Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Weihnachtsspiele“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 487
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Weihnachtsspiele. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 487. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Weihnachtsspiele (Version vom 02.04.2023)

[487] Weihnachtsspiele, eine besondere Gattung der mittelalterlichen geistlichen Spiele, welche aus der doppelten Einwirkung der alten germanisch-heidnischen Sonnenwendfeier und aus den Weihnachtsbräuchen, dem Adventsritus der christlichen Kirche, erwuchs. Die Verkündigung durch den Engel, die Anbetung des Jesuskindes durch die Hirten und die Weisen aus dem Morgenland (die heiligen drei Könige) gingen aus den kirchlichen Zeremonien in die geschlossenen und ausgedehntern W. über, welche in Frankreich, England, namentlich aber in Deutschland volkstümlich wurden, und von denen sich Reste über die Reformationszeit hinaus erhielten. Die Handlung der W. war eine ziemlich reichhaltige, wie denn das in einer Handschrift des 14. Jahrh. erhaltene St. Galler Weihnachtsspiel einen guten Begriff gibt, was alles in diese Spiele hereingezogen wurde. Verkündigung des Messias durch die Propheten, die Vermählung Josephs mit Maria, die Heimsuchung, die Geburt und Anbetung durch die Hirten, das Erscheinen der Weisen vor Herodes, die Anbetung der Weisen, die Darstellung Jesu im Tempel, der bethlehemitische Kindermord und die Flucht nach Ägypten erscheinen hier als Teile einer Handlung, welche uns in zahlreichen andern Weihnachtsspielen in der gleichen oder wenig veränderten Gruppierung begegnen. Die beiden Hauptteile: Geburt Christi und Anbetung der drei Weisen, die vielfach auch selbständig abgerundet und dargestellt wurden (daher neben den Weihnachtsspielen der Dreikönigsspiele häufig auftauchten und länger in Übung und Gebrauch blieben als die Darstellung der Verkündigung und der Anbetung der Hirten an der Krippe), fehlen keinem der größern W., Episoden aller Art (die Bitten Marias und Josephs um Aufnahme in Bethlehem, die Klage der Rachel um die ermordeten Kinder) wurden in andre eingefügt, einzelne bis zur Rückkehr nach Nazareth ausgedehnt. Als Nachklang der Weihnachtsfeier und Anschluß an die Evangelienerzählungen erscheinen die in die W. eingeflochtenen Gesänge. Von den Weihnachtsspielen, die in großer Zahl vorhanden gewesen sein müssen, blieben nur wenige erhalten, die meist mit den andern geistlichen Spielen veröffentlicht wurden (weiteres in den Artikeln Mysterien [S. 956 f.], Oster- u. Passionsspiele). Vgl. Weinhold, W. und Lieder aus Süddeutschland u. Schlesien (neue Ausg., Wien 1875); Piderit, Ein Weihnachtsspiel (Parchim 1869); A. Hartmann, Weihnachtsspiel u. Weihnachtslied in Oberbayern (Münch. 1875).