Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Thon“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Thon“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 15 (1889), Seite 660661
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Ton (Bodenart)
Wiktionary-Logo
Wiktionary: Ton
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Thon. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 15, Seite 660–661. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Thon (Version vom 30.06.2022)

[660] Thon (Pelit), in seinen reinsten Varietäten (Kaolin, Porzellanerde, s. d.) ein wasserhaltiges Aluminiumsilikat von bestimmter Zusammensetzung, die lokal aufgehäuften Zersetzungsprodukte feldspathaltiger oder glimmerreicher Gesteine darstellend. In trocknem Zustand sind die Thone fein- oder groberdig, zerreiblich, an der Zunge klebend und beim Anhauchen von eigentümlichem Geruch (Thongeruch). Nach dem Gefühl beim Angreifen spricht man von fetten und magern Thonen, die letztern sind die unreinern. Haben die Thone Wasser eingesogen (und sie können bis 70 Proz. aufnehmen), so werden sie in verschiedenem Grad geschmeidig und plastisch. Auch Fetten, Ölen und Salzlösungen gegenüber besitzen die Thone eine starke Absorptionskraft. Das aufgenommene Wasser entweicht beim Erwärmen, wobei die Thone stark schwinden und bersten (die magern Thone weniger als die fetten); beim Glühen werden sie hart, klingend, verlieren ihre Plastizität und verglasen und schmelzen je nach der Natur der Beimengungen bei verschieden hoher Temperatur. Reiner Kaolin ist nicht schmelzbar, sondern sintert nur bei sehr hoher Temperatur zusammen; von den Verunreinigungen des Kaolins scheint besonders Magnesia die Feuerbeständigkeit abzuschwächen, weniger Kalk, noch weniger Eisenoxyd und Kali. Selten sind die Thone rein weiß, gewöhnlich grau, bräunlich, rötlich, grünlich, bläulich, bunt gestreift, geädert oder geflammt. Spezifisches Gewicht des bei 100° getrockneten Thons 2,44–2,47. Chemisch sind die Thone als unreine Kaoline (vgl. Porzellanerde) aufzufassen, als vermittelnde Verwitterungsstadien zwischen den Feldspaten (sowie einigen andern Silikaten) und diesen, gewöhnlich gemengt mit den sonstigen Zersetzungsprodukten der betreffenden Gesteine. Sie enthalten außer reinem Aluminiumsilikat am häufigsten kohlensauren Kalk, Magnesia, Eisenoxydul, Quarzsand, Glimmerschüppchen, Eisenoxyd, Eisenhydroxyd, kohlige Substanzen, seltener Eisenkies, Gips, Schwefel, Knollen von thonigem Sphärosiderit, kalkigen Mergeln etc. Als Beispiel der chemischen Zusammenhang mögen folgende Analysen dienen:

  1. 2. 3. 4. 5.
Kieselsäureanhydrid 46,50 62,54 68,28 75,44 52,87
Thonerde 39,56 14,62 20,00 17,09 15,65
Eisenoxyd und -Oxydul 7,65 1,78 1,13 12,81
Kalk 0,61 0,48
Magnesia 0,52 0,31 2,65
Kali 2,35 0,52 1,33
Wasser 13,94 14,75 6,39 4,71 14,73
Zusammen: 100,00 99,56 99,93 99,68 100,04

[661] Zum Vergleich sind unter 1) die berechneten Werte der Kaolinformel vorausgeschickt; 2) T. von Pöchlarn in Österreich; 3) T. von Grenzhausen in Nassau; 4) T. von Bendorf bei Koblenz; 5) roter T. von Norfolk in England.

An Varietäten unterscheidet man: eisenschüssigen T., gelb oder rotbraun, je nachdem Eisenhydroxyd oder Eisenoxyd das färbende Prinzip ist; glimmerigen T., mit zahlreichen, oft lagenweise angeordneten Glimmerblättchen gemengt; Töpferthon, zäh und sehr plastisch, feinen Quarzsand führend; Pfeifenthon, sehr reiner, kaolinartiger T.; bituminösen T. mit hohem Gehalt an organischen Stoffen, welche beim Glühen unter Bleichung des Thons zerstört werden; Salzthon (Hallerde), mit Steinsalz und Calciumsulfat (Anhydrit oder Gips) innig gemengt; Alaunthon (Vitriolthon, Alaunerde), Gemenge von T. mit Eisenkies, gewöhnlich in mikroskopischen Teilchen, welche bei der natürlichen oder künstlich unterstützten Verwitterung Schwefelsäure bilden und auf die im T. enthaltenen Kalium- und Aluminiumsilikate zersetzend einwirken (vgl. Alaunerde, Schwefelkies); Septarienthon (s. Septarien), ein an mergeligen Nieren reicher T. Feuerfeste Thone schmelzen erst bei sehr hoher Temperatur, eine Eigenschaft, die auf der Abwesenheit oder dem geringen Gehalt an Kalium-, Magnesium-, Eisen- und Manganverbindungen beruht. Einen durch Quarz, Kalk und Eisen stark verunreinigten T. stellt der Lehm (s. d.) dar. T. mit der Neigung zu Schieferung nennt man Letten, bei stärkerm Hervortreten der Parallelstruktur Lettenschiefer. Ebenfalls den Thonen beizuzählen ist die Walkerde (Walkererde), die eine grünlichgraue bis olivengrüne Masse bildet, nur wenig an der Zunge haftet, im Wasser zerfällt, aber sehr begierig Öle und Fette einsaugt; chemisch scheint sie durch einen konstanten Gehalt an Magnesia charakterisiert zu sein. Porzellanjaspis (Porzellanit) und Basaltjaspis sind durch natürliche Prozesse (Kohlenbrände, vulkanische Eruptionen) gebrannte Thone. Sonstige Unterscheidungen beziehen sich auf die geologische Formation, in welcher sie vorkommen, so z. B. Tegel (ein Tertiärthon), Wälderthon (aus dem Weald), Oxfordthon (zum Jurasystem gehörig) u. a. Im allgemeinen sind die Thone in den mittlern und jüngern Formationen entwickelt und werden in den ältern durch Schieferthone und Thonschiefer vertreten. Ganz fremd sind sie aber selbst den ältesten Gesteinsschichten nicht, wie z. B. in Rußland sowohl im Silur als in der Steinkohlenformation Thone vorkommen. Die Thone bilden bald mächtigere Schichten, bald dünne Lagen oder Spaltenausfüllungen (Lettenklüfte) zwischen andern Gesteinen, namentlich Kalken und Sandsteinen. Bisweilen findet man sie auf primärer Lagerstätte als Hülle um diejenigen Silikatgesteine, aus denen sie entstanden sind. Sie führen häufig Versteinerungen, und dann gewöhnlich in besonders schönem Erhaltungszustand. Bekanntere Thonlager sind die von Großalmerode in Kurhessen, Passau, Stourbridge in England, Hoganäs in Schweden für feuerfeste Thone; Köln, Lüttich, Namur für Pfeifenthone; Bunzlau, Hildburghausen, Klingenberg am Main, Koblenz u. v. a. O. für Töpferthone. Thone dienen zu Fayence, Steingut, Topfwaren, Thonpfeifen, Schmelztiegeln, Gußformen, zum Modellieren, zum Walken des Tuchs, als Dungmaterial (namentlich Salzthon); unreinere Varietäten und Lehm zu Backsteinen und Ziegeln, als Baumaterial, zum Ausschlagen (Dichten) von Wasserkanälen etc. Über die wichtige Rolle, welche der T. im Boden spielt, s. Boden. Endlich sind thonige Schichten im Innern der Erde die wichtigsten Wassersammler, welche als sperrende Schichten die versinkenden Wasser der durchlassenden Gesteine auf ihrer Grenzfläche auffangen und bei entsprechender Lagerung der Schichten Quellenbildung veranlassen. Durch diese wassersperrende Kraft schützen umgebende Thonschichten die Steinsalzlager vor der Auslaugung.