Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Ostern“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 12 (1888), Seite 479480
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Ostern. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 12, Seite 479–480. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Ostern (Version vom 08.04.2022)

[479] Ostern (Osterfest), das Fest der Auferstehung Jesu, hat wahrscheinlich seine deutsche Benennung von dem Feste der altsächsischen Frühlingsgöttin Ostara. Mit dem Kultus, der ihr vor Einführung des Christentums gewidmet wurde, hängen die Namen der Osterwälder, Osterberge und die Gebräuche des Osterfeuers, der Ostereier etc. (s. Ostergebräuche) zusammen. Der Ursprung des Festes dagegen ist jüdisch (s. Feste und Passah). Die judenchristlichen Gemeinden hielten sich an den 14. Nisan des jüdischen Kalenders, während die römischen und andern an sie sich anschließenden Gemeinden davon ausgingen, daß vor allem die Jahresfeier der Auferstehung an einem Sonntag begangen werde, wobei sie zur Erinnerung an das Leiden und den Tod Jesu den vorhergehenden Freitag ausersahen und denselben kalendarisch so feststellten, daß er entweder mit dem 14. Nisan zusammenfiel oder demselben folgte. Seit Mitte des 2. Jahrh. wurde diese Verschiedenheit der Feier Gegenstand des Streits (Osterstreit) zwischen den verschiedenen Kirchen, und das nicäische Konzil (325) entschied sich im wesentlichen für die römische Sitte, indem es die Feier des seitdem vorzugsweise der Auferstehung geltenden Osterfestes auf den Sonntag nach dem 14. Nisan festsetzte. Die Anhänger der judenchristlichen Osterfeier bezeichnete man mit dem Ketzernamen „Quartodezimaner“ oder „Tessareskaidekatiten“. Der Feier des Auferstehungsfestes ging schon früh ein vorbereitendes Fasten (s. d.) voran. Das Fest selbst galt als die beliebteste Taufzeit, auch nahm die Kirche an demselben die reuigen Gefallenen (s. Lapsi) wieder auf. Die Bedeutung des Festes sowie der Umstand, daß nach ihm alle übrigen „beweglichen“ Feste des Sommers berechnet wurden, führte dahin, daß man an vielen Orten mit dem Osterfest das Jahr begann. Ihm unmittelbar voraus ging die mit dem Palmsonntag (s. d.) beginnende Karwoche (s. d.). Am Mittwoch derselben wird noch jetzt zu Rom in der Sixtinischen Kapelle das „Miserere“ gesungen. Es folgen der Gründonnerstag (s. d.) und der Karfreitag (s. d.), das sogen. Leidensostern (pascha staurosimon), welches im Lauf des 3. Jahrh. vom Auferstehungsostern (pascha anastasimon) unterschieden wurde. Der dazwischenliegende Ostersonnabend war in der alten Kirche ein allgemeiner Fasttag, bestimmt zur Vorbereitung auf die Taufe. Am Abend versammelte sich die Gemeinde zu einem feierlichen Nachtgottesdienst (Ostervigilie), der bis zum Ostermorgen dauerte. Jetzt zeichnet sich der Ostersonnabend in Rom durch die Taufe und Konfirmation der Neubekehrten im Lateran und durch die große Messe in der Sixtinischen Kapelle aus. In der päpstlichen Kapelle werden das Feuer und die Osterkerze (cereus paschalis) geweiht; alle Familien lassen das Ostermahl segnen, welches in einer Eiersuppe, einem Fladen und einem gerösteten Zicklein besteht. Auch werden an diesem Tag in der römischen Kirche die Ampeln in den Gotteshäusern mit frischem Öl versehen, alle Kerzen ausgelöscht und frische angezündet (Lichtersabbat). Die Glocken schweigen vom Karfreitag bis zum Ostersonntagmorgen. Dieser Ostersonntag wurde schon in der alten Kirche als erstes Freudenfest begangen. Die Christen empfingen sich frühmorgens mit dem Osterkuß und dem Zuruf: „Er ist auferstanden“, worauf der Begrüßte antwortete: „Er ist wahrhaftig auferstanden“. Ähnliches existiert heute fast nur noch in der griechischen Kirche. Eine mittelalterliche Sitte war das sogen. Ostergelächter (risus paschalis). Es wurden nämlich in den Osterpredigten zur Erheiterung der Zuhörer allerlei Schwänke (Ostermärlein) erzählt. Die Dauer der Feier erstreckte sich in der alten Kirche auf die ganze Osterwoche, daher der nächste (sogen. weiße) Sonntag Osteroktave hieß, jetzt ist fast allgemein nur der Ostermontag noch ein kirchlicher Feiertag. Gegenwärtig wird das Osterfest immer am Sonntag nach dem Frühlingsvollmond und, wenn dieser selbst auf einen Sonntag trifft, an dem nächstfolgenden gefeiert. Unter dem [480] Frühlingsvollmond aber, der die Ostergrenze (terminus paschalis) genannt wurde, versteht man denjenigen, welcher entweder auf oder zunächst nach dem zum Behuf dieser Osterberechnung auf 21. März feststehend angenommenen Frühlingsanfang fällt. Die sogen. Gaußsche Formel bietet eine leichte Methode, den jedesmaligen Ostertermin aus der Jahreszahl zu berechnen (s. Kalender, S. 384). Das jüdische Osterfest (s. Passah) fällt gewöhnlich in die Karwoche, jedoch nie vor dem 26. März und nie nach dem 25. April gregorianischen Stils, während das christliche Osterfest zwischen 22. März und 25. April fallen muß. Vgl. Piper, Geschichte des Osterfestes (Berl. 1845); Derselbe, Karls d. Gr. Kalendarium und Ostertafel (das. 1858); Weitzel, Die christliche Passahfeier der drei ersten Jahrhunderte (Pforzh. 1848); Hilgenfeld, Der Paschastreit der alten Kirche (Halle 1860).