Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Manendienst“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 185
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Manendienst. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 185. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Manendienst (Version vom 07.12.2023)

[185] Manendienst (Ahnenkultus, Seelenkultus), der den Abgeschiedenen gewidmete Kultus, wohl die älteste und allgemein verbreitetste Kultusform der Welt, die man weit in die prähistorischen Zeiten zurückverfolgen kann. Dem Toten nicht allein Nahrung und Waffen mit ins Grab zu geben, ihm sogar die Begleitung seines Weibes, seiner Diener und Lieblingstiere ins Jenseits durch Tötung und Mitbegraben zu gönnen, war allgemeiner Gebrauch; aber in der Regel dehnte sich dieser Kultus auch über den Begräbnistag und die Trauerzeit hinaus: man brachte dem Verstorbenen fortdauernd Speise und Trank zu seinem Grabe. Bei den Römern dehnte sich dieser Vorfahrenkultus zu einer Privatreligion aus, indem man Altäre und Masken der Vorfahren in jedem Haus aufstellte und zu ihnen wie zu Schutzgeistern (s. Penaten) betete. Andre Völker überließen den Manen das ganze Haus als Wohnstätte. Außer diesen privaten Ahnen widmete man indessen den Häuptlingen, Königen und Helden, sofern sie ein gutes Andenken bei den Ihrigen zurückgelassen hatten, einen öffentlichen Dienst (Heroenkultus), der, je mehr er in die Nacht der Zeiten zurücktrat, um so mehr den Charakter eines Götterkultus gewann. Der Heros wurde hier und da zum Stammheros, von dem das gesamte Volk seine Herkunft ableitete, und die Namen der betreffenden göttlichen Ahnen bedeuten oft nichts weiter als „Herr“ oder „König“. Schon Euemeros (s. d.) hatte aus ähnlichen Betrachtungen geschlossen, daß der M. die Quelle aller Religion, und daß die Götter der Griechen nichts als vergötterte Menschen seien. Diese Ansichten sind von Geiger, Caspari und J. Lippert („Der Seelenkult“, Berl. 1881, und „Die Religionen der europäischen Kulturvölker“, das. 1881) tiefer begründet worden, wobei hervorgehoben wurde, daß die lokale Verehrung der einzelnen Gottheiten in den polytheistischen Systemen darauf hindeute, daß es sich dabei um die Stammgottheiten einzelner vereinigter Stämme handle, die sozusagen unter die Oberhoheit desjenigen sieghaften Stammes gestellt worden seien, welcher die Vereinigung oder Unterwerfung bewirkt hatte und die Stammgottheiten der unterworfenen Stämme fortbestehen ließ, wie ja die Römer immer mehr ausländische Götter aufnahmen, je mehr Länder sie assimilierten. Allein bei diesen Schlüssen sind doch andre wichtige Faktoren der Mythenbildung, namentlich die Personifikation der Naturkräfte und der Naturdienst, ganz vernachlässigt worden, und man darf sie nur mit großer Vorsicht aufnehmen. In der christlichen Kirche wird dem M. durch Totenmessen und Totenfeste Rechnung getragen.