verschiedene Wolkenformen, die oft auch unter verschiedenen Verhältnissen entstanden sind, unter demselben Namen zusammengefaßt werden, ist allgemein anerkannt. Trotzdem sind diese Namen beibehalten, weil es vorläufig noch nicht gelungen ist, eine zweckmäßigere Bezeichnung aufzustellen, obgleich verschiedene Vorschläge dafür gemacht sind. Eine eigentümliche Wolkenform, welche sich als gleichmäßig unterbrochene Wolkenhäufchen (cirrocumulus) oder Wolkenstreifen (cirrostratus) in paralleler Richtung am Himmel zeigt, sind die von Alexander v. Humboldt mit dem Namen Polarbanden (s. d.) bezeichneten W., welche bei großer Heiterkeit des Himmels entstehen und unter den Tropen häufiger als in der gemäßigten und kalten Zone auftreten. In neuerer Zeit ist die Aufmerksamkeit auch auf sogen. leuchtende W. gelenkt. Etwa 20 Minuten nach Sonnenuntergang zeigen sich an dem vorher ganz klaren Himmel vereinzelte weiße Streifen, ähnlich sehr feinen Cirrusstreifen. Mit zunehmender Dunkelheit verschwindet die Erscheinung auf der der Sonne gegenüberliegenden Himmelsseite und nimmt an Ausdehnung immer mehr und mehr ab, während die Helligkeit des sichtbaren Teils der Erscheinung zunimmt und etwa zwei Stunden anhält.


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 991993
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[991] Wolken (hierzu Tafel „Wolkenformen“). Die vornehmste Bedeutung einer Klassifikation ist, als kurzer Ausdruck einer umfangreichen Summe von Kenntnissen zu dienen. Diesen Charakter kann man der Klassifikation der Wolkenformen noch nicht zuerkennen, sie soll vielmehr nur die Gedankenübertragung zwischen den Arbeitern auf diesem Felde überhaupt ermöglichen. Ohne eine feste Nomenklatur bleiben die Wahrnehmungen jedes Beobachters für jeden andern ein verschlossenes Buch und darum aller mehr als subjektive Fortschritt beinahe ausgeschlossen. Zu diesem Zweck ist nicht sowohl ein deduktiv aufgebautes, konsequentes System, als vielmehr das Herausgreifen gewisser Formenkreise und Formenreihen aus der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen auf Grundlage der Beobachtung nötig. Abgrenzungen und Namen sind dabei rein nach Zweckmäßigkeitsgründen zu wählen. Durchgreifende leitende Gesichtspunkte wird man erst aufstellen können, wenn über Bau, Werden und Vergehen der W. mehr als jetzt bekannt sein wird.

Dieses etwa dürften die Gesichtspunkte sein, welche bei dem Kompromiß leitend gewesen sind, dem wir die Wolkennomenklatur von Hildebrandsson-Upsala und Abercromby-London verdanken, welche vor einigen Jahren vereinbart wurde. Als Grundlage dazu dienten vorzugsweise die unter Hildebrandssons Leitung ausgeführten Wolkenmessungen und die auf mehreren Weltreisen gesammelten Beobachtungen und

[Ξ]

WOLKENFORMEN.
1. Cirrus. – 2. Cirro-Stratus. – 3. Cirro-Cumulus. – 4. Alto-Cumulus (Cumulo-Cirrus). – 5. Alto-Stratus (Strato-Cirrus). – 6. Strato-Cumulus. – 7. Nimbus. – 8. Cumulus. – 9. Cumulo-Nimbus. – 10. Stratus.

[992] photographischen Aufnahmen Abercrombys. Bei so unbestimmten und veränderlichen Gebilden wie die W. ist indessen eine Verständigung mit den Beobachtern durch bloße Beschreibungen unmöglich; die Worte sind zu vieldeutig und die Vorstellungen, welche sie erzeugen, entweder unklar oder bei verschiedenen Lesern ganz verschieden. Auch die bildliche Darstellung macht bedeutende Schwierigkeiten. Die Photographie, welche in andern Fällen das Höchste in Naturtreue leistet, versagt hier insofern, als durch die Entstellung des Verhältnisses zwischen blauem Himmel und Wolke das Bild nur für geübte Augen verständlich ist. Man muß daher, namentlich wenn man sich an Nichtspezialisten wendet, zur farbigen Darstellung greifen. Diese Überlegungen liegen der Sammlung von Farbendruckbildern zu Grunde, welche Hildebrandsson, Neumayer und Köppen in Hamburg kürzlich veröffentlicht haben[WS 1] und von der wir die wesentlichen Teile in verkleinerten Kopien in der Tafel „Wolkenformen“ vorführen. Wir wollen nun zur kurzen Besprechung dieser Bilder übergehen.

1) Cirrus, Federwolken (Fig. 1). Zarte Fäden, gewöhnlich weiß, auf blauem Grunde, sehr hoch, durchschnittlich etwa 9 km über dem Boden schwebend, welche bald in Locken gekräuselt, bald geradlinig oder in mehreren Richtungen gekämmt sind und als Windbäume, Katzenhaare etc. auch von Nichtmeteorologen beachtet werden. Büschel dieser Fäden sind häufig in Banden angeordnet, welche wie Meridiane einen Teil des Himmelsgewölbes überziehen und nach einem oder zwei entgegengesetzten Punkten des Horizonts perspektivisch konvergieren. An der Bildung solcher Banden nehmen oft auch Cirro-Stratus und Cirro-Cumulus teil.

2) Cirro-Stratus (Fig. 2), feiner weißlicher Schleier, und 5) Alto-Stratus (Fig. 5), dichterer Schleier von grauer oder bläulicher Farbe, sind im Aussehen nicht sehr verschieden, nehmen aber eine so verschiedene Höhe ein, daß ihre thunlichste Unterscheidung wichtig ist. Denn die durchschnittliche Höhe des erstern ist ebenso groß wie die des Cirrus, nämlich 9 km, die des letztern nur etwa halb so groß, etwa 5 km. Bei der Annäherung schlechten Wetters tritt gewöhnlich zuerst Cirro-Stratus auf, der nachher in Alto-Stratus übergeht. In ersterm zeigen sich die charakteristischen weiten Ringe um Sonne und Mond, im letztern verschwinden sie wieder. Der Cirro-Stratus ist zuweilen ganz diffus, dem Himmel nur ein weißliches Aussehen verleihend (Cirrusdunst), zuweilen aber läßt er deutliche Struktur von ineinander verworrenen Fasern erkennen (Cirrusfilz).

3) Cirro-Cumulus (Fig. 3), kleine weiße, und 4) Alto-Cumulus (Fig. 4), größere weißgraue Bällchen, in Herden gruppiert. Beide Wolkenarten werden als Schäfchen (Lämmergewölk) bezeichnet, erstere als feine, letztere als grobe. Sehr häufig sind die Bällchen in Reihen nach einer oder zwei Richtungen angeordnet; Formen mehr flockig oder mehr kugelig. Auch hier ist die Unterscheidung wegen der größern Höhe von 3) gegenüber 4) wünschenswert. Die durchschnittliche Höhe der erstern ist zwischen 6 und 7, die der letztern etwa 4 km.

6) Strato-Cumulus (Fig. 6) und 7) Nimbus (Fig. 7) gehören der untern Schicht der Atmosphäre in 1 oder 2 km Höhe über dem Boden an und stellen große Klumpen oder Schichten von unbestimmter Form dar. Strato-Cumulus ist eine Wolke des trocknen Wetters und bedeckt den Himmel häufig, namentlich im Winter, ganz mit Wülsten oder Ballen, welche ihm ein gewelltes Aussehen verleihen; in den Lücken erscheint blauer Himmel. Dagegen ist der Nimbus die Wolke der anhaltenden Regen- und Schneefälle; er zeichnet sich durch zerrissene Ränder und namentlich dadurch von dem Strato-Cumulus aus, daß er stets Alto-Stratus über sich hat, so daß durch seine Lücken kein blauer Himmel, sondern eine gleichförmige hohe, graue Decke sichtbar wird.

8) Cumulus (Haufenwolke, Fig. 8). Dichte im beständigen Emporwachsen begriffene Wolke, deren Gipfel kuppelförmig und mit Zapfen besetzt, während die Basis horizontal ist.

9) Cumulo-Nimbus (Gewitterwolke, Schauerwolke, Fig. 9). Mächtige Wolkenmassen, die sich wie Berge auftürmen, gewöhnlich oben mit Schleier oder Schirm von faseriger Textur und unten mit nimbusähnlichen Wolkenmassen (dem Wolkenkragen) umgeben, aus deren Mitte gewöhnlich Schauer von Platzregen oder Hagel (Graupeln) fallen. Die Ränder oben sind entweder von festern Umrissen nach Art von 8) und bilden gewaltige Cumulusgipfel, von zarten „falschen Cirren“ umschwebt, oder diese Ränder fließen selbst in eine zarte, cirrusartige Zerfaserung aus. Die letzte Form ist besonders beim „Aprilwetter“ gewöhnlich. Howard hat den regnenden Cumulo-Nimbus und unsern Nimbus zusammen als Nimbus bezeichnet, den nichtregnenden Cumulo-Nimbus aber als Cumulo-Stratus.

10) Stratus (gehobener Nebel, Fig. 10). Howard hat mit dem Worte Stratus die Nebeldecken bezeichnet, die entweder dem Boden direkt aufliegen oder in geringer Höhe über demselben schweben, nicht selten so niedrig, daß die Spitzen von Kirchtürmen und niedrigen Bergen bereits hineinragen. In neuerer Zeit hat man dagegen vielfach sich gewöhnt, als Stratus horizontale, gleichmäßige Wolkenlagen von geringer Dicke auch in andern Höhen der Atmosphäre zu bezeichnen, welche am Horizont, von der Seite gesehen, als dünne Streifen sich zeigen. Diese sind indessen teils als Alto-Stratus, teils als Strato-Cumulus zu bezeichnen; ja auch die Herden von Alto-Cumulus erscheinen von ferne als solche Streifen. In der Klassifikation von Hildebrandsson und Abercromby ist ein Mittelweg befolgt, indem Nebel, die auf dem Boden aufliegen, als Nebel, solche aber in einer Höhe von einigen Hundert Metern über dem Boden als Stratus bezeichnet sind, sofern sie bei trocknem Wetter auftreten; die zerrissenen Wolkenfetzen, welche bei Regenwetter zuweilen gleichfalls bis unter 1000 m herabhängen, werden als Fracto-Nimbus bezeichnet.

Wie in diesem Falle Fetzen von Regenwolken als Unterart mit dem Namen Fracto-Nimbus belegt sind, so werden die Fetzen von Haufenwolken als Fracto-Cumulus, soweit es nötig erscheint, unterschieden. Der echte Cumulus zeigt oben und unten scharfe Begrenzung, diese hält aber nur so lange an, als die aufsteigende Bewegung in ihm fortdauert. Stets und besonders bei windigem Wetter unterliegen seine Teile fortwährender Auflösung. Solche zerrissene Haufenwolken, Cumulusfetzen, fehlen an einem Cumulushimmel nie ganz und sind, ebenso wie der echte Cumulus, charakteristisch für den Sommerhimmel, besonders über festem Lande. Inseln werden in den tropischen Meeren sehr oft aus größter Entfernung kenntlich durch die über ihnen liegenden Cumuli, lange bevor das Land selbst gesehen werden kann.

Es ist zu hoffen, daß die Klassifikation von Hildebrandsson und Abercromby eine allgemeine internationale Verbreitung finden und mit Unterstützung einheitlicher, verständlicher Abbildungen das Ziel [993] erreichen lassen wird, daß jeder, der Wolkennamen anwendet, mit diesen einen und denselben bestimmten Begriff verbinden wird. Zur Erreichung dieses Zweckes soll auch die hier gelieferte auszugsweise Kopie aus dem oben erwähnten Wolkenatlas beitragen. Bereits hat eine Reihe von meteorologischen Instituten diese Klassifikation angenommen. Darunter auch die Deutsche Seewarte. Das bis dahin von derselben eingehaltene System unterschied sich, abgesehen von minder bestimmten Definitionen, hauptsächlich dadurch, daß die Formen 2) und 5) als Cirro-Stratus, 3) und 4) als Cirro-Cumulus und 6) und 7) als Strato-Cumulus zusammengefaßt waren, also die Formen Alto-Stratus, Alto-Cumulus und Nimbus fehlten; Cumulo-Nimbus war, Howard folgend, als Cumulo-Stratus bezeichnet, da aber dieser Ausdruck von andrer Seite in wesentlich anderm Sinne gebraucht wurde oder auch ganz bekämpft worden ist, erscheint das neue Wort Cumulo-Nimbus entschieden vorteilhafter. Die Definition des Stratus war unbestimmt.

Neben den angedeuteten Näherungen zwischen 2) und 5), 3) und 4), 6) und 7) gibt es auch manche andre zwischen den aufgeführten Formen, abgesehen davon, daß zwischen allen die mannigfaltigsten Übergänge vorkommen. So sind 3), 4) und 6) W., welche in Lagern von großer horizontaler und geringer vertikaler Ausdehnung vorkommen und aus Bällchen oder Ballen bestehen, die in Herden und zum Teil in Reihen zusammengeordnet sind; von den zarten Flöckchen bei 3) bis zu den massigen Wülsten bei 6) treten allerlei Zwischenformen auf. Anderseits sind einige der unterschiedenen Wolkenformen aus Elementen gebildet, welche, getrennt auftretend, eine besondere Klasse bilden. So lassen die Schleier des Cirro-Stratus meistens eine Zusammensetzung aus Cirrusfäden mehr oder weniger erkennen, und noch deutlicher ist der Cumulo-Nimbus als zusammengesetzte Wolke charakterisiert. Das oberste Stockwerk dieses häufig so großartigen Wolkenkomplexes findet sich durchschnittlich in der Höhe von 3–5 km und wird von Schleiern oder Fäden von Alto-Stratus oder „falschem Cirrus“ gebildet, während der echte Cirrus doppelt so hoch zu schweben pflegt. Das mittlere Stockwerk zeigt Cumulusgipfel meist in viel schönerer Entwickelung als bei dem isolierten Cumulus.

Die Beobachtung der W., welche zuerst im Anfang dieses Jahrhunderts durch die Arbeiten von Howard und besonders durch seine Klassifikation einen Anstoß erhielt, ist eins der wenigen Mittel, um über die Zustände und Vorgänge in den höhern Schichten des Luftmeeres uns Aufschlüsse zu verschaffen. Es ist aber leicht begreiflich, daß es ein hoffnungsloses Unternehmen ist, durch alleinige Untersuchung der alleruntersten, die Erdoberfläche berührenden Schicht in das Wesen der atmosphärischen Erscheinungen einzudringen. Ist doch diese Schicht nicht nur ein sehr kleiner, sondern auch ein an der Grenze befindlicher und durch die feste Erdoberfläche besonders ungünstig beeinflußter Teil der Atmosphäre! Möglichst häufige und ausdauernde Beobachtung der W., ihres Zuges und ihrer Wandlungen ist deshalb für den Fortschritt der Meteorologie ein höchst wichtiges Bedürfnis. Dabei sind besonders zwei Punkte hervorzuheben. Einmal ist die Kenntnis der Höhe der betreffenden W. eine ebenso wichtige wie leider schwer zu erfüllende Forderung. Es sind also Messungen, wie sie in Upsala unter Hildebrandssons Leitung von Ekholm und Hagström oder in Berlin von Vettin ausgeführt wurden, höchst wünschenswert. Auch die Geschwindigkeit der W. läßt sich nur bestimmen, wenn deren Höhe bekannt und deren Winkelgeschwindigkeit bestimmt ist. Doch kann aus der letztern einigermaßen Brauchbares schon dadurch gewonnen werden, daß für die Höhe durch einen Analogieschluß nach der Form der W. ein wahrscheinlicher Wert angenommen wird, wozu schon die obigen Angaben benutzt werden können. Der zweite wichtige Punkt ist die anhaltende Beobachtung einer und derselben Wolke in günstiger Lage eine Reihe von Minuten hindurch, da nur dadurch eine sichere Auffassung der Vorgänge in den W. gewonnen werden kann. Für beide Zwecke kann dabei die Photographie wertvolle Dienste leisten.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. H. H. Hildebrandsson, W. Köppen, G. Neumayer: Wolken-Atlas etc. Hamburg 1890 Commons