Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Rügen“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Rügen“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 14 (1889), Seite 1819
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: Rügen
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Rügen
Wiktionary-Logo
Wiktionary: Rügen
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Rügen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 14, Seite 18–19. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:R%C3%BCgen (Version vom 14.04.2021)

[18] Rügen, Insel in der Ostsee, unfern der pommerschen Küste, Stralsund gegenüber, zum preuß. Regierungsbezirk Stralsund gehörig, von dem sie einen Kreis bildet (s. Karte „Pommern“). Die Insel, durch den 2 km breiten Strelasund oder Bodden vom Festland getrennt, hat eine größte Länge von 52 km (von S. nach N.), eine größte Breite (im S.) von 41 km und umfaßt mit den kleinern Inseln, doch ohne die großen Wasserflächen einen Flächenraum von 968 qkm (17,38 QM.). Ihre Gestalt ist durch zahlreiche Meerbusen (Bodden oder Wieke) sowie vorspringende Halbinseln und Landzungen eine äußerst zerrissene. Der Kern der Insel hat die Form eines Dreiecks. Die nach S. gekehrte Grundlinie ist durch den Rügenschen Bodden ausgebuchtet. Am Westende des letztern erstreckt sich die Halbinsel Zudar mit dem südlichsten Vorgebirge (Palmerort) Pommern gegenüber; am Ostende ragt die wiederum vielgegliederte Halbinsel Mönchgut in das Meer, an deren Ostküste zwei Vorgebirge: [19] südlich das Thießower Hövd (südliches Pehrd) und nördlich das Göhrensche Hövd (nordisches Pehrd), zwei einem Pferderücken ähnliche Steinrücken, zu bemerken sind. Der Nordostseite des Kerns parallel läuft die Halbinsel Jasmund, die mit der Insel durch die Schmale Heide zusammenhängt, welche zwischen der Prorer Wiek, einer äußern Meeresbucht, und dem Kleinen Jasmunder Bodden des Binnenmeers hinläuft. Die Halbinsel springt weit nach O. vor und endigt mit der Stubbenkammer. Mit Jasmund hängt durch die Schabe (eine schmale, sandige Niederung, 8 km lang und bis 1 km breit) die Halbinsel Wittow zusammen, die der Nordspitze des Dreiecks gegenüberliegt und samt Jasmund durch den Großen Jasmunder Bodden, den größern Abschnitt des Binnenmeers, vom Kern geschieden ist. Wittow hat das nördlichste Vorgebirge, Arkona (s. d.). Wittow und Jasmund sind durch die Tromper Wiek, eine Bucht des Außenmeers, geschieden. Die Nordwestseite des Dreiecks ist nicht so tief ausgezackt, hat aber dafür die begleitenden Inseln Ummanz und Hiddensöe, die früher wohl ebenfalls mit dem Kern zusammenhingen. Die Oberfläche ist im W. eben und waldlos und hebt sich allmählich gegen die Mitte, wo sie im Rugard bei Bergen 91 m, östlicher, auf der Granitz, einer kleinen waldigen Berggruppe, 105 m Höhe erreicht. Im ganzen ist der Boden sehr fruchtbar und ergiebig, besonders auf Wittow, der Kornkammer der Insel. R. ist noch mit unzähligen erratischen Blöcken übersäet. Jasmund besteht auf der Nord- und Nordostseite aus einem Kreidegebirge, das von horizontal liegenden Feuersteinlagern durchzogen ist und an mehreren Seiten weite, runde Einschnitte hat, deren gegen die See vorspringende Spitzen kleine Vorgebirge bilden, die zusammen die Stubbnitz und die berühmte Stubbenkammer bilden. Diese sogen. Große Stubbenkammer (man leitet den Namen vom slaw. stopien, „Stufen“, und kamen, „Fels“, ab), deren höchste Spitze, der Königsstuhl, 122 m ü. M. sich erhebt, ist gegen das Meer hin fast senkrecht abgeschnitten u. gewährt eine unvergleichliche Aussicht. Ein andrer Einschnitt des Kreidegebirges, die Kleine Stubbenkammer, liegt ostwärts vom Königsstuhl, ist nicht so hoch, aber fast noch steiler und läßt von seinem mit Bäumen und Gebüsch bewachsenen Rand fast senkrecht zur Tiefe des Meers blicken. Im Rücken der Großen Stubbenkammer liegt die Stubbnitz (Stubbenitz), ein 16 km langer und 4 km breiter Buchenwald, an dessen Südende der Badeort Saßnitz und in dessen Innerm der sogen. Herthasee (Borg- oder Schwarzer See), der 52 m im Durchmesser und 16 m Tiefe hat. Westwärts stößt an denselben ein Wall (Burgwall), der einen ovalen Platz einschließt und einen Umfang von 300 m hat und westlich fast in einem Viertelkreis von einem zweiten, aber unregelmäßigen Wall eingefaßt wird. Man hat diesen Wall, der 159 m ü. M. liegt, für die Reste der Herthaburg gehalten und dahin den Schauplatz der Hertha oder Nerthus (s. d.) verlegt, indessen ohne triftigen Grund; der betreffende Wall ist viel wahrscheinlicher ein slawischer Burg- und Tempelwall aus der letzten heidnischen Zeit, der vielleicht den Tempel des Triglav umschloß. Auch an andern Denkmälern der Vorzeit, namentlich Hünengräbern, ist R. reich. Die Zahl der Einwohner beträgt mit Einschluß der kleinen zum Kreis R. gehörigen Inseln (1885) 45,039. Ackerbau, Viehzucht und Fischfang sind ihre Nahrungszweige; ein besonders wichtiges Gewerbe ist der Heringsfang. Jede Halbinsel hat ihre besondere Schattierung des Dialekts, jede ihre Herkommen und ihre eignen Bräuche; am originellsten haben sich dieselben auf der Halbinsel Mönchgut erhalten. Hauptstadt ist die Kreisstadt Bergen, im Kern der Insel gelegen; an der Südküste liegt der Flecken Putbus (s. d.). R. wird wegen seiner landschaftlichen Schönheiten von Fremden viel besucht. – Die Insel ward in ältester Zeit von Germanen bewohnt, in der Völkerwanderung von den slawischen Ranen (Rujanen) besetzt und stand unter besondern Fürsten. Der dänische König Waldemar I. unterwarf die Insel und zerstörte 1168 Arkona, das letzte Asyl des Götzendienstes. Unter dem Fürsten Jaromar (gest. 1218) wurde dann die Insel völlig bekehrt und füllte sich mit deutschen Ansiedlern. Seine Nachfolger eroberten einen Teil der pommerschen Küste bis zum Rykfluß, gründeten 1209 Stralsund und warfen das dänische Joch ab. Witzlaw III. nahm 1282 die Insel vom deutschen König Rudolf zu Lehen und erhielt das Amt eines Reichsjägermeisters. 1309 und 1317 verwüsteten Sturmfluten die Insel und rissen einen Teil, Ruden genannt, davon ab. Nach Witzlaws IV. Tod 1325 kam R. infolge der 1221 geschlossenen Erbverbrüderung an Pommern-Wolgast und war eine Zeitlang das Besitztum einer abgezweigten Linie (Bart), bis es 1478 auf immer mit Pommern vereinigt wurde. Mit diesem Land kam es dann 1648 durch den Westfälischen Frieden an Schweden. Am 23.–24. Sept. 1678 und 15. Nov. 1715 wurde R. von den Brandenburgern, 1807 von den Franzosen genommen und von letztern bis 1813 besetzt gehalten; 1815 fiel es mit Neuvorpommern an Preußen. Die Halbinsel Jasmund war nach dem Dreißigjährigen Krieg eine Zeitlang im Besitz des schwedischen Generals Wrangel, dann der Grafen de la Gardie, von denen sie Fürst Putbus erwarb. Vgl. Boll, Die Insel R. (Schwer. 1858); Baier, Die Insel R. nach ihrer archäologischen Bedeutung (Strals. 1886); Reisehandbücher von Edwin Müller (12. Aufl., Berl. 1884), Dunker (Bergen 1887), Gust. Müller (Greifswald 1887); Karte von G. Müller (1:75,000, das. 1887); Fabricius, Urkunden zur Geschichte des Fürstentums R. (Strals. u. Berl. 1841 bis 1869, 4 Bde.); Barthold, Geschichte von R. und Pommern (Hamb. 1839–45, 5 Bde.); Fock, Rügensch-pommersche Geschichten (Leipz. 1861–72, 6 Bde.).