Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Marshallinseln“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 291
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Marshallinseln. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 291. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Marshallinseln (Version vom 17.01.2024)

[291] Marshallinseln, deutsche Inselgruppe im westlichen (mikronesischen) Teil des Stillen Ozeans, östlich von den Karolinen, nördlich von den Gilbertinseln, vom 10.° nördl. Br. mitten durchzogen, besteht aus zwei parallel miteinander ziehenden Ketten: der Ratakgruppe im O., 15 Inseln, 123 qkm (2 QM.) groß, und der Ralikgruppe im W., 18 Inseln, 278 qkm (5 QM.) groß. Die Inseln oder vielmehr die auf den Riffen verstreuten Gruppen kleiner Inseln, bei einzelnen über 60, erheben sich nirgends mehr als 3 m ü. M., so daß eine ungewöhnlich hoch steigende Flutwelle die dünne Erdkrume hinwegschwemmen müßte. Regen mangelt selten und fällt vom März bis Oktober reichlich; trotzdem ist die Vegetation sehr ärmlich und beschränkt sich auf Kokospalmen, Pandanus und Brotfruchtbäume. Auf den nördlichen Inseln wird etwas Arrowroot gewonnen; der von Melanesien eingeführte Melonenbaum gedeiht gut, die Banane aber kümmerlich. Den steinigen Boden deckt dichtes Schlinggras, Strauch- und Buschwerk, welches den Bast zu Matten und Röcken liefert. Von Tieren sind nur einheimisch eine kleine Eidechse, Land- und Wasserkrabben und die spärlich vorkommende Wildtaube; eingeführt und teilweise schon verwildert sind Schweine, Hunde, Hühner, Enten, Katzen, Ratten. Fische, von denen aber viele sehr giftig sind, werden oft in großen Schwärmen geschickt auf die Riffe getrieben und zur Ebbezeit erbeutet. Quellwasser fehlt. Die ca. 11,600 Einwohner sind reine Mikronesier (s. Tafel „Ozeanische Völker“, Fig. 21). Ihre Hautfarbe ist schmutzig braun, die ziemlich hohe Stirn steht weit zurück und ist an den Schläfen eingedrückt; die Nase ist flach und breit und die Lippen etwas aufgeworfen. Das schwarze, meist lockige Haar wurde früher allgemein lang getragen und auf dem Wirbel in einen Knoten geschlungen; doch ist diese Haartracht auf den südlichen Inseln jetzt durch die Missionäre verpönt. Der Bartwuchs ist spärlich, die Ohrläppchen werden aufgeschlitzt und durch spiralförmig hineingelegte Pandanusblätter erweitert, bis sie auf die Schulter herabhängen. Eine reiche Tättowierung deckt fast den ganzen Körper; alle bedienen sich desselben Musters, und nur vier Linien, mit denen die Backe von der Schläfe bis zur Kinnlade geschmückt wird, sind ausschließliche Abzeichen der hohen Häuptlinge. Die Kleidung besteht bei den Männern in einem dicken geflochtenen Gürtel, über den ein Bastrock bis zum Knie herabhängt; die zierlichern und äußerst gelenkigen Frauen tragen von den Hüften bis zu den Knieen Matten, den Oberkörper lassen sie unbekleidet oder bedecken ihn nach Vorschrift der Missionäre mit einem Kattunjäckchen. Aus der Frucht des Pandanus gewinnt man einen gelben Saft, der in fußdicke Rollen gepreßt wird, aus der Brotfrucht einen säuerlichen Brei. Von Charakter sind die Marshallinsulaner gutmütig, freundlich und freigebig. Tanz und Gesang spielen bei jedem wichtigen Ereignis eine Rolle, die Begleitung macht eine große Trommel. Krankheiten sucht man durch Beschwörungsformeln zu vertreiben; die Toten werden, wo die Missionäre noch nicht das Begräbnis eingeführt haben, ins Meer versenkt. Man unterscheidet drei Stände: den der Armidwon oder Kajur, besitzlose, zur Monogamie verurteilte Leute; den der Leadagedag, mit eignem Besitz und meist drei Frauen, und den der Budag, die königliche Familie, aus welcher der König, Irod, hervorgeht. Eine Frau aus höherm Stand erhebt ihren Mann zu ihrem eignen Stand. Bei dem Tode des Herrschers folgt sein jüngerer Bruder, der auch die Weiber des Verstorbenen zu übernehmen hat. Früher durften nur zwei Kinder aufgezogen werden; jetzt ist das Gesetz außer Kraft, aber der Gebrauch besteht fort. Infolgedessen und der großen Sittenverderbnis stirbt die Bevölkerung schnell aus. Daran hat auch die Mission nichts geändert, deren überdies sehr fragwürdige Resultate nach Übersiedelung der amerikanischen Missionäre nach Kusaie wohl bald verschwinden werden. Ausgezeichnete Leistungen sind die schönen Matten und die großen, aus mehreren Stücken zusammengenähten Kanoes mit Auslegern und Plattformen, worauf kleine Häuschen stehen. Früher unterhielten die Marshallinsulaner einen regen Verkehr zwischen allen Inseln dieser Gruppe und besitzen von derselben auch eine aus Stöckchen und Steinen gefertigte Karte; jetzt wagt man selten größere Fahrten. Das einzige Handelsprodukt ist Kopra. Der deutsche Handel beherrscht durch die Firma Hernsheim und die Deutsche Plantagengesellschaft der Südsee die Gruppe vollständig. Die erstere Firma hat auf eignem Grundbesitz in der Ralikkette je eine Faktorei auf Jaluit, Ebon, Namerik und Arno, in der Ratakkette je zwei auf Majuro und Milli, außerdem seit 1884 auf Aurh, Maloelab u. a.; ihr Export an Kopra beträgt jährlich 1700 Ton. Die zweite Firma besitzt Faktoreien auf Ebon, Jaluit, Kilii, Namerik, Milli, Arno, Majuro, Maloelab und Bikar und exportiert jährlich 1100 T. Kopra. Am 15. Okt. 1885 wurde vom Kriegsschiff Nautilus die deutsche Schutzherrschaft verkündigt. Vgl. Hager, Die M. (Leipz. 1886).


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 602
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[602] Marshallinseln. Auf den Inseln Jaluit, Kili, Ebon, Namorik, Mille, Arno, Majeru, Maloelab, Likieb, Medjid, Providence und Nauru waren Anfang 1891 anwesend 109 Fremde, darunter 34 Deutsche, 24 Amerikaner, 20 Engländer, 10 Chinesen, 6 Norweger etc. Auf Jaluit allein kamen 67 Fremde. Dem Stande nach waren 4 Regierungsbeamte, 43 Kaufleute. Ausgeführt wurden 1890: 5000 (1889: 2575) Ton. Kopra im Werte von 1,8–2 Mill. Mark, davon durch die deutsche Jaluitgesellschaft 3800 T. Es liefen den Einklarierungshafen Jaluit an: 91 Schiffe von 11,437 T., darunter 21 deutsche mit 2397 T.