Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Spiegel“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 15 (1889), Seite 136137
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Wiktionary: Spiegel
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Spiegel. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 15, Seite 136–137. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Spiegel (Version vom 09.01.2023)

[136] Spiegel, Körper mit glatter Oberfläche, welche zur Erzeugung von Spiegelbildern benutzt werden. Man unterscheidet Planspiegel mit vollkommen ebener und Konvex- und Konkavspiegel mit gekrümmter Spiegelfläche, wendet aber im gewöhnlichen Leben meist Planspiegel an. Als solche benutzte man im Altertum, zum Teil schon in vorgeschichtlicher Zeit, runde, polierte, gestielte Metallscheiben aus Kupfer (Ägypter, Juden), Bronze (Römer, besonders brundusische S.), Silber, Gold (seit Pompejus, Gold auch schon bei Homer). Manche Legierungen geben eine besonders stark spiegelnde Oberfläche und werden deshalb als Spiegelmetall (s. d.) zusammengefaßt. Auch Glasspiegel kamen früh in Gebrauch; man benutzte dazu obsidianartige, dunkle, undurchsichtige Massen mit glatter, polierter Oberfläche, welche in die Wand eingelassen wurden. Vielleicht aber kannte man schon zur Zeit des Aristoteles Glasspiegel, deren Rückseite mit Blei und Zinn belegt war. Sichere Nachrichten über diese S. hat man indes erst aus dem 13. Jahrh. Man schnitt sie in Deutschland aus Glaskugeln, die inwendig mit geschmolzener Bleiantimonlegierung überzogen worden waren. Im 14. Jahrh. kamen die mit Blei-, dann mit Zinnamalgam belegten ebenen S., wie wir sie jetzt benutzen, in Gebrauch. Zur Darstellung derselben breitet man auf einer horizontalen, ebenen Steinplatte ein Blatt kupferhaltige Zinnfolie (Stanniol) aus, dessen Größe die des Spiegels etwas übertrifft, übergießt es 2–3 mm hoch mit Quecksilber, welches mit dem Zinn ein Amalgam bildet, schiebt die polierte und sorgfältig gereinigte Glasplatte so über die Zinnfolie, daß ihr Rand stets in das Quecksilber taucht, beschwert sie dann mit Gewichten, gibt der Steinplatte eine ganz geringe Neigung, damit das überschüssige Quecksilber abfließt, und legt den S. nach 24 Stunden mit der Amalgamseite nach oben auf ein Gerüst, welches man allmählich mehr und mehr neigt, bis der S. schließlich senkrecht steht. Nach 8–20 Tagen ist er verwendbar. 50 qdcm erfordern 2–2,5 g Amalgam, welches aus etwa 78 Zinn und 22 Quecksilber besteht. In neuerer Zeit benutzt man vielfach Silberspiegel, d. h. auf der Rückseite versilbertes Spiegelglas, wie es zuerst von Drayton 1843 vorgeschlagen wurde. Zur Versilberung sind viele Vorschriften gegeben worden; doch beruhen alle darauf, daß man eine Silberlösung mit einem reduzierend wirkenden Körper vermischt und mit der zu versilbernden Glasfläche in Berührung bringt. Das Silber schlägt sich dann auf das Glas nieder und wird zum Schutz mit einem Anstrich aus Leinölfirnis und Mennige überzogen, auch wohl zunächst galvanisch verkupfert. Bei Herstellung größerer S. gießt man die Versilberungsflüssigkeit auf die Glasplatte, welche auf einem gußeisernen Kasten liegt, der mit Wasser gefüllt ist und eine Dampfschlange enthält, um die Platte erwärmen zu können. Kleinere Platten stellt man je zwei mit dem Rücken aneinander reihenweise in die Versilberungsflüssigkeit. Auf 1 qm Glas kann man 29–30 g Silber ablagern. Diese Silberspiegel, deren Fabrikation erst seit 1855 durch Petitjean und Liebig, welche zweckmäßige Versilberungsflüssigkeiten angaben, praktische Bedeutung gewann, sind billiger als die belegten; größere aber sind schwer herzustellen, und über die längere Haltbarkeit fehlen noch Erfahrungen. Man hat auch Platinspiegel hergestellt, für welche man nur auf einer Seite geschliffenen Glases bedarf. Man trägt die Mischung von Platinchlorid mit Lavendelöl, Bleiglätte und borsaurem Bleioxyd auf das Glas auf und brennt das ausgeschiedene Metall ein. Da das Platin an der Luft nicht anläuft, so halten sich diese S. sehr gut, und der Metallüberzug ist so dünn, daß das Glas durchsichtig bleibt. Über Herstellung etc. des Spiegelglases s. Glas, S. 322. Vgl. Benrath, Glasfabrikation (Braunschw. 1875); Cremer, Fabrikation der Silber- und Quecksilberspiegel (Wien 1887). –

Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3.
Fig. 1–3. Römische Handspiegel.

Die für die Toilette der Frauen bestimmten Handspiegel des Altertums wurden am Griff und auf der Rückseite der Scheibe künstlerisch verziert, auf letzterer bei den Griechen, Römern etc. meist mit eingravierten mythologischen u. genrehaften Darstellungen geschmückt (Fig. 1–3). Antike S. sind [137] zahlreich in den verschütteten Vesuvstädten und in den Gräbern gefunden worden. Eine Spezialität bilden die etruskischen S., welche ebenfalls mit Darstellungen

Fig. 4. Etruskischer (sogen. Semele-) Spiegel.

aus dem etruskischen Götterkreis und mit Inschriften versehen sind (Fig. 4). Sie wurden von E. Gerhard („Die etruskischen S.“, Berl. 1843–68, 4 Bde.; fortgesetzt von Klügmann und Körte 1884 ff.) beschrieben. Die antike Grundform des Handspiegels erhielt sich das ganze Mittelalter und die Folgezeit hindurch bis jetzt. Nur wurde die Spiegelfläche nicht bloß oval, sondern auch rund, viereckig und vielseitig gestaltet, von einem mehr oder minder reichverzierten Rahmen eingefaßt und in der Rückseite mit Schnitzwerk, Reliefarbeit etc. geschmückt. Die Einfassung des Handspiegels, dessen Spiegelfläche anfangs noch meist aus Metall, dann aus Glas bestand, wurde in Holz, Elfenbein, Metall und andern Materialien ausgeführt. Zur Renaissancezeit trugen die Damen Handspiegel am Gürtel. Im Mittelalter kamen auch Taschenspiegel und S. zum Aufhängen an Wänden auf, die seit dem 16. Jahrh. immer größer wurden und sich nach der Erfindung des Spiegelglases (1688) zu den von der Decke bis zum Fußboden reichenden Trümeaus entwickelten. Im Mittelalter waren Venedig und Murano die Hauptsitze der Spiegelfabrikation, welche die ganze kultivierte Welt mit venezianischen Spiegeln versorgten. Die Einrahmung der Wandspiegel, welche anfangs durch gekehlte Leisten, später durch reich ornamentiertes Schnitzwerk erfolgte, wurde ein besonderer Zweig der Möbeltischlerei. Doch wurden früher und werden gegenwärtig noch in Venedig und Murano Wandspiegel mit Rahmen aus geschliffenem und geblasenem Glas angefertigt. Solche Rahmen werden häufig aus naturalistischen farbigen Blumen (Rosen u. dgl.) und Rankenwerk gebildet.

In übertragenem Sinn bezeichnet S. überhaupt jede glatte, glänzende Fläche (z. B. Eis-, Wasserspiegel); sodann in der Weidmannssprache den hellen Fleck um das Weidloch der Hirsche und Rehe, auch den weißen oder metallglänzenden Fleck auf den Flügeln der Enten sowie den weißen Schulterfleck des Auer- und Birkwildes; ferner einen Teil der Hinterseite des Schiffs (s. Heck); in der Struktur des Holzes die Markstrahlen (s. Holz, S. 669) etc. Da endlich der S. als Symbol der Selbstprüfung und des Gewissens, als Emblem der Wahrheit dient, so ist das Wort auch häufig als Titel für belehrende Schriften, besonders moralischen, pädagogischen und politischen Inhalts, worin Musterbilder zur Nacheiferung aufgestellt werden, verwendet worden, z. B. Fürstenspiegel, Jugendspiegel, Ritterspiegel, Laienspiegel, die Gesetzsammlungen Sachsenspiegel und Schwabenspiegel etc.

Spiegel, medizinisches Instrument, s. Speculum.

Spiegel, Friedrich (von), namhafter Orientalist, der bedeutendste Kenner des Zendavesta, geb. 11. Juli 1820 zu Kitzingen, widmete sich in Erlangen, Leipzig und Bonn orientalischen Sprachstudien, durchforschte 1842–47 die Bibliotheken zu Kopenhagen, London und Oxford und ist seit 1849 Professor der orientalischen Sprachen an der Universität Erlangen. Nachdem er durch seine Ausgaben des „Kammavâkya“ (Bonn 1841) und der „Anecdota palica“ (Leipz. 1845) dem Studium der damals noch wenig bekannten Pâlisprache und des südlichen Buddhismus einen wesentlichen Dienst geleistet hatte, konzentrierte er seine Forschungen auf die iranischen Sprachen und die Zoroastrische Religion und lieferte namentlich eine kritische Ausgabe der wichtigsten Teile des Zendavesta samt der alten Pehlewiübersetzung derselben und eine vollständige Verdeutschung, die erste wissenschaftliche Übertragung dieses wichtigen Religionsbuchs (Leipz. 1852–63, 3 Bde.), der er einen „Kommentar über das Avesta“ (das. 1865–69, 2 Bde.) und eine „Grammatik der altbaktrischen Sprache“ (das. 1867) folgen ließ. Außerdem veröffentlichte er eine „Chrestomathia persica“ (Leipz. 1845), die erste „Grammatik der Pârsisprache“ (das. 1851), eine „Einleitung in die traditionellen Schriften der Parsen“ (das. 1856–60, 2 Bde.), „Die altpersischen Keilinschriften im Grundtext, mit Übersetzung, Grammatik und Glossar“ (das. 1862, 2. Aufl. 1881), „Erân, das Land zwischen dem Indus und Tigris“ (Berl. 1863), „Arische Studien“ (Leipz. 1873). Gewissermaßen das Fazit all seiner Forschungen zieht er in seiner „Erânischen Altertumskunde“ (Leipz. 1871–78, 3 Bde.), welcher die „Vergleichende Grammatik der alterânischen Sprachen“ (das. 1882) und das Werk „Die arische Periode und ihre Zustände“ (das. 1887) folgten. Zahlreiche kleinere Arbeiten, z. B. über die iranische Stammverfassung, über das Leben Zoroasters u. a., veröffentlichte er in den Abhandlungen der königl. bayrischen Akademie, in den „Beiträgen zur vergleichenden Sprachforschung“, in der „Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft“ und andern Zeitschriften.