Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Manŭel“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Manŭel“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 11 (1888), Seite 209210
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Manŭel. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 209–210. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Man%C5%ADel (Version vom 22.12.2023)

[209] Manŭel, Name zweier oström. Kaiser: 1) M. I. Komnenos, vierter Sohn des Kaisers Johannes II., geb. 1120, folgte nach der Bestimmung seines Vaters demselben 1143; seinen ältern Bruder, Isaak, welchen seine Anhänger in Konstantinopel gefangen gesetzt hatten, ließ er, nachdem er in der Hauptstadt erschienen, frei und verlieh ihm den Titel Sebastokrator. Ehrgeizig und thatendurstig, führte er zahlreiche Kriege, um sowohl in Asien als auch in Europa seine Herrschaft auszubreiten. Während des zweiten Kreuzzugs trat er in freundschaftliche Verbindung mit dem deutschen König Konrad III. und schloß mit demselben ein Bündnis gegen Roger II. von Sizilien. Gegen diesen und dessen Nachfolger Wilhelm I. führte er längere Kriege, während deren 1147 die Normannen Theben und Korinth eroberten und plünderten, die Griechen 1155 Apulien eroberten, aber schnell wieder verloren; endlich kam es 1158 unter Vermittelung Papst Hadrians IV. zum Frieden. Auch die Versuche Manuels, im obern Italien, wo er Ancona besetzt hatte, festen Fuß zu fassen, scheiterten an dem Widerstand Kaiser Friedrichs I. und Venedigs. Dagegen führte er glückliche Kriege gegen Ungarn und in Asien, das empörte Armenien wurde wieder unterworfen, der Fürst von Antiochia und selbst der Sultan von Ikonion mußten seine Oberhoheit anerkennen, den König Amalrich von Jerusalem unterstützte er bei seinem erfolglosen Kriegszug nach Ägypten 1170. Allein zuletzt wandte sich das Glück gegen M., auf einem neuen Feldzug gegen den Sultan von Ikonion erlitt er 1176 bei Myriokephalon eine vollständige Niederlage, welche alle seine frühern Erfolge zu nichte machte. Er starb 24. Sept. 1180. Er war ein tapferer, ritterlicher Krieger, aber ein despotischer, gewaltthätiger und sittenloser Herrscher. Vgl. v. Kap-Herr, Die abendländische Politik Kaiser Manuels (Straßb. 1881).

2) M. II. Paläologos, zweiter Sohn des Kaisers Johannes V., wurde von demselben 1385 nach dem Tod seines ältern Bruders, Andronikos, zum Mitregenten angenommen und folgte demselben 1391 auf dem Thron. Vom Sultan Bajesid schwer bedrängt, rief er die abendländischen Fürsten zu Hilfe; allein das unter König Siegmund ausziehende Kreuzheer wurde 1396 in der Schlacht bei Nikopolis von dem Sultan vollständig geschlagen. Aufs neue von dem Sultan bedroht, welcher den Sohn des Andronikos, Johannes, gegen ihn zum Kaiser aufstellte, entschloß sich M., persönlich im Abendland Hilfe zu suchen. Er einigte sich mit Johannes, überließ diesem während seiner Abwesenheit die Regierung und reiste 1399 zunächst nach Venedig, um dann auch [210] Frankreich, England und andre Staaten zu besuchen. Überall wurde er glänzend aufgenommen, erhielt aber keine wirkliche Hilfe. Nach der Niederlage Bajesids bei Angora (1402) kehrte M. 1403 nach Konstantinopel zurück, übernahm wieder die Regierung, fand Johannes mit Thessalonich ab, schloß mit Bajesids Söhnen Suleiman und Mohammed I. Frieden und regierte friedlich bis zu dessen Tod 1421. Den neuen türkischen Sultan, Murad II., reizte er durch Begünstigung des Thronprätendenten Mustafa; nun belagerte Murad 1422 Konstantinopel, gab die Belagerung aber nach drei Monaten auf, um Aufstände in Kleinasien zu unterdrücken, und schloß 1424 mit M. Frieden. M. starb 1425; ihm folgte sein Sohn Johannes VII.

3) Don Juan, Infant von Kastilien, Neffe König Alfons’ X. von Kastilien, Kriegsmann und Schriftsteller, geb. 1282 zu Escalona, wurde nach dem frühen Tod seines Vaters Don Pedro M. von seinem Vetter, König Sancho IV., erzogen, diente mit Auszeichnung gegen die Mauren und wurde 1310 vertrauter Rat Ferdinands IV. Während der Minderjährigkeit Alfons’ XI. war er dessen Vormund und Reichsverweser, später dessen Statthalter in den Grenzbezirken gegen die Mauren, über welche er 1327 den glänzenden Sieg bei Guadalhorra erfocht. Die Ermordung seines Großoheims, des Infanten Don Juan, auf Anstiften des Königs veranlaßte M. zu offener Empörung gegen den letztern unter Beihilfe der Könige von Aragonien und Granada. Der Krieg wurde jahrelang mit wechselndem Glück geführt und endete 1335 mit Manuels Niederlage und Flucht nach Aragonien. Unterhandlungen, die von hier aus angeknüpft wurden, führten endlich zu einer vollständigen Versöhnung zwischen beiden Teilen. M. unterwarf sich dem König und leistete ihm bis zu seinem Tod ausgezeichnete Dienste im Kriege gegen die Mauren. Er starb 1347. M. war einer der gebildetsten Männer seiner Zeit. Von zwölf verschiedenen Werken, die er verfaßt, von denen aber ein großer Teil verloren gegangen, ist „El conde Lucanor“ am bekanntesten geworden, eine Sammlung von 49 durch einen gemeinsamen Rahmen miteinander verbundenen Erzählungen, welche nicht nur als die ältesten ihrer Art in der spanischen Litteratur, sondern auch ihres Inhalts und ihrer Sprache wegen von großem Interesse sind. Die erste Ausgabe besorgte Argote de Molina (Sevilla 1575, Madr. 1642), deren Wiederabdruck Adelb. Keller (Stuttg. 1830) veranstaltete; die neueste und beste ist die in der „Biblioteca de autores españoles“, Bd. 51 (Madr. 1860). Eine Übersetzung des Werks lieferte J. v. Eichendorff (Berl. 1840, 3 Bde.).

Manŭel, 1) Nikolaus, genannt Deutsch, Maler und Dichter, geb. 1484 zu Bern, wurde 1512 Mitglied des Großen Rats, trat 1522 in französische Dienste und wohnte dem Sturm von Novara und der Schlacht bei Pavia bei. Nach seiner Rückkehr (1523) wurde er Vogt von Erlach, 1528 Mitglied des Kleinen Rats und 1529 Venner von Bern, in welchen Stellungen er die Reformation eifrig fördern half. Auch durch Dichtungen und polemische Schriften in Prosa wirkte er für dieselbe, insbesondere durch seine volkstümlich kräftigen und witzigen Fastnachtsspiele: „Vom Papst und seiner Priesterschaft“, „Der Ablaßkrämer“, „Barbeli“, „Elsli Tragdenknaben“, die, von 1521 bis 1530 in Bern aufgeführt, durch den Druck rasch über die deutsche Schweiz verbreitet wurden. Neuere Ausgaben von Manuels Dichtungen besorgten Tittmann (Leipz. 1868) und Bächtold (Frauenfeld 1878). M. starb 30. April 1530 in Bern. Im Museum zu Basel sieht man von ihm Zeichnungen von 1511 und Ölbildnisse von 1517. Das berühmteste seiner Werke jedoch ist der Totentanz, den er in Fresko von 1515 bis 1521 auf die (jetzt abgebrochene) Umfassungsmauer des Dominikanerklosters zu Bern malte (nachgebildet in: „Niklaus Manuels Totentanz“, Bern 1829–31, 24 Lithographien). Manuels Kunstweise erinnert stark an die Urs Grafs: er hatte eine überströmende Phantasie, führte auch fleißig aus; höheres Schönheitsgefühl mangelte ihm jedoch. Vgl. Grüneisen, Nikolaus M., Leben und Werke (Stuttg. 1837); Schaffroth, Der Reformator N. M. (Basel 1885). – Sein Sohn Hans Rudolf, geb. 1525 zu Erlach, seit 1562 Ammann in Morsen, gest. 1571, war gleichfalls Maler und Dichter.

2) Pierre Louis, franz. Konventsdeputierter, geb. 1751 zu Montargis, übernahm nach vollendeten akademischen Studien in Paris eine Hauslehrerstelle, wurde aber wegen eines Pamphlets gegen die höhere Geistlichkeit und die Regierung in die Bastille gesetzt. Nach den Julitagen von 1789 zum Mitglied des provisorischen Gemeinderats von Paris erwählt, sammelte er in dieser Stellung aus den Akten der Polizei das Material zu seiner Schrift „La police dévoilée“ (Par. 1791, 2 Bde.). Seit Ende 1791 Prokurator der Kommune von Paris, war er bei den Aufständen vom 20. Juni und 10. Aug. 1792 sehr thätig und wurde in Paris zum Mitglied des Konvents erwählt. Den am 7. Okt. 1792 erhaltenen Auftrag, den König von seiner Absetzung in Kenntnis zu setzen und ihn der äußern Zeichen der königlichen Würde zu entkleiden, vollzog er mit Schonung. Er stimmte gegen die Verurteilung des Königs zum Tod, schied, als diese dennoch erfolgte, aus dem Konvent und begab sich nach Montargis, wurde aber bald danach auf Befehl des Konvents verhaftet und als des Royalismus verdächtig 14. Nov. 1793 zu Paris guillotiniert. Noch hat M. die Ausgabe der „Lettres de Mirabeau à Sophie“ (Par. 1792, 4 Bde.) besorgt. Vgl. Bonnal, M. et son temps (Par. 1877).

3) Jacques Antoine, Mitglied der franz. Deputiertenkammer, geb. 10. Dez. 1775 zu Barcelonnette (Niederalpen), widmete sich zuerst dem Kaufmannsstand, trat 1793 in die Armee, nahm aber 1801 als Kapitän seine Entlassung und wurde Advokat, anfangs zu Digne, dann zu Aix, seit 1815 in Paris, nachdem er während der Hundert Tage der Deputiertenkammer angehört und sich durch seinen Patriotismus ausgezeichnet hatte. 1818 von zwei Departements in die Kammer gewählt, stand er hier auf der äußersten Linken und bekundete eine ebenso große Sachkenntnis wie Schlagfertigkeit. Eine Anspielung von ihm auf die Hinrichtung Ludwigs XVI. in den Debatten über die spanische Intervention gab der fanatisch realistischen Majorität einen erwünschten Vorwand, ihn 3. März 1823 aus der Kammer auszuschließen, und da er am folgenden Tag seinen Sitz gleichwohl wieder einnahm, ward er durch einen Gendarmen aus dem Sitzungslokal gebracht. Die ganze Linke folgte ihm nach. M. zog sich hierauf nach Maisons zurück, wo er 20. Aug. 1827 starb. Sein Leichenbegängnis gab Anlaß zu einer großartigen Volksdemonstration.


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 551
Indexseite

[551] Manuel, 1) Nikolaus. Vgl. auch Händcke, N. M. Deutsch als Künstler (Frauenf. 1889).

 4) Eugène, franz. Gelehrter und Dichter, geb. 13. Juli 1823 zu Paris, Sohn eines israelitischen Arztes, besuchte das Lycée Charlemagne und die Normalschule, bekleidete dann verschiedene Lehrerstellen, zuletzt am Lycée Henri IV zu Paris, wurde im September 1870 von Jules Simon, dem Minister des öffentlichen Unterrichts, zum Chef seines Sekretariats ernannt und 1878 zum Generalinspektor des öffentlichen Unterrichts befördert. Seine Gedichte erschienen in verschiedenen Sammlungen, die akademische Preise erhielten: „Pendant la guerre“ (1871), „Poëmes populaires“ (1871), „Pages intimes“ (1866) u. „En voyage“ (1881), auch in einer Auswahl unter dem Titel: „Poésies du foyer et de l’école“ (1888). Von seinen Dramen: „Les ouvriers“ (1870) und „L’absent“ (1873) trug ihm das erstere einen akademischen Preis von 6000 Frank ein. Mit Levi-Alvarès gab er ein weitverbreitetes Lesebuch für die Schulen: „La France“, heraus.