Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Wasser“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Wasser“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 16 (1890), Seite 412416
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: Wasser
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Wasser
Wiktionary-Logo
Wiktionary: Wasser
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Wasser. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 412–416. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Wasser (Version vom 27.01.2023)

[412] Wasser H2O findet sich im flüssigen und starren Zustand (als Eis) allgemein verbreitet in der Natur, gasförmig in der Atmosphäre, ferner als Hauptbestandteil des Pflanzen- und Tierkörpers und, chemisch gebunden, auch in vielen Mineralien. Wegen seines großen Lösungsvermögens ist aber das in der Natur vorkommende W. niemals rein und kann nur durch Destillation von den darin enthaltenen festen Stoffen und Gasen gereinigt werden. W. entsteht bei direkter Verbindung von Wasserstoff mit Sauerstoff (s. Wasserstoff), ebenso bei Oxydation wasserstoffhaltiger Körper (z. B. beim Verbrennen unsrer Heiz- und Leuchtmaterialien), bei Reduktion von Oxyden mit Wasserstoff und bei vielen andern chemischen Prozessen. Reines W. besteht aus 2 Gewichtsteilen (2 Atomen) Wasserstoff und 16 Gewichtsteilen (1 Atom) Sauerstoff oder aus 2 Volumen Wasserstoff und 1 Volumen Sauerstoff, welche sich zu 2 Volumen Wassergas verdichten; 100 Teile W. enthalten 11,136 Proz. Wasserstoff und 88,864 Proz. Sauerstoff, W. ist geruch- und geschmacklos, in mehr als 2 m dicker Schicht bläulich. Bei 0° ist es 773mal, bei 15° 819mal schwerer als Luft von derselben Temperatur. Das spezifische Gewicht des Wassers wird bei Angabe der spezifischen Gewichte fester und flüssiger Körper = 1 gesetzt. W. besitzt ein Maximum der Dichtigkeit bei 4° (genauer bei 3,945°); bei dieser Temperatur wiegt also 1 ccmg und 1 Liter 1 kg. Folgende Tabelle zeigt die Dichten und Volumen des Wassers nach den Bestimmungen von Rosetti:

Tempera­tur Dichte
bei 0° = 1
Volumen
bei 0° = 1
Dichte
bei 4° = 1
Volumen
bei 4° = 1
−10° 0,998274 1,001729 0,998145 1,001858
−8 0,998814 1,001191 0,998685 1,001317
−6 0,999247 1,000756 0,999118 1,000883
−4 0,999584 1,000416 0,999455 1,000545
−2 0,999832 1,000168 0,999703 1,000297
0 1,000000 1,000000 0,999871 1,000129
1 1,000057 0,999943 0,999928 1,000072
2 1,000098 0,999902 0,999909 1,000031
3 1,000120 0,999880 0,999991 1,000009
4 1,000129 0,999871 1,000000 1,000000
5 1,000119 0,999881 0,999990 1,000010
6 1,000099 0,999901 0,999970 1,000030
7 1,000062 0,999938 0,999933 1,000067
8 1,000015 0,999985 0,999886 1,000114
9 0,999953 1,000047 0,999824 1,000176
10 0,999876 1,000124 0,999747 1,000253
12 0,999678 1,000322 0,999549 1,000451
14 0,999429 1,000572 0,999299 1,000701
16 0,999131 1,000870 0,999002 1,000999
18 0,998782 1,001219 0,998654 1,001348
20 0,998388 1,001615 0,998259 1,001744
22 0,997953 1,002049 0,997826 1,002177
24 0,997495 1,002511 0,997367 1,002641
25 0,997249 1,002759 0,997120 1,002888
30 0,995894 1,004123 0,995765 1,004253
35 0,994310 1,005720 0,994180 1,005860
40 0,992480 1,007570 0,992350 1,007700
50 0,988330 1,011810 0,988200 1,011950
60 0,983510 1,016770 0,983380 1,016910
70 0,978070 1,022430 0,977940 1,022560
80 0,972060 1,028740 0,971940 1,028870
90 0,965680 1,035540 0,965560 1,035670
100 0,958780 1,043000 0,958650 1,043120

Über das Gefrieren des Wassers s. Eis. W. ist fast ein Nichtleiter der Elektrizität und leitet auch die Wärme sehr schlecht. Die Wärmekapazität des Wassers bei verschiedenen Temperaturen nach Bestimmungen von Regnault zeigt nachstehende Tabelle (S. 413). Zum Erwärmen von 1 kg W. von 0° auf 1° ist also 1 Wärmeeinheit erforderlich, während z. B. 1 kg Quecksilber hierzu nur 0,033 Wärmeeinheiten bedarf. Diese große Wärmekapazität des Wassers spielt im Naturhaushalt eine wichtige Rolle und macht das W. auch sehr geeignet zur Abkühlung und zur Übertragung der Wärme bei Warmwasserheizungen etc. W. zeigt sehr wenig Komprimierbarkeit: dieselbe beträgt für 1 Atmosphäre bei 0° = 0,0000503, bei 53° nur 0,000041. Beim Stehen an der Luft verdunstet das [413] W. und zwar um so lebhafter, je höher die Temperatur ist, bis endlich die Dampfentwickelung durch die ganze Flüssigkeit stattfindet, das W. siedet. Die Temperatur des Siedepunktes ist abhängig vom Druck, der auf der Flüssigkeit lastet. Unter gewöhnlichem Atmosphärendruck (Barometer 760 mm) siedet das W. bei 100°, auf dem Montblanc (417 mm) bei 85°, bei einem Druck von 5,56 kg auf 1 qcm (4652 mm) erst bei 160°. Die latente Siedewärme des Wassers ist unter normalen Verhältnissen 536,5, zur Überführung von 1 kg W. von 100° in Wasserdampf von 100° sind also 536,5 Wärmeeinheiten erforderlich; beim Verdunsten von 1 kg W. von 20° werden dagegen 592,6 Wärmeeinheiten latent (vgl. die folgende Tabelle). Durch Auflösen von Salzen wird der Siedepunkt beträchtlich erhöht.

Wärmekapazität des Wassers (nach Regnault).
Tempera­tur Wärme­abgabe von 1 kg zwischen t° u. 0° Wärme­einheiten Spezifische Wärme Latente Wärme des gesättigten Dampfes von t°
mittlere zwischen 0° und t° bei t°
0 0,000 1,0000 603,5
10 10,002 1,0002 1,0005 599,5
20 20,010 1,0005 1,0012 592,6
30 30,026 1,0009 1,0020 585,7
40 40,051 1,0013 1,0030 578,7
50 50,087 1,0017 1,0042 571,6
60 60,137 1,0023 1,0056 564,7
70 70,210 1,0030 1,0072 557,6
80 80,282 1,0035 1,0089 550,6
90 90,281 1,0042 1,0109 543,5
100 100,500 1,0050 1,0130 536,5
110 110,641 1,0058 1,0153 529,4
120 120,806 1,0067 1,0177 522,3
130 130,997 1,0076 1,0204 515,1
140 141,215 1,0087 1,0232 508,0
150 151,462 1,0097 1,0262 500,7
160 161,741 1,0109 1,0294 493,6
170 172,052 1,0121 1,0328 486,2
180 182,398 1,0133 1,0364 479,0
190 192,779 1,0146 1,0401 471,6
200 203,200 1,0160 1,0440 464,3
210 213,660 1,0174 1,0481 456,8
220 224,162 1,0189 1,0524 449,4
230 234,708 1,0204 1,0568 441,9

W. ist das allgemeinste Lösungsmittel für gasförmige, flüssige und feste Körper (vgl. Absorption 1 und Lösung). Es reagiert neutral, verhält sich aber starken Säuren gegenüber wie eine Base und starken Basen gegenüber wie eine Säure. Indem es sich mit den Anhydriden verbindet, bildet es je nach der Natur derselben Basen oder Säuren (Konstitutionswasser). Kristallisierende Körper pflegen bei der Kristallisation sehr viel W. aufzunehmen (Kristallwasser), welches oft aber nur lose gebunden ist und selbst schon beim Liegen der Kristalle in trockner Luft unter Zerfall der Kristalle entweicht (Verwittern). W. ist sehr allgemein zur Einleitung chemischer Prozesse erforderlich, da die meisten Körper bei vollkommener Trockenheit nicht aufeinander einwirken. Durch den galvanischen Strom wird es in seine Bestandteile zerlegt, und zwar entwickeln sich am negativen Pol 2 Volumen Wasserstoff und am positiven Pol 1 Volumen Sauerstoff. Auch bei hinreichend hoher Temperatur wird W. zersetzt. Viele Metalle (wie Kalium, Natrium etc.) zersetzen W. schon bei gewöhnlicher Temperatur, indem sie sich mit dessen Sauerstoff verbinden; andre thun dies nur beim Erhitzen in Wasserdampf, aber bei gewöhnlicher Temperatur auch bei Anwesenheit einer Säure (Eisen, Zink etc.).

Das in der Atmosphäre enthaltene gasförmige W. scheidet sich bei hinreichendem Sinken der Temperatur in flüssigem Aggregatzustand und in Form kleiner Tröpfchen ab, sei es nun als Tau auf allerlei durch Strahlung abgekühlten Gegenständen, sei es als Nebel oder Wolken, aus denen es als Regen, Schnee oder Hagel auf die Erde herabfällt. Von diesem Meteorwasser wird der größte Teil durch Verdunstung direkt der Atmosphäre wieder zugeführt. Das nicht verdunstete W. dringt meist in den Boden bis zur nächsten undurchlässigen Schicht, auf der es, dem Gesetz der Schwere folgend, weiter fließt, bis es schließlich durch Brunnen künstlich gehoben oder als Quelle zu Tage tritt, um mit dem oberflächlich abfließenden Meteorwasser in Bächen und Flüssen dem Meer zugeführt zu werden. Von allen Wasserläufen, von Seen und vom Meer verdampft W. und beginnt von neuem den Kreislauf, der aber nicht immer in so engen Grenzen wie die angegebenen sich bewegt. Sehr viel W. wird in polaren Ländern und auf hohen Gebirgen als Eis festgelegt und erlangt oft erst nach sehr langen Zeiträumen durch Schmelzen wieder größere Beweglichkeit, ein andrer großer Teil des Wassers nimmt seinen Lauf durch die Pflanzen- und Tierkörper und dient hier nicht nur als allgemeines Mittel zur Aufnahme löslicher Stoffe, sondern wird auch vielfach chemisch gebunden und zersetzt. Die wachsende Pflanze nimmt beständig W. aus dem Boden auf, und ein Teil dieses Wassers wird in seine Elemente zerlegt und mit Kohlenstoff, der aus der Kohlensäure stammt, zur Bildung von organischer Substanz (in welche vielfach noch Stickstoff eintritt) verbraucht. Die vegetabilische Substanz wird durch den Ernährungsprozeß der Tiere in tierische umgewandelt; zugleich aber oxydiert das Tier durch seinen Atmungsprozeß viel organische Substanz zu Kohlensäure und W., und diese Produkte gelangen durch den Atmungsprozeß in die Atmosphäre zurück. Die abgestorbenen Pflanzen und Tiere unterliegen einer langsamen Verbrennung, der Verwesung, und auch hierbei wird das W. regeneriert. Große Mengen Pflanzensubstanz werden aber diesem Prozeß entzogen und wandeln sich unter bestimmten Verhältnissen in Torf, Braun- und Steinkohle um, bei deren Bildung ein Teil des Wasserstoffs als Kohlenwasserstoff entweicht, während der Rest bei der technischen Verwendung der fossilen Brennmaterialien endlich zu W. oxydiert wird und damit den Kreislauf vollendet.

Wegen seines bedeutenden Lösungsvermögens ist das in der Natur vorkommende W. niemals rein. Alles W., welches der Luft ausgesetzt gewesen ist, enthält Sauerstoff, Stickstoff, Kohlensäure und Ammoniak gelöst und zwar stets auf 34,08 Teile Sauerstoff, 65,92 Teile Stickstoff. Von diesem Gasgemisch lösen 1000 Volumen W. unter normalem Barometerstand bei 0° 24,71 und bei 15° 17,95 Volumen. Enthält das W. aber organische Substanzen, so wird der Sauerstoff zur Oxydation derselben mehr oder weniger vollständig verbraucht.

Regenwasser ist das reinste in der Natur vorkommende W., enthält aber stets Sauerstoff, Stickstoff, Kohlensäure, salpetrigsaures, auch kohlensaures Ammoniak und Staubteile, aus denen es lösliche Stoffe, namentlich Kochsalz, aufnimmt. Am reinsten ist das Regenwasser, welches nach einem längere Zeit andauernden Regen aufgefangen wird. Stadtregenwasser ist stets unreiner als Landregenwasser und enthält namentlich stets schweflige Säure und Schwefelsäure, welche aus den Steinkohlenfeuerungen stammen. Am unreinsten ist von Dächern ablaufendes Regenwasser. Die Gesamtmenge der Verunreinigungen [414] des Regenwassers beträgt in 1 cbm 11,4 und 50,8 g. Sie schwankt bedeutend nach Lokalität, Jahreszeit, Windrichtung etc. Der Ammoniakgehalt ist bedeutender in Stadtregen als in Landregen und fern von Wohnungen. In der Stadt ist der Ammoniakgehalt im Winter, auf dem Land im Sommer größer. Die Schwankungen im Salpetersäuregehalt sind weit größer als im Ammoniakgehalt, und das Regenwasser ist an beiden Stoffen sowie an Stickstoff in den feuchten und kalten Monaten zweimal so reich als in den trocknen und warmen. Das Verhältnis der Salpetersäure zum Ammoniak ist an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten sehr ungleich; bei Gewittern nimmt der Gehalt an Ammoniak ab, der an Salpetersäure zu. Die Salze findet man besonders in der Nähe der Küsten und Gradierwerke; sie rühren her von zerstäubtem Salzwasser, aber auch von Staub, welchen das W. auslaugt. Reich an organischer Substanz ist die Luft in sumpfigen Gegenden. In Holzgefäßen färbt sich Regenwasser bisweilen braun, indem es vermöge seines Ammoniakgehalts reichlich organische Substanzen aufnimmt. Durch den Gehalt an letztern ist es sehr geneigt zum Faulen. Das in den Boden eindringende Meteorwasser verliert an die organischen Bestandteile des Bodens, auch an Eisen- und Manganoxydulverbindungen Sauerstoff; daher findet sich letzterer in Quell- und Brunnenwasser meist nur in geringer Menge, wird aber beim Stehen an der Luft alsbald reichlich aufgenommen. Durch das Absorptionsvermögen des Erdreichs verliert das W. auch andre Bestandteile, namentlich Ammoniak, nimmt dafür aber viele Mineralstoffe auf, zumal es reichlich Gelegenheit findet, Kohlensäure (die meist aus verwesenden Bodenbestandteilen stammt) zu absorbieren, und dann desto kräftiger lösend und zersetzend auf die Mineralien wirkt. Man unterscheidet in den Wässern meist gebundene Kohlensäure als diejenige, welche normale Kohlensäuresalze, von der halb gebundenen, welche saure Kohlensäuresalze bildet und beim Kochen ausgetrieben wird, im Gegensatz zur freien Kohlensäure, welche im W. nur gelöst ist. Die Quellwasserbestandteile sind abhängig von der Beschaffenheit des Bodens, aus welchem die Quelle entspringt. Die ältesten Formationen liefern durchweg das reinste, Dolomit das unreinste W. Der Gehalt der nicht verunreinigten Quell- und Brunnenwässer an stickstoffhaltigen organischen Stoffen ist geringer als der des Regenwassers, während der Gehalt an Stickstoff in Form von Salpetersäure- und Salpetrigsäuresalzen wesentlich größer ist. Die Chlormenge schwankt zwischen 10 und 50 mg, ein größerer Chlorgehalt deutet meist auf Verunreinigung des Bodens (durch Harn) hin. Regelmäßige Bestandteile des Quellwassers sind Kohlensäure-, Schwefelsäure-, Kieselsäuresalze und Chloride, weniger allgemein finden sich Salpetersäure- und Phosphorsäuresalze. Von den Basen fehlen Kalk und Magnesia so gut wie nie, öfter die Alkalien, noch häufiger Eisenoxyd und Thonerde; auch organische Substanzen sind bei weitem nicht immer vorhanden. Der Gehalt der Quellen an einzelnen Mineralstoffen und an Kohlensäure schwankt innerhalb sehr weiter Grenzen, namentlich wenn man jene gehaltreichen Quellen mit in Betracht zieht, welche als Mineralwässer (s. d.) einen ganz eigenartigen Charakter besitzen. Auch bei einer und derselben Quelle ist der Gehalt bedeutenden Schwankungen ausgesetzt; er steigt und fällt im allgemeinen mit der Temperatur und oft so plötzlich wie diese selbst.

Das Flußwasser ist durch Humuskörper, mehr noch durch unlösliche schwebende Mineralstoffe verschieden gefärbt. Die letztern schwanken in ihrer Beschaffenheit je nach dem Boden, durch welchen der Fluß fließt, und ihre Menge wächst außerordentlich nach starken Regenfällen und Hochwasser. An gelösten Stoffen enthält Flußwasser 0,8–16, meist 2–5 Teile in 1000 Teilen und zwar im wesentlichen dieselben Stoffe wie das Quellwasser; oft wird es sehr stark verunreinigt durch die Abflußwässer aus Städten. Die Summe der gelösten Bestandteile des Flußwassers nimmt im allgemeinen mit dem Lauf der Flüsse zu. Der Gehalt an Ammoniak ist geringer als im Regenwasser, und Salpetersäuresalze finden sich nicht in großer Menge, weil die Oxydation in dem fließenden W. nur langsam verläuft, viel langsamer als in porösem Boden, aus welchem die Quellen entspringen. Der Gehalt des Flußwassers an gelösten organischen Stoffen schwankt zwischen 0,62 und 2,77 Teilen in 1000 Teilen. Der Sauerstoffgehalt ist namentlich in unreinem Flußwasser gering; dagegen enthält solches viel Kohlensäure, auch Kohlenoxyd, Wasserstoff, Äthylen und Methan. Man hat angenommen, daß mit organischen Stoffen verunreinigtes W. sich auf seinem Lauf durch Oxydation reinige; direkte Versuche haben aber dargethan, daß diese Annahme kaum begründet ist, mindestens verläuft die Selbstreinigung sehr langsam, und es ist unmöglich, den Weg zu bezeichnen, welchen solches verunreinigte W. zurücklegen muß, damit seine organische Materie oxydiert werde. Über Meerwasser s. Meer.

Für praktische Zwecke kommt besonders der Kalkgehalt des Wassers in Betracht. Reines W. nennt man weich. Es gibt mit Seife sofort Schaum, und durch Alkalisalze, besonders durch Ammoniaksalze, wird die Weichheit noch erhöht. Erreicht dagegen der Gehalt an Kalk- und Magnesiasalzen eine beträchtliche Höhe, so nennt man das W. hart. Rührt die Härte von doppeltkohlensaurem Kalk her, so verschwindet sie bei längerm Stehen des Wassers, schneller beim Kochen (vorübergehende Härte), weil sich hierbei der kohlensaure Kalk vollständig abscheidet, während der Gipsgehalt die bleibende Härte veranlaßt, welche sich beim Kochen nicht verändert. Da Alkali- und Ammoniaksalze die Lösung humusartiger Stoffe vermitteln, so ist gefärbtes W. meist weich; hartes W. ist gewöhnlich blau, solches von mittlerer Beschaffenheit grünlich. Für gewisse technische Zwecke (Färbereien, Wäschereien) bestimmt man den Härtegrad mittels alkoholischer Seifenlösung von bestimmtem Gehalt. Man tröpfelt von dieser Lösung zu einer abgemessenen Menge W. und schüttelt nach jedem Zusatz. Solange lösliche Kalk- und Magnesiasalze vorhanden sind, zersetzen diese die Seife unter Bildung unlöslicher Kalk- und Magnesiaseife, und es entsteht beim Schütteln kein bleibender Schaum, der sich aber sofort zeigt, wenn man einen auch nur geringen Überschuß von Seifenlösung zugesetzt hat. Aus der verbrauchten Menge der Seifenlösung kann man daher auf den Kalk- und Magnesiagehalt des Wassers schließen. Man drückt die Härte in Graden aus. In Deutschland ist 1° Härte = 1 Teil Kalk (CaO) und die äquivalente Menge MgO (1 Teil MgO = 1,4 Teile CaO) auf 100,000 Teile W. (10 mg auf 1 Lit.), in Frankreich = 1 Teil kohlensaurem Kalk auf 100,000 Teile W., in England = 1 Grain kohlensaurem Kalk auf 1 Gallon W. Demnach ist

  deutsch engl. franz.
1 deutscher Härtegrad = 1,25 1,79
1 englischer  = 0,8 1,43
1 französischer  = 0,56 0,7
[415]
Benutzung des Wassers. Reinigung etc.

Die Anforderungen, welche man an ein gutes Trinkwasser stellen muß, sind mit großer Sorgfalt ermittelt worden, seitdem zweifellos feststeht, welche Rolle bei der Verbreitung gewisser Krankheiten das Trinkwasser spielt. Es ist wahrscheinlich daß W., welches durch die Entleerungen der an Cholera und Typhus Leidenden, wenn auch nur in geringem Grad, verunreinigt ist, diese Epidemien verbreitet; vielleicht werden aber auch andre Epidemien, wie Ruhr und Diarrhöe, durch Trinkwasser fortgepflanzt. Die Kontagien dieser Krankheiten gelangen in die Abtrittsgruben, verbreiten sich im Boden und gelangen auch in das Brunnenwasser, welches trotzdem klar, frisch und wohlschmeckend sein kann. Früher bediente man sich bei der Begutachtung des Trinkwassers ein für allemal festgesetzter Grenzwerte. 1 Lit. gutes Trinkwasser durfte nicht mehr als 6–10 mg Kaliumpermanganat reduzieren, nicht mehr als 5–15 mg Salpetersäure (N2O5), nicht mehr als 20–30 mg Chlor, nicht mehr als 80–100 mg Schwefelsäure (SO3), höchstens nicht bestimmbare Spuren von Ammoniak und salpetriger Säure und nicht mehr als 500 mg feste Rückstände enthalten. In neuerer Zeit hat man gefunden, daß die Formation, aus welcher das W. stammt, Bezugsart und Jahreszeit die Beschaffenheit reinen Wassers zu stark beeinflussen, um solche Grenzwerte aufrecht erhalten zu können. Die normale Zusammensetzung eines Wassers läßt sich nur in der Weise ermitteln, daß man diejenigen Wässer von derselben Bezugsart aus dem betreffenden Ort (unter genauer Beachtung der geognostischen Beschaffenheit des Bodens) analysiert, welche nachweislich von der Verunreinigung durch Abfälle und Schmutzwässer des Haushalts noch verschont sind. Gutes Trinkwasser soll geruchlos, klar und farblos sein, nicht fade oder vorherrschend nach einem Bestandteil schmecken und eine erfrischende, nur wenig schwankende Temperatur besitzen. Die Geschmacksempfindung läßt Verunreinigungen erst bei einem hohen Grad erkennen, Nitrate und Chloride und manche andre Salze machen das W. sogar schmackhafter. Da man die Bedeutung der einzelnen Stoffe für die Gesundheit des Menschen nicht kennt, so muß man die Gewähr für die Zuträglichkeit des Wassers in der Reinheit desselben suchen. Der Kalk- und Magnesiagehalt soll möglichst 18 deutsche Härtegrade nicht überschreiten und darf weder durch Gips noch durch Magnesiasalze wesentlich bedingt sein. Dies ist auch deshalb wichtig, weil häufig mit einer Steigerung der Härte auch eine stärkere Verunreinigung des Wassers Hand in Hand geht. Einen größern Gehalt an festen Körpern, an organischen Substanzen, Chlor, Schwefelsäure, Kalk und Magnesia, kann man als Maß für die Verunreinigungen durch Abfallstoffe betrachten. Das Auftreten von Ammoniak, salpetriger Säure und Schwefelwasserstoff, ein Wachsen des Gehalts an Salpetersäure und Kohlensäure sowie Abnahme des Sauerstoffgehalts gelten als Anzeichen, daß das W., resp. der Boden mit Stadtlauge (organische Abfälle, fäulnisfähige Stoffe etc.) oder deren Zersetzungsprodukten verunreinigt ist. Ein W., welches auf 1 Volumen Sauerstoff mehr als 2 Volumen Stickstoff enthält, ist als verdächtig zu bezeichnen. Ein W. kann sicher als verunreinigt gelten, wenn darin Mikroorganismen, namentlich Spaltpilze, in großer Menge vorkommen. Zum bei weitem größten Teil sind die im W. vorkommenden Mikroorganismen als nicht gesundheitschädlich anzusprechen, dennoch ist die Möglichkeit vorhanden, daß auch pathogene Mikroorganismen in das W. gelangen und durch dasselbe weiter verbreitet werden. Das beste Trinkwasser geben nicht verunreinigte, natürlich oder künstlich verschlossene Quellen oder tiefe Brunnen; da aber die Temperatur aller fließenden Wässer mit der Lufttemperatur wechselt und alle Flüsse mehr oder weniger städtische Abflußwässer aufnehmen, da ferner auch die beste Filtration nur unvollkommen reinigt, so kann filtriertes Flußwasser unter Umständen zwar brauchbares Genußwasser, aber wohl nie gutes Trinkwasser geben. Infiziertes W., von welchem man eine Übertragung von Krankheiten zu fürchten hat, wird wahrscheinlich durch halbstündiges Kochen unschädlich. Bei Benutzung des Wassers zu technischen Zwecken kommt besonders der Gehalt an organischen Stoffen, doppeltkohlensaurem und schwefelsaurem Kalk und an Eisen in Betracht. Jedes W., welches von den gewöhnlichen Mineralsubstanzen nicht über 0,4–0,5 g in 1 Lit. enthält, ist noch zu allen häuslichen Zwecken brauchbar. Bleibt der Gehalt an Kalk und Bittererde unter 0,1 g, so eignet es sich auch zum Bleichen, Waschen und in der Gerberei.

Zur Reinigung wird das W. filtriert, um suspendierte trübende Bestandteile zu beseitigen; gewisse Filtriermaterialien absorbieren indessen auch gelöste Körper, organische Stoffe und Salze. In dieser Beziehung sind Thon und Kohle, besonders Tierkohle, am wirksamsten; bei Zutritt von Luft in das poröse Filtriermaterial wird organische Substanz energisch oxydiert. Zum Filtrieren kleiner Mengen W. benutzt man Filtrierpapier, für größere Quantitäten aber Apparate mit mehreren Schichten Flanell, Filz etc., natürliche und künstliche poröse Steine, welche bisweilen einen Hohlkörper darstellen und dann in das unreine W. gelegt werden, während man das in dem Stein sich sammelnde filtrierte W. durch einen Hahn abläßt. Bei dieser Konstruktion sind die Steine leicht zu reinigen. Wirksame Filtriermaterialien sind noch: mit Alaun, Eisensalzen und Gerbsäure behandelte Scherwolle, Badeschwamm, abwechselnde Schichten von Wolle, Sandstein, Tierkohle, Kies. Derartige Filter können mit Brunnen verbunden oder in Wasserleitungen eingeschaltet werden. Sehr verbreitet ist auch die Anwendung der Filter aus gepreßter (fälschlich „plastischer“) Kohle, und am kräftigsten beseitigt organische Substanzen ein Filter aus porösem Eisenschwamm, d. h. aus fein verteiltem metallischen Eisen, welches aus Kiesabbränden nach dem Ausziehen des Kupfers oder durch Reduktion von Hämatit mittels Kohle bei möglichst niedriger Temperatur gewonnen wird. Im großen, bei Wasserleitungen etc., filtriert man das W. nur durch Sand (s. Filtrieren). Für alle Filtrationen gilt, daß auch bei sehr vollkommener Wirkung auf gelöste und ungelöste Stoffe kein Beweis erbracht ist, daß solches filtrierte W. die Fähigkeit verloren habe, epidemische Krankheiten zu verbreiten. Bei vielen Filtrationen, auch durch die sogen. plastische Kohle, ist die Gegenwart von Organismen im filtrierten W. nachgewiesen worden. Zur Reinigung des Wassers von trübenden, auch organischen Stoffen ohne Filtration eignet sich 0,25–0,5 g Alaun pro Liter; auch wird empfohlen, nach dem Zusatz von Alaun noch so viel Soda hinzuzufügen, daß derselbe zersetzt wird. Die Verunreinigungen lagern sich dann leicht und vollständig ab. Gelb gefärbtes W. wird durch dieses Verfahren vollständig farblos. Schwefelwasserstoffhaltiges W. kann man durch Zusatz geringer Mengen von Eisenvitriol reinigen, und organische Substanzen lassen sich durch übermangansaures Kali zerstören. Am häufigsten handelt es sich darum, [416] hartes W. weich zu machen. Gipsreiches W. versetzt man mit Sodalösung, von welcher meist auch ein kleiner Überschuß nicht schadet; der durch dieselbe gefällte kohlensaure Kalk lagert sich leicht ab. Enthält das W. hauptsächlich doppeltkohlensauren Kalk, so wird es schon durch Aufkochen weich; wo letzteres nicht anwendbar ist, setzt man Kalkmilch zu, nachdem man zuvor ermittelt hat, wieviel davon erforderlich ist, um mit dem doppeltkohlensauren Kalk einfach kohlensauren Kalk zu bilden. Der Niederschlag scheidet sich in 24 Stunden ab; wenn man aber zunächst einen Überschuß von Kalkmilch zusetzt und dann noch eine entsprechende Menge des kalkhaltigen Wassers, so findet die Abscheidung des Kalks viel schneller statt. Auch Wasserglas ist zum Weichmachen des Wassers angewandt worden. Über die Reinigung des Wassers zur Vermeidung der Kesselsteinbildung in Dampfkesseln s. Kesselstein. Ganz reines W. erhält man nur durch Destillation. Man verwendet reines Brunnenwasser und setzt, um eine Verunreinigung des destillierten Wassers durch Ammoniak zu vermeiden, auf je 1 Lit. etwa 1 g oder so viel Alaun zu, daß das W. schwach sauer reagiert. Das zuerst übergehende Destillat verwirft man wegen seines Gehalts an Kohlensäure. Von 3 Teilen Brunnenwasser sind 2 Teile destilliertes W. zu gewinnen. Enthält das Brunnenwasser organische Substanzen, so färbt man es schwach mit übermangansaurem Kali, säuert es nach 24 Stunden mit Alaun an und destilliert. Zum Auffangen des Destillats ist stets eine Flasche, nie ein offener Topf zu benutzen. Das aus Dampfheizungen kondensierte W. ist stets unrein. Man benutzt destilliertes W. in der Photographie, in der Pharmazie und in der chemischen Industrie, in manchen Ländern und auf der See wird ungenießbares W. destilliert, um gutes Trinkwasser zu erhalten. Meerwasser ist auf keine andre Weise brauchbar zu machen. Für diese Zwecke sind besondere Apparate konstruiert worden, und das destillierte W. wird mit Luft imprägniert, um ihm den faden Geschmack zu nehmen.

W., eins der vier Elemente des Aristoteles, wurde von Thales (600 v. Chr.) als das einzige wahre Element bezeichnet, aus dem alle andern Körper entstehen. Die Wolken wurden nach Plinius durch eine Verdickung der Luft gebildet, und noch Newton hielt den Wasserdampf für der Luft wenigstens sehr nahestehend. Auch die Verwandlung des Wassers in feste Körper wurde vielfach behauptet. Noch Boyle, Newton, Leibniz u. a. sahen den Quarz als kristallisiertes W. an; diese Umwandlung des Wassers in Bergkristall sollte durch starke Kälte oder, wie Diodor (30 v. Chr.) meinte, durch Einwirkung des himmlischen Feuers geschehen. Im 16. Jahrh. trat Agricola diesen Ansichten entgegen; aber noch Boyle und Marggraf behaupteten, daß aus reinem W. bei fortgesetzter Destillation Erde entstehe, und erst Lavoisier bewies das Irrtümliche dieser Ansicht. Aber auch dieser hielt das W. noch für unzerlegbar, und Macquer nannte es unveränderlich und unzerstörbar. Da zeigte Cavendish 1781, daß beim Verbrennen von Wasserstoff in atmosphärischer Luft W. gebildet wird, dessen Gewicht dem der verzehrten Luftarten gleich ist. Watt sprach 1783 zuerst aus, W. sei ein zusammengesetzter Körper, und Lavoisier bewies dann, daß es aus Wasserstoff und Sauerstoff besteht. Die quantitative Zusammensetzung des Wassers wiesen Humboldt und Gay-Lussac 1805 nach. Vgl. Ludwig, Die natürlichen Wässer (Erlang. 1862); Roßmäßler, Das W. (3. Aufl., Leipz. 1875); Pfaff, Das W. (2. Aufl., Münch. 1878); Lersch, Hydrochemie (2. Aufl., Berl. 1870); Derselbe, Hydrophysik (2. Aufl., das. 1870); Tyndall, Das W. (deutsch, 2. Aufl., Leipz. 1879); Dove, Kreislauf des Wassers (2. Aufl., Berl. 1874); Reuleaux, Über das W. in seiner Bedeutung für die Völkerwohlfahrt (das. 1871); Reichardt, Grundlagen zur Beurteilung des Trinkwassers (4. Aufl., Jena 1880); Frankland, Über Trinkwasser (im „Bericht über die Entwickelung der chemischen Industrie“, Braunschw. 1875); Fischer, Das Trinkwasser (Hannov. 1873); Derselbe, Chemische Technologie des Wassers (Braunschw. 1880); Wolffhügel, Wasserversorgung (Leipz. 1882); Thiemann und Gärtner, Die chemische Untersuchung des Wassers (Braunschw. 1888); Kirkwood, Filtration des Flußwassers (deutsch, Hamb. 1876); „The reports of the rivers pollution commission“ (Lond. 1869–1874); König, Verunreinigung der Gewässer (Berl. 1887); Gerson, Verunreinigung der Wasserläufe (das. 1889); Ziegler, Analyse des Wassers (Stuttg. 1887).


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 975976
korrigiert
Indexseite

[975] Wasser. Im Interesse der Gewinnung von keimfreiem W., auf welche die heutige Hygiene großen Wert legt, bevorzugt man zur Wasserversorgung die Anlage von Tiefbrunnen. Diese fördern indes in manchen Gegenden, namentlich in der norddeutschen Ebene, ein eisenreiches W., dessen Benutzung zum Teil durch das Auftreten von Crenothrix (s. d., Bd. 4) große Übelstände herbeiführt. Zur Ausscheidung des Eisens hat Oesten ein Verfahren angegeben, [976] welches ebenso schnell wie vollständig wirkt. Man bewirkt nach demselben eine kräftige Durchlüftung des in einen feinen Regen von bestimmter geringer Fallhöhe aufgelösten Wassers, wodurch eine augenblickliche Oxydation des gelösten Eisenoxyduls zu unlöslichem Eisenoxyd herbeigeführt wird, und trennt letzteres von dem W. durch eine unmittelbar sich anschließende Filtration. Die eigentümliche Gestaltung der letztern Operation, bei welcher sehr grober Sand angewandt wird, bewirkt eine zehnmal schnellere Filtration als die gewöhnliche Benutzung von Sand, die bekanntlich auch bei sorgsamster Ausführung die Mikroorganismen nicht vollständig aus dem W. zu entfernen vermag.